Iran bei Präsidentenwahl vor Machtwechsel

Im Iran ist am Freitag ein neuer Präsident gewählt worden - das Interesse der Wähler war allerdings mäßig. Zwölf Stunden nach Öffnung der Wahllokale lag die Wahlbeteiligung landesweit erst bei 37 Prozent, wie die Nachrichtenagentur Fars berichtete. Die Öffnungszeit der Wahllokale wurde daher am späten Abend um zwei Stunden verlängert. Nach dem Ausschluss aller aussichtsreichen Kandidaten galt die Wahl des ultrakonservativen Justizchefs Ebrahim Raisi als nahezu sicher.

Das geistliche Oberhaupt des Landes, Ayatollah Ali Chamenei, gab in der Hauptstadt Teheran als Erster seine Stimme ab und rief die gut 59 Millionen Wahlberechtigten auf, seinem Beispiel zu folgen. „Je eher ihr diese Aufgabe und Pflicht erfüllt, desto besser“, sagte der 81-Jährige. Die Abstimmung „dient dazu, die Zukunft“ des iranischen Volkes aufzubauen.

Raisi war schon bei der Präsidentschaftswahl 2017 angetreten. Damals unterlag er dem moderaten Amtsinhaber Hassan Rouhani, der nun nach zwei Amtszeiten als Präsident nicht erneut kandidieren durfte.

Der scheidende Präsident Hassan Rouhani galt als letztes Bollwerk gegen die erzkonservativen Kräfte, die sich bereits die Kontrolle über das Parlament gesichert haben. Außenseiterchancen werden dem reformorientierten Ökonomen Abdolnasser Hemmati eingeräumt, der insbesondere auf Proteststimmen hofft.

Der 60-jährige Raisi ist nicht nur Politiker, sondern auch Geistlicher: Er sieht sich als Nachfahre des Propheten Mohammed, im schiitischen Klerus hat er den zweithöchsten Rang eines Hojatoleslam inne. Als Politiker präsentiert sich der Ultrakonservative als „unerbittlicher“ Kämpfer gegen Armut und Korruption.

Von den ursprünglich knapp 600 Bewerbern hatte der Wächterrat nur sieben Kandidaten zugelassen. So durfte der moderat-konservative Ex-Parlamentspräsident Ali Larijani, Chefunterhändler des Atomabkommens, überraschenderweise nicht kandidieren. Drei weitere Anwärter warfen zwei Tage vor der Abstimmung das Handtuch.

Raisi ist ein enger Verbündeter Khameneis und gilt auch als möglicher Nachfolger des 82-Jährigen. Khamenei und der scheidende Präsident Rouhani riefen ihre Landsleute auf, wählen zu gehen. „Jede Stimme zählt“, sagte Khamenei bei der Stimmabgabe in der Hauptstadt Teheran. „Kommt und wählt euren Präsidenten. (...) Es ist wichtig für die Zukunft eures Landes.“ Rund 59 Millionen Iraner waren wahlberechtigt.

Die Begeisterung der Wähler hält sich seit dem Ausschluss zahlreicher Hoffnungsträger von der Wahl in Grenzen. Den wenigen verfügbaren Umfragen zufolge könnte die Wahlbeteiligung auf einen neuen Tiefstand fallen.

Die Unzufriedenheit der Menschen ist angesichts der schweren wirtschaftlichen und sozialen Krise im Iran groß. Die Wirtschaft des ölreichen Landes ist infolge der strikten US-Sanktionen am Boden, die Bevölkerung leidet unter der anhaltenden Inflation und Arbeitslosigkeit. Die Corona-Krise verschlimmerte die Lage zusätzlich.

Rouhani rief seine Landsleute dennoch zur Wahl auf. „Wahlen sind wichtig, egal was passiert. Trotz aller Probleme müssen wir wählen gehen.“

Die iranische Exil-Opposition rief hingegen zum Boykott der Wahl auf. Sie sieht in der Abstimmung in erster Linie den Versuch, den Einfluss der Ultrakonservativen im Land zu zementieren.

In Wien fand am späten Vormittag eine Protestdemonstration gegen die Wahl statt. „Boykottiert die Scheinwahl im Iran!“, hieß es in einer Aussendung der Österreichisch-Iranischen Gemeinschaft in Wien. „Es gibt keine freien Wahlen im Iran. Die Opposition im Land ist verboten und wird verfolgt, ein religiöser Wächterrat siebt weitere Kandidaten aus“, kritisierten die Regimegegner. Laut Veranstaltern gab es rund 40 Teilnehmer an der Demonstration.

Für die Opposition und Menschenrechtsgruppen ist Raisis Name zudem unauslöschlich mit den Massenhinrichtungen von Linken 1988 verbunden, als er stellvertretender Staatsanwalt des Revolutionsgerichts in Teheran war. Der 60-Jährige bestreitet jegliche Verantwortung dafür.

Die politische Macht liegt im Iran seit der Revolution 1979 beim geistlichen Oberhaupt des Landes. Als höchster Vertreter des Staatsapparats übt der Präsident jedoch bedeutenden Einfluss etwa in der Industriepolitik und der Außenpolitik aus.

Rouhanis wichtigste Errungenschaft während seiner Amtszeit war das internationale Atomabkommen im Jahr 2015. Darin wurde dem Iran die Lockerung von Sanktionen im Gegenzug für Einschränkungen seines Atomprogramms zugesichert. Doch der einseitige Rückzug der USA aus dem Abkommen 2018 machte die Hoffnungen auf wirtschaftlichen Wohlstand zunichte.

Die Wahlergebnisse werden erst für Samstag erwartet. Sollte kein klarer Gewinner aus der Abstimmung hervorgehen, findet am 25. Juni eine Stichwahl statt.

Verwandte Themen