Iran nach Präsidentenwahl vor Machtwechsel

Die Präsidentenwahl im Iran ist in der Nacht auf Samstag nach rund 19 Stunden beendet worden. Gewählt wurde am Freitag ein Nachfolger für Präsident Hassan Rouhani, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten durfte. Stimmberechtigt waren mehr als 59 Millionen Menschen, allerdings wollten weniger als die Hälfte von ihnen an der Wahl teilnehmen. Nach Ausschluss aller aussichtsreichen Kandidaten galt die Wahl des ultrakonservativen Justizchefs Ebrahim Raisi als nahezu sicher.

Wegen der Corona-Krise war die Öffnungszeit der Wahllokale verlängert und ihre Zahl auf mehr als 70.000 erhöht worden. Erste Ergebnisse werden laut Innenministerium am Samstag oder spätestens Sonntag erwartet. Der neue Präsident soll dann im August vereidigt werden. Die politische Macht liegt im Iran seit der Revolution 1979 zwar beim geistlichen Oberhaupt des Landes. Als höchster Vertreter des Staatsapparats übt der Präsident aber bedeutenden Einfluss etwa in der Industriepolitik und der Außenpolitik au

Nach Angaben des iranischen Staatsfernsehens war die Wahlbeteiligung landesweit hoch, auch in der Hauptstadt Teheran. Laut Augenzeugen gab es zwar eine rege Beteiligung in einigen Teilen im Süden Teherans, aber sonst waren die Wahllokale in der Millionenmetropole relativ leer. Laut Umfragen wollten ungefähr 40 Prozent an der Wahl teilnehmen, über 30 Prozent weniger als noch vor vier Jahren. Zwölf Stunden nach Öffnung der Wahllokale lag die Beteiligung landesweit erst bei 37 Prozent, berichtete die Nachrichtenagentur Fars.

Nach der Wahl erwarten Beobachter einen politischen Machtwechsel. Von den zunächst sieben zugelassenen Kandidaten gingen am Wahltag nur noch vier ins Rennen. Ein erzkonservativer Kleriker, ein Reformer, ein ehemaliger General und ein Hardliner. Als klarer Favorit wird der Kleriker und Justizchef Ebrahim Raisi gehandelt. Außenseiterchancen werden dem reformorientierten Ökonomen Abdolnasser Hemmati eingeräumt, der insbesondere auf Proteststimmen hofft.

In weiten Teilen der Bevölkerung gilt ein Wahlsieg Raisis als sicher. Vor vier Jahren noch an Rouhani gescheitert, stellt sich dieses Mal sein Weg ins Präsidialamt wesentlich einfacher dar. Dafür sorgte auch der sogenannte Wächterrat, der als Wahlgremium ernsthafte Konkurrenten aussortierte. Dies führte sogar in den eigenen Reihen zu heftigen Protesten - und zu großem Desinteresse der Menschen an einer Wahl, die weithin als inszeniert und undemokratisch wahrgenommen wurde.

Als Präsident würde Raisi nach Überzeugung von Experten den moderaten Kurs Rouhanis nicht fortsetzen. Im Wahlkampf fokussierte er sich mehr auf Wirtschaftsthemen und versprach ein schnelles Ende der durch die US-Sanktionen verursachten Finanzkrise. Doch ohne Verhandlungen mit den USA über die Zukunft des inzwischen von beiden Seiten unterminierten Wiener Atomabkommens von 2015 wäre ein Ende der Sanktionen - und der schon fast drei Jahre währenden Wirtschaftskrise - nicht machbar.

Genau dieses Abkommen hat Raisi in den vergangenen Jahren indes scharf kritisiert. Inzwischen klingt sein Standpunkt jedoch weniger radikal. „Wir werden das Abkommen respektieren, die Bedingungen dafür stellen aber wir, nicht die USA“, sagte er im Wahlkampf. Seine Bedingungen dafür wolle er erst später bekanntgeben. Auch in der Nahost-Politik erwarten Beobachter bei Übernahme des Präsidentenamts durch Raisi einen radikaleren Kurs, im Verhältnis zum Erzfeind Israel einen gar noch feindseligeren als bisher.

In der Bevölkerung herrscht mehr Skepsis als Hoffnung. Von Rouhani und den Reformern enttäuscht, erwarten die meisten Perser auch von Raisi keine großen Veränderungen. Sie hoffen vor allem auf ein Ende der Wirtschaftskrise. Gleichzeitig befürchten viele, dass seine Politik zu einer erneuten Isolierung ihres Landes führen könnte.

Der scheidende Präsident Hassan Rouhani galt als letztes Bollwerk gegen die erzkonservativen Kräfte, die sich bereits die Kontrolle über das Parlament gesichert haben. Der 60-jährige Raisi ist nicht nur Politiker, sondern auch Geistlicher: Er sieht sich als Nachfahre des Propheten Mohammed, im schiitischen Klerus hat er den zweithöchsten Rang eines Hojatoleslam inne. Als Politiker präsentiert sich der Ultrakonservative als „unerbittlicher“ Kämpfer gegen Armut und Korruption. Raisi ist zudem ein enger Verbündeter Khameneis und gilt auch als möglicher Nachfolger des 82-Jährigen.

Die iranische Exil-Opposition rief hingegen zum Boykott der Wahl auf. Sie sieht in der Abstimmung in erster Linie den Versuch, den Einfluss der Ultrakonservativen im Land zu zementieren. Für die Opposition und Menschenrechtsgruppen ist Raisis Name zudem unauslöschlich mit den Massenhinrichtungen von Linken im Jahr 1988 verbunden, als er stellvertretender Staatsanwalt des Revolutionsgerichts in Teheran war. Der 60-Jährige bestreitet jegliche Verantwortung dafür.

In Wien fand am Freitag eine Protestdemonstration gegen die Wahl statt. „Boykottiert die Scheinwahl im Iran!“, hieß es in einer Aussendung der Österreichisch-Iranischen Gemeinschaft in Wien. „Es gibt keine freien Wahlen im Iran. Die Opposition im Land ist verboten und wird verfolgt, ein religiöser Wächterrat siebt weitere Kandidaten aus“, kritisierten die Regimegegner. Laut Veranstaltern nahmen rund 40 Teilnehmer an dem Protest teil.

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