EU-Außenminister einigen sich auf Belarus-Sanktionen

Die EU-Außenminister haben sich auf weitreichende Wirtschaftssanktionen gegen Belarus (Weißrussland) verständigt. Bei einem Treffen einigten sich die 27 Mitgliedstaaten am Montag in Luxemburg auf Maßnahmen gegen die Kali- und Düngemittelindustrie sowie Mineralölunternehmen und den Finanzdienstleistungssektor. Medienbericht, wonach Österreich die Wirtschaftssanktionen blockiert habe, wies Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) zurück.

„Wir müssen nach dieser kaltschnäuzig Aktion einer staatlichen Luftpiraterie die Daumenschrauben eindeutig anziehen, aber wir wollen auch nicht die Menschen in Weißrussland, in Belarus bestrafen“, bekräftigte Schallenberg vor dem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen in Luxemburg. „Wir haben nie Widerstand geleistet, das ist eine völlige Fehlmeldung.“ Es sei ein ganz „normaler Verhandlungsprozess“ gewesen, an dem sich auch andere Staaten wie Deutschland und Frankreich beteiligt haben. Schallenberg betonte auch, Österreich „gehört vielleicht zu jenen Staaten, die am meisten investieren in den Dialog mit der Zivilgesellschaft“. Schallenberg traf in Luxemburg auch die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja.

Tichanowskaja begrüßte die Sanktionen der Nachrichtenagentur dpa zufolge als „wichtiges Signal“, das zeige, dass die Belarussen nicht alleine seien. „Heute hat die gesamte demokratische Welt beispiellose Einheit gezeigt.“ Von den Sanktionen gegen den belarussischen Finanzdienstleistungssektor werden nach Angaben aus EU-Kreisen unter anderem österreichische Banken betroffen sein. Das Nachrichtenportal Politico hatte vergangene Woche unter Berufung auf drei EU-Diplomaten berichtet, Österreich sei bei einer relevanten Arbeitssitzung am Mittwoch bei Restriktionen im Finanzbereich auf die „Bremse gestiegen“. Wien habe wegen des starken Engagements seiner Banken in Belarus Bedenken, meldete eine Nachrichtenagentur mit Verweis auf EU-Diplomaten. Österreich zählt in dem osteuropäischen Land zu den größten Investoren hinter Russland, das liegt vor allem am Engagement der Raiffeisen Bank International (RBI) und von A1.

Die Außenminister der EU-Staaten zurrten am Montag ein umfangreiches neues Sanktionspaket gegen Unterstützer des belarussischen Staatschefs Alexander Lukaschenko fest. Der Beschluss der Wirtschaftssanktionen soll in den kommenden Tagen umgesetzt werden. Die Strafmaßnahmen werden unter anderem die Kali- und Düngemittelindustrie sowie Mineralölunternehmen und den Finanzdienstleistungssektor des Landes treffen. Eine zuvor in Brüssel erzielte Einigung sieht vor, gegen 78 Personen EU-Einreiseverbote zu verhängen und in der EU vorhandene Vermögenswerte einzufrieren. Betroffen sind auch Belarussen, die für die erzwungene Landung eines Ryanair-Flugzeugs und die Festnahme des regierungskritischen Bloggers Roman Protassewitsch Ende Mai verantwortlich gemacht werden.

„Wir wollen auf die Art und Weise einen Teil dazu beitragen, dass dieses Regime finanziell ausgetrocknet wird“, sagte der deutsche Außenminister Heiko Maas laut Nachrichtenagentur dpa. „Das sind Maßnahmen, die Belarus ... massiv treffen werden, und genau das ist auch das Ziel dieser Sanktionen.“ Er räumte ein, dass die Sanktionen unerwünschte Nebenwirkungen für die deutsche Wirtschaft mit sich brächten. „Wir werden auch im Energiebereich, wo es Verbindungen gibt, sicherlich betroffen sein.“ Dass viele Länder bereit seien, eigene Einbußen in Kauf zu nehmen, sei ein Zeichen dafür, dass man sehr entschlossen sei. Der Beschluss soll schon in den nächsten Tagen umgesetzt werden.

Konkret sehen die Restriktionen nach Angaben aus dem Außenministerium im Finanzsektor nun vor: Keine neuen Kredite, Wertpapierhandelverbot und Verbot von Investmentservices sowie weitgehendes Verbot von Exportkrediten. Die RBI hat in Weißrussland ihre Tochterbank Prior, doch diese ist laut RBI-Sprecher Christof Danz „relativ unbedeutend“ für die Bank. Laut Ö1-Mittagsjournal hat die Prior Bank 1,3 Milliarden Euro an Krediten vergeben, 80 Prozent davon an Private und 20 Prozent an belarussische Staatsfirmen. Andere europäische Banken seien gar nicht in den weißrussischen Markt eingetreten, sagte Danz zu Ö1. „Wir sind die einzige Bank, die dort vertreten ist, der Marktanteil beträgt rund fünf Prozent. Der Bankenmarkt in Belarus ist von den belarussischen Staatsbanken und von russischen Banken dominiert.“ Vom Sanktionspaket sei die RBI wenig betroffen, so Danz.

Befürchtungen, dass die Strafmaßnahmen Lukaschenko noch stärker in die Arme des russischen Präsidenten Wladimir Putin treiben, wurden in Luxemburg zurückgewiesen. Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis verwies laut dpa darauf, dass Lukaschenko schon jetzt mit Putin so verbunden sei, dass man ihn gar nicht enger drängen könne. Ähnlich äußerte sich Landsbergis zufolge auch Tichanowskaja, die zu einem Frühstück mit den EU-Ministern eingeladen war. Die Ex-Präsidentschaftskandidatin hatte die EU zuvor schon immer wieder zu schärferen Strafmaßnahmen aufgefordert.

Die Grünen begrüßten die neuen Sanktionen. „Dem letzten Diktator Europas und geopolitischen Spielball Putins muss trotz der massiven Unterstützung aus Russland die Puste ausgehen“, sagt die Grüne Sprecherin für Außenpolitik und Menschenrechte, Ewa Ernst-Dziedzic, laut einer Aussendung. „Auch wenn Österreich große wirtschaftliche Interessen in Belarus verfolgt, dürfen diese niemals über den Menschenrechten stehen. Schließlich sind es Demokratie und die liberalen Grund- und Freiheitsrechte, die das Fundament eines geeinten und gemeinsamen Europas ausmachen.“

Neben der EU erhöhten am Montag laut dpa auch die USA, Großbritannien und Kanada mit weiteren Strafmaßnahmen den Druck auf den Machtapparat in Belarus. Das Außenministerium in Washington kündigte am Montag Visabeschränkungen gegen 46 Funktionäre an, die künftig nicht mehr in die Vereinigten Staaten einreisen dürfen. Das Finanzministerium setzte 16 Personen und fünf staatliche Stellen auf eine schwarze Liste. Die britische Regierung verhängte ebenfalls Einreiseverbote. Zudem sollen Vermögenswerte eingefroren werden. Betroffen ist nach Angaben des britischen Außenministeriums auch ein Unternehmen, das Ölprodukte exportiert.

Mit dem neuen Sanktionspaket reagieren die EU und ihre Partner auf die anhaltenden Repressionen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition seit der Präsidentenwahl am 9. August 2020. Bei den Protesten gab es bereits mehrere Tote, Hunderte Verletzte und Tausende Festnahmen. Menschenrechtler kritisieren Folter in den belarussischen Gefängnissen. Österreich stehe in Solidarität mit den demokratischen Kräften in Belarus, betonte Schallenberg am Montag. Er forderte erneut die Freilassung von Protassewitsch und anderer politischer Gefangener. Belarussische Behörden hatten für die Festnahme des regierungskritischen Bloggers eine von Athen nach Vilnius fliegende Passagiermaschine zu einer Zwischenlandung in Minsk gezwungen.