Kurz will auch bei Anklage Kanzler bleiben

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will auch bei einer Anklageerhebung gegen ihn nicht zurücktreten. „Ja, selbstverständlich“, antwortete Kurz in einem Interview mit „Bild live“ auf die Frage, ob ein Angeklagter Bundeskanzler sein könne. SPÖ, FPÖ und NEOS übten scharfe Kritik - die Pinken zeigten sich auch über einen Vergleich des Kanzlers zwischen der Justiz und Missbrauchs-Skandalen in der Kirche empört.

Kurz hatte gegenüber „Bild live“ erklärt, es sei bei solchen Anklagen „nie etwas dran“ gewesen und sie hätten sich „alle als falsch herausgestellt“. Er wisse, was er getan und nicht getan habe. „Ich habe definitiv immer vorsätzlich die Wahrheit gesagt“, bekräftigte der ÖVP-Chef seine Verteidigungslinie. Auf die Frage, ob er mit 40 Jahren noch Kanzler sein werde, sagte der bald 35-Jährige: „Ich fühle mich derzeit sehr wohl in der Politik. Ich glaube, dass ich einen Beitrag leisten kann.“

Kritik an den Aussagen von Kurz kam am Montag von SPÖ und FPÖ. „Ein Kanzler kann nicht gleichzeitig auf der Regierungsbank und Anklagebank sitzen“, sagte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch in einer Aussendung. FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst ortete eine „Unverfrorenheit von ÖVP-Kanzler Kurz“, die „langsam unerträglich“ werde. Auch die NEOS zeigten sich kritisch: „Dass sich Kanzler Kurz offenbar nur Gedanken über die drohende eigene Anklage macht, dabei einmal mehr die unabhängige Justiz zu diskreditieren versucht und sich selbst freispricht, zeigt, dass er vor allem mit sich selbst beschäftigt ist“, so der stellvertretende NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak.

Die NEOS kritisierten am Montag aber auch Aussagen des ÖVP-Chefs von vergangener Woche: In einem Interview mit „vol.at“ hatte der Kanzler einen Vergleich zwischen Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche und der Justiz gezogen. In dem am vergangenen Donnerstag veröffentlichten Video-Interview erklärte Kurz zum Thema der politischen Angriffe auf Staatsanwaltschaften, er habe „nie pauschal die Justiz kritisiert“. „Aber ich glaube, es muss schon möglich sein, dass die Arbeit von Einzelpersonen kritisch hinterfragt werden darf“, sagte er.

„Es gab eine Institution, die ist früher niemals hinterfragt worden - das ist die katholische Kirche“, so der Kanzler weiter. „Als es Missbrauchsfälle gegeben hat, haben einige sogar versucht, das zu vertuschen - und das war am Anfang nicht gern gesehen, wenn es öffentlich Kritik an der Kirche gab. Ich glaube, dass das der Kirche nicht gut getan hat. Ich glaube, keine Institution sollte sakrosankt sein“, betonte Kurz. „Und jeder sollte in Ruhe seiner Arbeit nachgehen können. Aber wenn sich jemand etwas zuschulden kommen lasst, dann ist es auch legitim, das anzusprechen.“

Er glaube, „dass wir schon im Bereich der WKStA hier einige auch Problemfelder gesehen haben in der letzten Zeit“, blieb der ÖVP-Chef bei seiner Kritik - und wies auch auf das „Öffentlichwerden von Fällen, die eigentlich vor Gericht behandelt werden sollten“, hin. Es habe „sehr, sehr viele Anschuldigungen, die medial in den Raum gestellt werden“ gegeben, die sich dann im Nachhinein alle als falsch herausgestellt hätten. „Das ist, glaube ich, alles andere als gut für unser System und insbesondere, dass in der Politik immer mehr und mehr mit Anzeigen gearbeitet wird. Dass es nicht mehr darum geht, einen Wettbewerb der besten Ideen zu haben, sondern einen Wettbewerb der besten Anzeigen. Das ist etwas, das ich ablehne und das werde ich auch weiterhin öffentlich sagen - ob es jetzt jemandem passt oder nicht.“

„Das ist die nächste Entgleisung des Bundeskanzlers“, sagte NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos dazu in einer Aussendung. „Mit diesem unerträglichen Vergleich zeigt er einmal mehr seine Missachtung demokratischen Institutionen gegenüber und macht deutlich, worum es ihm und seiner türkisen Partie geht: Ausschließlich um sich selbst und die eigene Macht.“ Die Aussagen des Kanzlers seien eine „Herabwürdigung der vielen Opfer der Missbrauchsskandale der letzten Jahrzehnte“. „Ich erwarte mir von Sebastian Kurz deutliche Worte der Entschuldigung“, so der NEOS-Generalsekretär.