Frontex stockt Hilfe für Grenzschutz in Litauen erneut auf

Angesichts der stark gestiegenen Zahl irregulär eingereister Flüchtlinge an der litauisch-belarussischen Grenze hat die EU-Grenzschutzagentur Frontex am Freitag weitere 60 Beamte zum Schutz der EU-Außengrenze nach Litauen entsandt. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) wiederholte indes, gemeinsam mit seinem deutschen Amtskollegen Horst Seehofer, die Forderung nach Unterstützung der EU-Kommission für die litauische Regierung.

Insgesamt seien derzeit 100 Beamte, 30 Streifenwagen und zwei Helikopter im Einsatz in dem kleinen Baltenstaat, wie Frontex mitteilte. Die Zahl wurde in den vergangenen Wochen kontinuierlich aufgestockt. Die Beamten sollen den litauischen Kollegen bei Grenzkontrollen, Grenzüberwachung sowie bei der Registrierung und Identifikation der irregulären Migranten helfen. Kommende Woche würden zudem Experten des Frontex-Zentrums für Rückführungen in Vilnius über mögliche durch die Agentur koordinierte Repatriierungen von Menschen ohne Bleibeperspektive beraten.

Die EU-Kommission hatte in den vergangenen Tagen mehrmals betont, Litauen in der aktuellen Situation zu unterstützen. Erst gestern wandte sich EU-Migrationskommissarin Ylva Johansson mit einem Brief an alle 27 EU-Innenminister, darunter Seehofer und Nehammer, um sie über geplante und bereits gesetzte Schritte zu informieren. „Wir müssen Litauen jetzt unterstützen, das ist das Wichtigste, was wir jetzt tun können. Wir müssen diese irregulären Ankünfte stoppen“, sagte Johansson kürzlich im Interview mit dem litauischen Sender LRT. Der Schutz der EU-Außengrenze in Litauen habe für die Union und Litauen Priorität. Zudem berate man mit Drittstaaten wie etwa dem Irak über die Rückführung von Geflüchteten.

Nehammer und Seehofer forderten am Freitag allerdings erneut Unterstützung für Litauen im Grenzschutz durch die EU-Kommission. „Wir erwarten, dass die Kommission die litauische Regierung beim Außengrenzschutz unterstützt, unabhängig davon welches rechtsstaatliche Mittel Litauen hierfür wählt“, so Nehammer und Seehofer in einer der APA übermittelten Stellungnahme. Es wäre „fatal“, die Förderung nur auf die Versorgung und Unterbringung der bereits im Lande befindlichen Migranten zu beschränken. Ohne einen funktionierenden Außengrenzschutz werde das europäische Projekt scheitern, erklärten die beiden Innenminister. Europa müsse jetzt die richtigen Signale senden.

Nehammer hatte die EU bereits zuletzt mehrmals wegen deren Vorgehens in Litauen attackiert. So kritisierte er etwa, dass die Kommission den von Vilnius geplanten Grenzzaunbau nicht finanziell unterstütze und stattdessen Aufnahmezentren errichte. Das sei das „völlig falsche Signal“, sagte Nehammer am Donnerstag bei der Verabschiedung von 13 Cobra-Beamten, die Litauen beim Grenzschutz unterstützen sollen.

Angesprochen auf die Kritik Nehammers zum Zaunbau, sagte Johansson gegenüber LRT, dass es der Kommission nicht möglich sei, einen Zaun direkt zu finanzieren. Die Brüsseler Behörde habe aber Litauen in der aktuellen Lage rund zehn Millionen Euro zur Verfügung gestellt, die insbesondere auch für Grenzmanagement und -schutz vorgesehen seien. „Aber ich stimme natürlich zu, dass wir unsere externen Grenzen noch mehr und besser schützen müssen“, räumte sie ein. Die EU-Kommission sei jedenfalls bereit, hier weiter zu unterstützen.

Die schwedische Kommissarin betonte aber auch, dass die derzeitige Situation an der litauisch-belarussischen Grenze keine „Migrationskrise“ sei, sondern es sich um einen „Akt der Aggression“ und eine „Attacke“ seitens des belarussischen Machthabers Alekander Lukaschenkos handle.

Lukaschenko hatte der EU wiederholt damit gedroht, als Reaktion auf die gegen sein Land verhängten Sanktionen Flüchtlinge aus Kriegsgebieten passieren zu lassen. Laut Geheimdienstberichten sollen sogar Flüge aus bestimmten Staaten nach Minsk organisiert worden sein. Die Grenzübertritte in Litauen, das eine fast 680 Kilometer lange Grenze zu Belarus (Weißrussland) hat, sind in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen. Seit Jahresbeginn wurden laut Frontex mehr als 32.000 illegale Übertritte von Belarus registriert, ein Großteil der Menschen kommt demnach aus dem Irak, der Republik Kongo und Kamerun.

Belarus provoziere die EU mit den Mitteln der Migration, kommentierten Nehammer und Seehofer. Das sei „besorgniserregend“. Der belarussischen Regierung gehe es um die Verfolgung politischer Ziele auf dem Rücken der Migranten. „Wir kennen dieses Vorgehen aus der Vergangenheit an anderer Stelle der EU-Außengrenze“, sagten sie in Anspielung auf die Türkei. Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte im Frühjahr 2020 der EU damit gedroht, Migranten mit Bussen an die Landgrenze zu Griechenland bringen zu lassen.

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