„Cosi fan tutte“ als große kleine Oper bei den Festspielen
Das große Mozartglück mit einer kleinen „Cosi“: Der Überraschungshit aus dem Salzburger Festspielsommer 2020, coronabedingt und kurzfristig aus dem Hut gezaubert, feierte am Freitagabend in seiner zweiten Auflage Premiere - und ließ ahnen, dass diese Produktion schon jetzt das Zeug zum Klassiker hat. Die von Joana Mallwitz und Christof Loy in Länge, Inhalt und Optik auf das Wesentliche reduzierte Fassung beglückt - auch, aber nicht nur wegen ihres stimmigen Ensembles.
Vor einer weißen Wand, bar jeglicher Accessoires, aber mit penibler Personenregie, schält Loy aus dem oftmals betulich inszenierten Verwechslungsspiel ein emotional dichtes, zeitloses Kammerstück über Beziehungen, (Selbst-)Betrug und die Kunst der Milde. Die Striche in der Partitur, die den Abend im Vorjahr für Coronabedingungen auf pausenfreie Spielbarkeit verschlanken sollten, erwiesen sich als zellerneuernde Detox-Kur für „Cosi fan tutte“ - auch da, wo sie ein bisschen schmerzlich sind. Und auch jetzt, wo die Vollversion wieder möglich wäre.
Joana Mallwitz hat 2020 als erste Frau in der 100-jährigen Festspielgeschichte eine szenische Opernneuproduktion als Dirigentin geleitet - dass sie diesen Eintrag in die Annalen heuer mit der Wiederaufnahme als Hochschwangere (und in High Heels) ergänzen kann, ist ein vielleicht nebensächlicher, jedenfalls aber sehr hübscher Vermerk. Gefeiert wurde die junge Maestra nach ihrer punktgenauen Performance am Pult der Wiener Philharmoniker als großer Star des Abends. Federleicht und melancholisch, satt und hell ausgeleuchtet, dabei zutiefst im Einklang mit den Stimmen ist dieser en détail gesungene, gespielte, dargestellte Mozart.
Das Ensemble ist erneut zusammengekommen - und in seinem Beziehungsnetz sogar noch spannungsvoller, noch körperlicher geworden. Elsa Dreisig als Fiordiligi und Marianne Crebassa als Dorabella sind heutige, zugleich zeitlose Frauenfiguren, das eigentliche Traumpaar des Abends mit wunderbar harmonierenden Klangfarben. Andre Schuen als Guglielmo und Bogdan Volkov als Ferrando haben nicht zuletzt durch die Kürzungen etwas weniger Raum, den sie aber behaglich und anschmiegsam zu füllen wissen. Als Quartett, das um Lea Desandre als Despina und Johannes Martin Kränzle als Don Alfonso sehr ernsthaft und wenig buffohaft ergänzt wird, punktet man nicht nur mit Charme, sondern vor allem mit menschlicher Glaubwürdigkeit.
Dass sich diese minimalistische Rezeptur für Mozart derzeit mit dem opulenten neuen Salzburger „Don Giovanni“ von Romeo Castellucci und Teodor Currentzis terminlich überschneidet, und damit geradezu überzeichnet konträre Zugänge zu zwei von drei Werken des Mozart-Da-Ponte-Oeuvres nebeneinander zu sehen sind, steht nicht nur der Mozartstadt und der Forschungsmission der Festspiele gut zu Gesicht - es macht auch äußerst neugierig auf „Le Nozze di Figaro“. Die hat Intendant Markus Hinterhäuser für 2023 angekündigt - wiederum von einem gänzlich anderen Team.
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