Felipe fürchtet internationales Echo bei Kurz-Anklage

Tirols LHStv. Ingrid Felipe (Grüne) befürchtet ein negatives Echo für Österreich auf internationaler Ebene, sollte es zu einer Anklage gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen mutmaßlicher Falschaussage kommen. „Ganz ehrlich: Schwierig“, beantwortete sie im APA-Sommerinterview die Frage, ob ein angeklagter Kanzler noch tragbar sei: „Was stünde dann wohl in der Washington Post?“

Auch wenn „da nichts rauskommt“, wäre die Situation im Hinblick auf die internationale Reputation „durchwachsen“. Sie vertraue jedenfalls „zu hundert Prozent der unabhängigen Justiz“. „Ich weiß, dass Justizministerin Alma Zadić (Anm.: Grüne) darauf schauen wird, dass alle Instanzen und der Weisungsrat wohlüberlegt und klug entscheiden“, betonte Felipe.

Trotz Differenzen fand sie lobende Worte für die türkis-grüne Zusammenarbeit, die sie durchaus als „Langzeitmodell“ sah. Auch wenn die Grünen auf Bundesebene in Hinblick auf die Justiz einige politische Kröten schlucken mussten, zeigte sich die grüne Landeshauptmannstellvertreterin mit der Bundesregierung zumindest „in meinen Zuständigkeiten sehr zufrieden“. Lobend hob sie die Unterstützung des Kanzlers und der ÖVP in der Verkehrspolitik hervor.

Sie hoffe, dass die grüne Regierungsbeteiligung über die nächste Nationalratswahl hinaus Bestand hat, denn: „Grün tut irrsinnig gut - egal ob im Land oder Bund“. Jenen, die meinen, dass die Koalition den Grünen geschadet hätte, entgegnete sie, dass man nun eben nicht mehr „nur für die Grünen, sondern für das ganze Land verantwortlich“ sei. Regieren sei ein „Ausgleich unterschiedlicher Interessen“ und das Finden gangbarer Lösungen, entgegnete sie auf Kritik, die Grünen würden sich zu wenig durchsetzen. Auch sie persönlich suche den Ausgleich: „Ich wäre keine gute Oppositionsführerin, ich bin jemand der nach Lösungen sucht“, stellte sie klar. Sie wolle auch weiterhin „freundlich und bestimmt Haltung zeigen“.

Viel getan habe sich mit den Grünen in der Regierung in puncto Klimaschutzpolitik, sowohl im Land als auch im Bund, und zwar trotz Corona. Die von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) angestoßene Evaluierung von Straßenbauprojekten beurteilte Felipe als „klug“. „Einigermaßen verwundert“ war sie über die Reaktionen der ÖVP, da doch schon in Regierungsgesprächen darüber gesprochen worden sei. Im Übrigen würden Projekte „wenn sie wirklich so wichtig sind, den Prüfungen ja wohl standhalten“. Felipe mahnte, Entscheidungen in Bezug auf Klimaschutz - die ja schließlich die nächsten Jahrzehnte beträfen - „ganz nüchtern und rational auf Basis von Fakten zu treffen“ und verwies auf den Bundeskanzler und andere ÖVP-Vertreter, die bei der Thematik neuerdings „so fürchterlich emotional“ agieren und „mit Steinzeitvergleichen aufwarten“ würden.

Bewusstseinsbildung und Anreize würden zu Verhaltensänderungen führen. Doch Klimaschutz gehe nicht ganz ohne Verbote. Bei deren Implementierung müsse immer auf soziale Verträglichkeit geachtet werden. Ebenso bei der Bepreisung von CO2, die Felipe langfristig bei rund 100 Euro pro Tonne verortet. Oft gehe es gar nicht um Verbote, sondern um die Sicherstellung von Kostenwahrheit: „Kein Mensch würde mehr fliegen, wenn Kerosin besteuert werden würde.“ Klimaschutzpolitik gehe jedenfalls nicht mit der Brechstange, sondern müsse demokratisch legitimiert sein. „Letztlich sind wir darauf angewiesen, dass die Menschen mitmachen.“ Der Wunsch nach Klimaschutz sei heute in der Bevölkerung viel größer als vor zehn Jahren - „da wird auch die türkise, oft sehr Umfragen-gesteuerte ÖVP nicht umhinkommen, mitzumachen“.

Auch auf Landesebene befürwortete Felipe die Fortführung von Schwarz-Grün nach der Landtagswahl 2023. Die Entscheidung über die grüne Spitzenkandidatur soll im Frühjahr 2022 fallen. Sie sei noch „hin- und hergerissen“, ob sie abermals zur Verfügung steht. Einerseits denke sie über den richtigen Zeitpunkt einer Übergabe nach - „es gibt ja bei den Grünen nicht umsonst die Überlegung eines Rotationsprinzips“. Andererseits hätten „ihre“ Themen gerade Hochkonjunktur, „da könnte man mit dem Rückhalt der Bundesregierung gerade so viel erreichen“. Zudem schiele sie „mit beiden Augen“ nach Deutschland. Gerade im Verkehrsbereich könnte man viel verändern, wenn die Grünen in Deutschland in die Regierungsverantwortung kämen. „Da wäre es doch schade um die ganze Erfahrung der letzten Jahre“, so Felipe, die seit 2013 in der Landesregierung sitzt.

Selbstverständlich hänge ihre Entscheidung auch davon ab, inwiefern sie „von den Mitgliedern und der Basis getragen wird“. Und obwohl ihr „ein Großteil derer, mit denen ich gesprochen habe“ sagen würde, sie solle „bitte weitermachen“, gäbe es durchaus auch kritische Stimmen. „Unumstritten“ sei sie nicht, räumte Felipe ein und erklärte: „Wir haben nicht diesen Führerkult, wo alle dann sagen es gibt keinen Widerspruch und wir sind alle brav und falten die Hände und halten die Goschen“. Kritik gehöre dazu. Nach den Gemeinderatswahlen im Februar 2022 werde sie jedenfalls für sich entscheiden, ob sie wieder antreten wird.

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