Kremlpartei nach russischer Parlamentswahl deutlich vorne
Bei der Parlamentswahl in Russland liegt die Kremlpartei nach Auszählung von zwei Dritteln der Stimmzettel weiter klar in Führung. Nach Auszählung von rund 85 Prozent der Stimmen lag Einiges Russland bei mehr als 49,76 Prozent, wie die Wahlkommission am Montag laut Nachrichtenagentur TASS in Moskau mitteilte. Die Kommunisten landeten demnach bei mehr als 19,61 Prozent. Gegner der Kremlpartei und Beobachter beklagten Unregelmäßigkeiten in der Hauptstadt Moskau.
Die Rechtspopulisten der LDPR des Ultranationalisten Wladimir Schirinowski errang knapp 8 Prozent und die Partei Gerechtes Russland etwas mehr als 7 Prozent. Knapp über der Fünf-Prozent-Hürde lag auch die neue Partei Nowyje Ljudi (Deutsch: Neue Leute). Alle Parteien gelten als kremlnah.
Auch mehr als zwölf Stunden nach Schließung der Wahllokale gab es am Montag in der Früh keine Ergebnisse der Online-Abstimmung für die Staatsduma. „Wir sind überzeugt, dass die Stimmen der elektronischen Abstimmung noch nicht veröffentlicht sind, weil sie so die Wahlen fälschen wollen“, teilte der parteilose Kandidat Michail Lobanow mit. Der Hochschullehrer und sein Stab kündigten an, um jede Stimme zu kämpfen.
Lobanow hatte sich von den Kommunisten aufstellen lassen und wurde auch von der zur Wahl nicht zugelassenen Opposition um den inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny unterstützt. Auch Medien in der Hauptstadt wunderten sich, dass Stimmzettel von Hand schneller ausgezählt wurden als die der Online-Abstimmung. Die Wahllokale hatten am Sonntag um 20.00 Uhr (19.00 Uhr MESZ) geschlossen. Aus anderen Teilen des Landes waren die Ergebnisse der Online-Abstimmung wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale veröffentlicht worden.
Die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin unterstützte Partei Einiges Russland (Geeintes Russland) hatte bereits am Sonntagabend, als noch wenige Stimmen ausgezählt waren, ihren Sieg gefeiert. Sie machte sich Hoffnung auf eine neue Mehrheit von 300 der 450 Sitze im Parlament dank vieler Direktmandate. 225 Sitze werden über Direktmandate vergeben.
Im Vergleich zur Duma-Wahl 2016 muss die Kremlpartei offenbar Verluste hinnehmen. Damals kam sie auf 54,20 Prozent der Stimmen. Die Kommunisten legten deutlich zu - sie waren vor fünf Jahren auf 13,35 Prozent gekommen. Umfragen hatten Einiges Russland angesichts der großen Unzufriedenheit über die wirtschaftliche und soziale Lage vor der Wahl bei weniger als 30 Prozent gesehen.
Das Lager Nawalnys sprach von massivem Wahlbetrug. Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch schrieb auf Twitter, sie fühle sich an die Abstimmung des Jahres 2011 erinnert, als „uns die Wahl gestohlen wurde“. „Es ist unmöglich, sich damit abzufinden.“ Der Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow meinte: „Diese Wahlen sind schmutziger als die von 2011 - viel schmutziger.“ Wolkow kritisierte zugleich, dass in Moskau die Ergebnisse der Online-Abstimmung noch nicht veröffentlicht wurden. „Offensichtlich warten sie ab, dass sie die Zahlen anpassen können“, meinte das Nawalny-Team.
In der fernöstlichen Region Jakutien büßte unterdessen Einiges Russland ihre Mehrheit ein. In der Teilrepublik im Osten Sibiriens, in der seit Monaten verheerende Waldbrände wüten, stimmten rund 35 Prozent der Menschen für die Kommunisten. Die Partei verzeichnete damit einen Zuwachs von fast 20 Prozentpunkten im Vergleich zur Dumawahl vor fünf Jahren, wie aus Veröffentlichungen der Wahlkommission hervorgeht. Einiges Russland landete mit rund 33 Prozent nur noch auf dem zweiten Platz.
In Russland und im Ausland waren rund 110 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen gewesen, eine neue Staatsduma für die kommenden fünf Jahre zu bestimmen. 14 Parteien standen zur Auswahl, unter den Kandidaten waren kaum echte Oppositionelle. Überschattet wurde der Urnengang von Hunderten Beschwerden über massenhafte Verstöße. Das Innenministerium sprach von 750 Beschwerden, die eingegangen seien. Es habe keine schwerwiegenden Verstöße gegeben.
Die Wahl galt als ein wichtiger Stimmungstest für Putin und seine Politik. Viele Menschen in Russland sind Umfragen zufolge unzufrieden mit der Lage wegen sinkender Löhne und massiv steigender Preise. Einiges Russland war im Vorfeld dafür verantwortlich gemacht worden. Ihre Umfragewerte hatten unter 30 Prozent gelegen.
Die Anhänger feierten am Abend in Moskau den Wahlsieg - trotz Regens. „Wir sind die Mannschaft Putins“, riefen kremltreue Aktivisten. Parteifunktionäre sagten bei einem Auftritt, dass der Kurs Putins fortgesetzt werde. Sie riefen „Putin, Putin, Putin“. Der Ausgang der Wahl sei ein „Festtag“, sagte Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin.
Unabhängige Beobachter der Organisation Golos hatten Tausende Verstöße landesweit aufgelistet - meist mit Foto- und Videoaufnahmen. Der Golos-Experte Andrej Busin nannte das Ausmaß „bedeutend“ - besonders in Putins Heimatstadt St. Petersburg. Dort kämpften die Menschen regelrecht um ihre Stimmen, wie auf Videos zu sehen war. Vielfach wurden Wahlurnen vollgestopft mit packenweise vorausgefüllten Stimmzetteln. Es gab zudem Berichte über Wählerzwang etwa unter Staatsbediensteten sowie über Mehrfachstimmabgaben.
Die zentrale Wahlkommission kündigte an, die Beschwerden zu prüfen. Bis Sonntagabend wurden mehr als 8.500 Stimmzettel annulliert, hieß es. Wahlleiterin Ella Pamfilowa meinte, es seien bisher zwölf Fälle bestätigt, bei denen Stimmzettel packenweise in die Urnen gestopft wurden. Auch die Kommunisten, die angesichts der verbreiteten Unzufriedenheit mit der Politik des Kremls auf einen Stimmzuwachs hoffen, beklagten vielfach Verstöße. Sie kündigten Proteste an.