Scholz wirbt nach Sieg für Ampel - Laschet sondiert Jamaika

Nach seinem Sieg bei der Bundestagswahl hat SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz für eine Ampelkoalition geworben. SPD, Grüne und FDP seien gestärkt worden, „diese drei Parteien sollen auch die nächste Regierung führen“, sagte er am Montag in Berlin. Die Union hofft weiter auf die Bildung einer Jamaika-Koalition. Kanzlerkandidat Armin Laschet startete bereits entsprechende Sondierungen mit den Chefs von FDP und Grünen.

Laschet habe am Wahlabend ein längeres Gespräch mit FDP-Chef Christian Lindner geführt und wolle am heutigen Montag mit der Grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sprechen, verlautete am Rande des CDU-Vorstands in Berlin. Laschet versuchte zugleich den Eindruck zu zerstreuen, dass er Anspruch auf die Regierungsbildung erhebe. „Aus dem Wahlergebnis kann niemand einen Regierungsanspruch ableiten, das habe ich am Sonntag auch nicht gesagt“, so Laschet. „Wir stehen bereit für andere Konstellationen, wenn eine Ampel nicht klappt.“

Scholz sagte nach Beratungen des SPD-Präsidiums, er wolle eine „sozial-ökologisch-liberale Koalition“ bilden. Er wolle nun mit Grünen und FDP ins Gespräch kommen. Er bezeichnete es auch als „völlig ok“, wenn FDP und Grüne zunächst miteinander reden wollen. „Ich möchte eine Regierung bilden, die auf Vertrauen beruht“, versprach er. Als „abschreckendes Beispiel“ bezeichnete er diesbezüglich die schwarz-gelbe Koalition der Jahre 2009 bis 2013, nach der die FDP aus dem Bundestag geflogen war.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil betonte den Anspruch seiner Partei, als erste zu Regierungsgesprächen zu laden. Scholz betonte, die Wähler hätten „sehr klar gesprochen“ und wollen die Union nicht mehr in der Regierung sehen. Nun gelte es, nicht eigene Befindlichkeiten in den Vordergrund zu stellen, sondern eine gute Regierung zu führen. „Jetzt ist Pragmatismus und Führungskunst gefragt. Wir werden das, was uns die Bürgerinnen und Bürger als Aufgabe gegeben haben, umsetzen.“

Laschet räumte im Bundesvorstand einen „persönlichen Anteil“ an der Wahlniederlage ein. Zugleich forderte er Geschlossenheit ein, damit die Union mit FDP und Grünen eine „Zukunftskoalition“ sondieren könne. Im Ringen um den Fraktionsvorsitz der Union gab es dem Vernehmen nach aber einen Dämpfer für den CDU-Chef. Demnach lehnte es Fraktionschef Ralph Brinkhaus ab, den Vorsitz zunächst nur kommissarisch zu übernehmen. Er wolle sich am Dienstag für ein Jahr wählen lassen, hieß es. In der parallel stattfindenden Vorstandssitzung der bayerischen Schwesterpartei CSU wurde nach Teilnehmerangaben scharfe Kritik an Laschet geübt. So wurde beklagt, dass Söder der bessere Kanzlerkandidat gewesen wäre.

Auch CSU-Chef Markus Söder ruderte am Montag in Sachen Regierungsauftrag zurück. Die Union sei auf Platz zwei und nicht eins gelandet, es gebe daraus keinen Anspruch auf die Regierungsführung - allerdings ein Angebot für Gespräche, sagte er nach Teilnehmerangaben bei der CSU-Vorstandssitzung in München. Ein solches Angebot mache man - aber es werde kein „Anbiedern um jeden Preis“ bei Grünen und FDP geben, stellte er klar.

Gewichtige CDU-Politiker distanzierten sich vom Regierungskurs der Spitze. So sagte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer dem MDR, es gebe keinen klaren Regierungsauftrag für die Union „Ich sehe einen klaren Wählerwillen, der deutlich gemacht hat, die Union ist dieses Mal nicht die erste Wahl“, forderte er ein „Innehalten“ der Partei. „Wenn wir weitermachen wie bisher, dann mache ich mir große Sorgen, was in vier Jahren übrig bleibt.“

„Die Menschen wollen Olaf Scholz als Kanzler, nicht Armin Laschet“, sagte der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner. Co-Parteichef Habeck sagte, dass die SPD deutlich vor der Union liege und auch die „progressivere Partei“ sei. SPD-Kandidat Olaf Scholz habe einen „deutlichen Vertrauensvorschuss der Menschen“ bekommen, sagte er im Deutschlandfunk. Allerdings funktioniere eine Ampel ganz anders als Rot-Grün, kündigte Habeck an, auf die FDP zugehen zu wollen.

Habeck bekräftigte, dass er wie FDP-Chef Christian Lindner Vorab-Gespräche der beiden Parteien mit Blick auf eine mögliche Regierungsbildung für sinnvoll hält. Aus seiner Erfahrung mache es Sinn, „dass die Parteien, die erstmal am weitesten voneinander entfernt sind, (...) dass die mal schauen, ob die das zusammen hinkriegen“, sagte Habeck am Montag bei NDR Info. Das seien nun mal FDP und Grüne - „wir sind in sozial-, steuer-, finanzpolitischen Fragen wirklich konträr“. Habeck warnte zugleich von Indiskretionen bei den Sondierungen und verwies auf das gescheiterte Jamaika-Bündnis im Jahr 2017. Die Sondierungen seien „unter anderem schiefgegangen, weil man alles permanent ausgeplaudert hat“, so Habeck.

FDP-Politiker warben indes dafür, dass Liberale und Grüne gemeinsam für Reformen in Deutschland sorgen. Sie seien der mögliche „Veränderungsmotor der deutschen Politik“, sagte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer. FDP-Präsidiumsmitglied Marco Buschmann sagte, er würde es begrüßen, wenn sich die beiden Parteien „nicht auseinanderdividieren ließen“. FDP-Generalsekretär Volker Wissing signalisierte Kompromissbereitschaft gegenüber der SPD. Die liberalen Vorschläge ließen sich auch schrittweise umsetzen. Der FDP gehe es um Inhalte. „Wir wollen niemanden ins Kanzleramt hieven“, betonte er. Zugleich wies er darauf hin, dass die Union in früheren schwarz-gelben Regierungen Reformen verhindert habe. Nun sei die FDP nicht mehr bereit, sich „ausbremsen“ zu lassen.

Kritik am Verhalten Laschets kam indes auch vom thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Er sei irritiert, dass der Unions-Kanzlerkandidat „nach dieser vergurkten Wahl sich anmaßt zu sagen, an Herrn Scholz vorbei das Kanzleramt anstreben zu können“, sagte der Linken-Politiker am Montag im MDR. „In Ostdeutschland haben sich die Sozialdemokraten als kraftvolle Partei zurückgemeldet.“ Wenn man dieser Partei auf einmal sage, „wir können auch ohne euch im Kanzleramt eine Koalition bilden“, dann würden diejenigen, die das machten, „sich am Wählerwillen vergehen“, sagte Ramelow.

Nach dem vorläufigen Ergebnis verbesserte sich die SPD bei der Wahl am Sonntag auf 25,7 Prozent (2017: 20,5). Die Union dagegen erlebte ein historisches Debakel, sie kommt nur noch auf 24,1 Prozent (32,9). Die Grünen erzielten mit Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ihr bisher bestes Ergebnis, blieben mit 14,8 Prozent (8,9) aber hinter den Erwartungen zurück. Die FDP verbesserte sich auf 11,5 Prozent (10,7).

Die AfD, bisher auf Platz drei, kommt nur noch auf 10,3 Prozent (12,6). In Thüringen und Sachsen wurde sie aber stärkste Partei. In beiden Ländern steht die AfD im Visier des Landesverfassungsschutzes, in Thüringen wird sie als „gesichert extremistisch“ eingestuft und seit dem Frühjahr beobachtet. Die Linke rutschte auf 4,9 Prozent ab (9,2). Da sie aber drei ihrer zuletzt fünf Direktmandate verteidigen konnte, kann sie trotzdem wieder entsprechend ihrem Zweitstimmenergebnis in den Bundestag einziehen. Das legt die Grundmandatsklausel fest.

Die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag ändern sich damit erheblich. Die Sitzverteilung sieht so aus: SPD 206 (2017: 153), CDU/CSU 196 (2017: 246), Grüne 118 (67), FDP 92 (80), AfD 83 (94), Linke 39 (69). Der Südschleswigsche Wählerverband, als Partei der dänischen Minderheit von der Fünf-Prozent-Hürde befreit, zieht mit einem Abgeordneten in den Bundestag ein. Dem neuen Bundestag wird somit eine Rekordzahl von Abgeordneten angehören. Die Wahlbeteiligung lag mit 76,6 Prozent auf dem Niveau der vergangenen Wahl (76,2).

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