Grazer ÖVP-Bürgermeister Nagl übergab an Hohensinner
Der Grazer ÖVP-Parteivorstand hat am Montagabend nach dem Debakel bei der Gemeinderatswahl die offizielle Staffelübergabe von Langzeit-Bürgermeister Siegfried Nagl an seinen Nachfolger Kurt Hohensinner vollzogen. Nagl war noch am Sonntagabend, vor der Verkündung des vorläufigen Ergebnisses, als Chef der Grazer Volkspartei zurückgetreten. Die Wahl des neuen Obmannes fiel einstimmig aus. Er sagte: „Elke Kahr hält das Heft des Handelns nun in der Hand.“
Die vierte Amtszeit als Bürgermeister wird Nagl bis zur konstituierenden Sitzung, die voraussichtlich Mitte November stattfinden soll, noch beenden - dann zieht er sich zurück. Zur Pressekonferenz nach der Parteivorstandssitzung war er gar nicht mehr gekommen, die hat Hohensinner bereits allein bestritten: „Die neue Rolle vor so vielen Kameras ist noch ungewohnt für mich, aber ich werde reinwachsen“, sagte er gleich eingangs.
„Es gibt am heutigen Tag nichts zu beschönigen. Es ist für die Grazer Volkspartei ein schmerzvoller Tag. Wir haben sehr viele Wählerinnen und Wähler verloren. Die gilt es wieder zurückzugewinnen“, so der neue Grazer ÖVP-Chef. Er wolle allen Fraktionen, die Zugewinne verzeichnen konnten, gratulieren. Und er dankte den rund 30.000 ÖVP-Wählern. „Graz ist eine gute Stadt. Unser Bürgermeister hat sie zu dem gemacht, was sie ist: Menschen leben gerne in unserer Stadt, die Lebensqualität ist hoch, der Wirtschaftsmotor brummt und die Arbeitslosenzahlen sind fast wieder auf Vorkrisen-Niveau“, fasste er die Lage zusammen.
Bei Nagl bedankte sich Hohensinner - gefolgt von langem Applaus seiner Parteikolleginnen und -kollegen. „Es freut mich, dass mich Nagl als Nachfolger vorgeschlagen hat und ich bedanke mich beim Stadtparteivorstand für die volle Unterstützung. Ich kann jetzt schon sagen, dass wir uns sicher nicht wegducken werden. Wir haben nach wie vor viele Wähler hinter uns und die ÖVP zeichnet sich dadurch aus, dass wir Verantwortung übernehmen. Aber Elke Kahr hat nun erstmalig Gesamtverantwortung zu übernehmen. Ich fordere von ihr ein, eine stabile Koalition auf die Beine zu stellen. Gerade in Zeiten wie diesen können wir uns nicht leisten, dass das freie Spiel der Kräfte Schwierigkeiten mit sich bringt.“ Die ÖVP stehe für Gespräche bereit.
Zunächst gelte es aber die Wahl zu analysieren, „welche nicht gesetzten Themen dazu geführt haben, dass wir eine Niederlage einstecken mussten“, so Hohensinner. Sollte Kahr eine links-linke Koalition auf die Beine stellen, und davon gehe er aus, will die ÖVP eine „kantige, konstruktive Opposition sein“. Anzumerken ist allerdings, dass im Stadtsenat das Proporz-System gilt: Die Volkspartei wird daher zwei der sieben Sitze im Stadtsenat bekommen. Welche Ressorts das sind, wird erst nach den Koalitionsverhandlungen klar sein: „Am liebsten würde ich gar keinen Bereich hergeben“, meinte Hohensinner, der zuletzt für Bildung, Sport, Jugend und Soziales zuständig war. Den zweiten ÖVP-Sitz könnte wieder der bisherige Kultur- und Finanzstadtrat Günter Riegler erhalten, sofern die zugeteilten Bereiche ihm zusagen, so Hohensinner.
Die Gesprächsbasis mit den anderen Fraktionen ist laut dem neuen Obmann mit allen eine gute. Zu sachlichen Gesprächen mit der KPÖ stehe er auch, „aber inhaltlich und ideologisch trennen uns Welten“, daher werde es mit der KPÖ wohl keine Koalition geben. Hohensinner übte bei der Pressekonferenz auch Selbstkritik: „Wir haben verschiedene Themen nicht besetzt. Ich habe auch gespürt, es war eine gewisse Unsicherheit in Graz da - vielleicht durch Covid verursacht. Und wir haben es nicht geschafft, den Menschen diese Unsicherheit zu nehmen. Die KPÖ und Elke Kahr haben es verstanden, diese Unsicherheiten in Stimmen umzuwandeln.“
„Ich glaube, dass wir als ÖVP und der Bürgermeister irrsinnig viel weitergebracht haben. Wir haben es aber nicht geschafft, diese Weiterentwicklung zu erklären. Zu sagen, wir haben etwas gravierend falsch gemacht, ist nicht der richtige Ansatz. Wir müssen in die Analyse gehen und den Menschen unsere Politik besser erklären“, so der 43-Jährige. Außerdem könnte auch der frühe Wahltermin „nicht so glücklich gewählt“ gewesen sein. Man müsse mit den Menschen mehr ins Gespräch kommen.
Nagl hatte bei seinem fünften Antreten bei einer Gemeinderatswahl in Graz statt eines von allen Seiten erwarteten ersten Platzes eine herbe Niederlage einstecken müssen. Die ÖVP verlor inklusive Briefwahl 11,88 Prozentpunkte und sackte von knapp 38 Prozent auf 25,91 Prozent ab. Die KPÖ dagegen schaffte einen historischen Wahlsieg. Die Kommunisten kamen auf 28,84 Prozent und gewannen 8,5 Prozentpunkte dazu.
Nach einer ersten Schrecksekunde direkt nach der Hochrechnung, in der Nagl sichtlich schockiert vorerst noch keine Konsequenzen zog, kündigte er dann doch rund zwei Stunden später seinen Rücktritt an. Außerdem hatte er auch umgehend Hohensinner als Wunschkandidaten für seine Nachfolge genannt. Der 43-Jährige wird auch schon die anstehenden Gespräche mit Wahlsiegerin Kahr führen.