Pneumokokken-Impfung breit bekannt, aber Impfrate gering
Die Pneumokokken-Impfung ist mehr als drei Vierteln der Bevölkerung bekannt, die Impfrate aber deutlich geringer. Von der Impfung gehört zu haben „reicht nicht aus, um geschützt zu sein“, betonte Renee Gallo-Daniel vom Verband der Impfstoffhersteller (ÖVIH) am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Empfohlen wird die Immunisierung vor allem für Senioren, chronisch Kranke und Kinder. Eine Infektion „kann absolut tödlich verlaufen“, warnte der Pneumologe Michael Meilinger.
Die Impfrate habe sich immerhin in den vergangenen Jahren erhöht. „Wir sind jetzt bei 20 Prozent in der Altersgruppe 19 bis 69 Jahre“, berichtete ÖVIH-Präsidentin Gallo-Daniel aus einer aktuellen Umfrage. 356 invasive Pneumokokken-Fälle gab es im Vorjahr in Österreich, 19 Erkrankte starben, geht aus dem vergangene Woche veröffentlichten Jahresbericht der nationalen Referenzzentrale für Pneumokokken hervor. Wegen der Corona-Maßnahmen gingen die Infektionszahlen um 42 Prozent zurück.
Nun gebe es wieder ein verstärktes Auftreten von Atemwegserkrankungen, berichtete Rudolf Schmitzberger, Leiter des Impfreferats der Österreichischen Ärztekammer. „Das merken wir in den Ordinationen“, betonte der Arzt für Kinder- und Jugendheilkunde mit Praxis in Wien. Es wäre unvernünftig, jetzt in der vierten Covid-Welle auf Basishygienemaßnahmen zu verzichten, dazu zähle auch das Tragen von Masken. Außerdem sei es Tatsache, dass die Pneumokokken-Impfung vor schwerwiegenden Lungenentzündungen bei Kindern und Erwachsenen schützen kann.
Die dreiteilige Impfung ist für Kinder bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr im kostenfreien Impfprogramm enthalten. Erwachsene bekommen eine zweiteilige Impfung. Von 1. September bis 31. März kann der Impfstoff in Apotheken um 76 Euro, also rund ein Drittel günstiger als sonst, erworben werden, berichtete Gerhard Kobinger vom Präsidium der Apothekerkammer. Zielgruppe sind einerseits Kinder sowie Menschen mit Lungen-, Herzkreislauf-, Krebs- oder Nierenerkrankungen wie Diabetes und vor allem Senioren ab 60 Jahren. Auch Unter-60-jährige Raucher sollten sich impfen lassen, empfahl Kobinger.
Die rund 350 invasiven Pneumokokken-Erkrankungen im Vorjahr hierzulande sind „nur die Spitze des Eisbergs“, erläuterte Meilinger von der Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP). Invasive Pneumokokken-Erkrankungen seien nämlich lediglich solche, wo die Infektion in primär sterilen Körperregionen nachgewiesen wird, also etwa im Blut oder der Rückenmarksflüssigkeit oder im Bauchraum. Ein Auftreten nur in der Lunge gelte nicht als invasive Pneumokokken-Infektion. „Es gibt Schätzungen wonach in Österreich jährlich 50.000 Menschen an einer Pneumonie (Lungenentzündung, Anm.) erkranken“, sagte der Pneumologe. Tausende bis Zehntausende Fälle dürften auf Pneumokokken zurückgehen.
Zudem seien Lungenentzündungen nicht die einzigen Erkrankungen, die durch Pneumokokken ausgelöst werden. Das könne bis zu Hirnhautentzündung und Blutvergiftung (Sepsis) gehen, berichtete Meilinger. „Je älter, desto größer das Risiko für einen schweren Verlauf. Von den Über-80-Jährigen, die im Krankenhaus mit Lungenentzündung behandelt werden müssen, stirbt jeder fünfte, bei den über 90-Jährigen bereits jeder vierte“, betonte Meilinger. Auch Covid-Genesene sollten sich impfen lassen. Bei manchen Betroffenen würden nach einer Corona-Infektion gehäuft Lungeninfekte auftreten. Covid-Schutzimpfung und Pneumokokken-Impfung könnten dabei auch gleichzeitig verabreicht werden, betonte Schmitzberger.