Performance „Linger on“ berührte beim Donaufestival-Auftakt

Man wird einzeln zu einem behelfsmäßigen Bett gebracht, darf sich bequem hinlegen und bekommt etwas zum Festhalten. Von „Touch“ spricht eine Stimme; für die vier Performer ein Aufruf, die Zuseher mit Gegenständen zu berühren. In „Linger on“ der österreichischen Performerin Lisa Hinterreithner verschmilzt das Publikum mit dem Stück und wird somit Teil eines der Highlights des diesjährigen Donaufestivals. Die sechstägige Veranstaltung wurde am Freitag in Krems eröffnet.

Eigentlich hätte diese Auftragsarbeit, die extra für das Festival kreiert wurde, schon vergangenes Jahr hier uraufgeführt werden sollen. Doch nicht nur „Linger on“, in dem sich Performer und Publikum besonders annähern, fiel der Coronapandemie zum Opfer. Das Donaufestival wurde 2020 abgesagt und heuer von Frühjahr auf Herbst verschoben.

Nun aber ist es jedem für sich und gleichzeitig doch allen zusammen möglich, Hinterreithners Werk zu erleben. Dass jeder Auftritt grundsätzlich nur eine Stunde lang dauert, kommt dem Stück zugute, denn die Liegeposition macht irgendwann doch ein wenig müde. Das „Year of the Metal Ox“, in dessen Zeichen das Donaufestival nach dem chinesischen Sternzeichen für 2021 steht, ist immer noch von der Pandemie und dem dadurch gebotenen Social Distancing geprägt. „Linger on“, das unter einer dicken Nebeldecke ein Gefühl der Gemeinsamkeit erweckt, kommt mit seinen unaufdringlichen Berührungen also gerade richtig. Masken trug aufgrund der niederösterreichischen Coronaregeln kaum jemand, zum Eintreten war ein 3G-Nachweis notwendig.

Ohne Berührung kommt „Upstairs Geology 50/50“ von Performancekünstlerin Ira Melkonyan und dem Rubberbodies Collective aus. Nur vor den bunten Flüssigkeiten, die maschinell gesteuert aus Plastikbeuteln tropfen, aus Öffnungen sprudeln oder ausgespuckt werden, muss sich das Publikum in Acht nehmen. Da hier schon kleine Mengen an Flüssigem gewaltig spritzen, nimmt man der Installation die Message, dass der Mensch in der Natur mit ihren sich stetig bewegenden Flüssigkeiten ganz klein ist, gerne ab. Schön anzusehen ist auch, was davon bleibt: Viele bunte ineinanderlaufende Farblacken, in die so mancher Gast seine Finger streckte.

Was alle dieser Performances gemeinsam haben, sind dröhnende Hintergrund-Sounds. Drone-Musikerin Kali Malone treibt diese allerdings auf die Spitze. Sie stellte am ersten Tag des Donaufestivals ihre neue Komposition „Does Spring Hide its Joy“ vor. Malone, die elektronische Musik gerne mit klassischen Instrumenten verbindet, bedient den Synthesizer, Cellistin Lucy Railton und Gitarrist Stephen O‘Malley - bekannt in der Drone-Musikwelt mit seiner Band Band SunnO))) - begleiten sie. Wie gewohnt kommt Malones neustes Werk mit lang gehaltenen Akkorden und äußerst minimalistischen Melodien daher. Das dabei erzeugte Dröhnen geht in Vibrationen über - ein Großteil des Publikums entschied sich wohl auch deshalb dazu, das Konzert auf dem Boden sitzend mitzuerleben.

Wer es lieber etwas vielfältiger und bodenständiger mag, musste nicht zum angrenzenden Fußballplatz wechseln, sondern hatte an diesem ersten Donaufestivalabend beim Auftritt von Avant-Punk-Künstlerin Nuha Ruby Ra seine Freude. Ob sie schreiend auf der Bühne Untergangsstimmung verbreitet oder etwas heiterere Töne anschlägt - die Londonerin, die erst in diesem Jahr ihre erste EP „How to Move“ veröffentlichte, bleibt immer laut und energetisch. Da stört es auch nicht zu sehr, dass die Instrumente allesamt aus der Dose kommen.

Weiter geht es mit dem Donaufestival am 2. und 3. sowie von 8. bis 10. Oktober. Auch weiterhin steht hier ein umfangreiches Programm auf dem Plan: Von der Performance „Eingeweide“ von Marco Donnarumma und Margherita Pevere - einer Verschmelzung von Mensch und Maschine - bis hin zu Musik von Girl Band, Ghostpoet und Lost Girls.

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