SPD und Union starten deutsche Regierungs-Sondierungen
Eine Woche nach der Bundestagswahl in Deutschland steigen SPD und Union in die Sondierungen ein. Um die Bildung einer Regierung auszuloten, treffen sich die Sozialdemokraten am Sonntag mit der FDP und dann mit den Grünen. CDU und CSU wollen mit den Liberalen reden. Diese erhöhen inzwischen den Druck auf die Union. „CDU und CSU müssen klären, ob sie wirklich eine Regierung führen wollen“, sagte FDP-Chef Christian Lindner der „Bild am Sonntag“.
Trotz innerparteilicher Kritik an Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet setzt CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak weiter auf eine Jamaika-Koalition von Union mit Grünen und FDP. „Wir wollen unseren Beitrag in einem neuen Zukunftsbündnis dazu leisten“, sagte er der „Bild am Sonntag“. In der CDU schwelt die Debatte über eine personelle Neuaufstellung.
Neben der Jamaika-Koalition gilt nur noch die Alternative eines Ampel-Bündnisses aus SPD, Grünen und FDP als wahrscheinlich für eine künftige Regierung. FDP-Chef Lindner bekräftigte, seine Partei sei zu ernsthaften Gesprächen mit der Union bereit. „Klar ist: Unsere Überschneidungen sind mit den Unionsparteien größer als mit der SPD.“ Lindner betonte aber: „Manche Wortmeldung der CDU spekuliert ja, dass erst Verhandlungen mit der SPD scheitern sollen, bevor die Union wieder ins Spiel kommt. Das kann man unserem Land nicht zumuten.“
Die Grünen, die mehr Gemeinsamkeiten mit der SPD sehen als mit der Union, hatten am Samstag bei einem kleinen Parteitag die Weichen für die Sondierungen gestellt. Grünen-Politikerin Katharina Fegebank warnte davor, sich frühzeitig auf Olaf Scholz als künftigen Bundeskanzler und die SPD als Regierungspartner festzulegen. Jamaika sei „auf jeden Fall noch eine Option. Und die sollten wir nicht leichtfertig aus der Hand geben“, sagte Hamburgs Zweite Bürgermeisterin der „Welt“. Die Grünen wollen am Dienstag mit der Union reden. Die CDU-Sondierer kamen bereits am Samstagnachmittag zu einem Vortreffen zusammen.
In der CDU werden unterdessen weitere Rufe nach einer Erneuerung laut, die Parteichef und Unionskanzlerkandidat Laschet unter Druck setzen. „Klar ist, dieses Wahlergebnis ist katastrophal“, sagte der Chef des Arbeitnehmerflügels CDA, Karl-Josef Laumann, der „Welt am Sonntag“. Für die Union könne es kein „Weiter so“ geben. Auch Junge-Union-Chef Tilman Kuban forderte eine Neuaufstellung. „Wir müssen uns inhaltlich und personell neu ausrichten“, sagte er dem Blatt. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Jens Spahn trat für eine Verjüngung der Parteispitze ein: „Die nächste Generation nach Angela Merkel muss jetzt stärker sichtbar werden.“
Spahn und Präsidiumsmitglied Norbert Röttgen fordern eine Neuaufstellung der CDU. Es reiche aber nicht, nur eine Person auszuwechseln, sagte Röttgen dem „Tagesspiegel“ mit Blick auf Laschet. Spahn, Röttgen und Friedrich Merz - alle drei aus Nordrhein-Westfalen - gelten selbst als Anwärter auf künftige CDU-Führungspositionen in Partei und Fraktion.
SPD-Chef Norbert Walter-Borjans zeigte sich zuversichtlich, dass sich seine Partei mit den Grünen und der FDP bis Dezember einigt. „Wir müssen diesmal nicht bis zum Umfallen sondieren“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Man brauche eine große gemeinsame Linie und müsse nicht jedes Detail in einem Koalitionsvertrag festschreiben.
Neben der Wirtschaft fordert auch die Kommunalpolitik die baldige Bildung einer Regierung, um die anstehenden Herausforderungen schnell anzugehen. Der Präsident des Deutschen Städtetags, Burkhard Jung (SPD), forderte ein rasches Ende der Sondierungen und zügige Koalitionsverhandlungen. „Unser Land kann sich keine Hängepartie leisten“, sagte er der „Rheinischen Post“. „Wir Städte wollen lebenswert und innovativ bleiben. Der Bund muss dafür einen guten Rahmen setzen.“