Verriss für Steuerreform durch Opposition

Kritik von unterschiedlichsten Seiten muss die Regierung für ihre Steuerreform-Pläne einstecken. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sieht einen 450 Millionen-Verlust durch die Senkung der KÖSt, für SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch sind die Pläne „weder sozial noch ökologisch“, FPÖ-Umweltsprecher Walter Rauch sieht die ländliche Bevölkerung zu Menschen zweiter Klasse degradiert, die NEOS den Mittelstand vergessen.

Ludwig meinte am Montag vor Journalisten: „Was man jetzt schon sagen kann, ist, dass es für Wien starke Einschnitte bedeuten wird. Wir haben jetzt einmal errechnet, dass durch die Reduzierung der Lohn- bzw. Körperschaftssteuer Wien pro Jahr 450 Mio. Euro verlieren wird.“ Durch den „sogenannten“ Klimabonus, der nicht ökologisches Verhalten wie Autofahren mit dem Dieselfahrzeug unterstütze, würden ebenfalls Maßnahmen gesetzt, von denen Wien weniger stark profitiere.

„Auch die Reduzierung der Sozialversicherungsbeiträge bedeutet ja, dass Krankenanstalten beispielsweise weniger Geld zur Verfügung haben und dass die Träger, das sind oft die Bundesländer, dafür aufkommen müssen“, gab Ludwig zu bedenken. Es sei eine Reform präsentiert worden, ohne Bundesländer oder Städte einzubinden, beklagte der Bürgermeister - der auch Städtebundpräsident ist.

Von der Senkung der Einkommensteuerstufen hätten jene Menschen, die weniger als 18.000 Euro im Jahr verdienen, nichts, kritisierte Deutsch in einer Aussendung: „Besonders betroffen sind Frauen, Studierende und Teilzeitbeschäftigte, die auch unter der aktuellen Teuerung und den hohen Wohnungs- und Energiekosten leiden.“ Die Unternehmen bekämen dagegen über die KöSt-Senkung ein Zuckerl. VP-Generalsekretär Axel Melchior replizierte umgehend, dass es unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) deutlich mehr Entlastung für arbeitende Menschen als unter seinen SPÖ-Amtsvorgängern gebe.

Rauch wiederum meint, dass vor allem Menschen im ländlichen Raum künftig ordentlich zur Kasse gebeten würden, da die CO2-Steuer bis 2025 den regional gestaffelten Ökobonus von 200 Euro pro Jahr übertreffen werde: „Berechnungen ergeben, dass dem Durchschnittshaushalt bei einem Preis von 50 bis 55 Euro Mehrkosten in der Höhe von rund 250 Euro entstehen.“

Seitens der NEOS kritisierte Wirtschaftssprecher Gerald Loacker: Dass die Kalte Progression nicht einmal angegangen wird, sei ein Armutszeugnis. Die stark steigende Inflation werde zudem dafür sorgen, dass die Effekte dieser „Reform“ rasch wieder verpuffen würden.

Die Klimakrise treffe Arme ärger als Reiche, gleichzeitig aber verursachten die Reichsten im Land die meisten Treibhausgase, argumentiert die Armutskonferenz. Beide Tatsachen machten klar, dass Klimaschutz nur dann erfolgreich sein werde, wenn er das untere Einkommensdrittel entlaste und den Betroffenen nicht weitere Bürden auferlege.

Das sozialliberale Wiener Momentum Institut kritisiert den niedrigen Einstiegspreis für CO2. „Lenkungseffekte kann man so auf absehbare Zeit kaum erzielen“, sagte Momentum-Chefökonom Oliver Picek. Die Mieter, die nicht auf andere Heizarten ausweichen könnten, würden außerdem bei der Rückverteilung nicht berücksichtigt. Kritisch sieht Picek auch die Senkung der Körperschaftsteuer, von der nur große Unternehmen profitieren würden. Während die Entlastung von Arbeitseinkommen langfristig von der kalten Progression aufgezehrt werde, belaste die Senkung der KöSt das Budget dauerhaft.

Nach Ansicht der Arbeiterkammer bringt die Steuerreform Verschlechterungen für Pendler und für Mieter, die mit Öl- und Gas heizen. „Damit PendlerInnen besser aussteigen, schlagen wir eine Reform des Pendlerpauschale Richtung Pendlerabsetzbetrag vor“, sagt AK Steuerexperte Dominik Bernhofer. Für die betroffenen Mieter fordert die AK ebenfalls Nachbesserungen und eine Kostenbeteiligung der Vermieter.

Nicht sehr angetan von der Reform ist der Fachverband der Pensionskassen, weil dabei die Altersvorsorge ganz übersehen worden sei. Obmann Andreas Zakostelsky wünscht sich für die Altersvorsorge die Einführung einer Anlageform auf Basis einkommensteuerbefreiter Eigenbeiträge in betriebliche Pensionen, wenn eine nachhaltige Anlageform gewählt wird. Auch der Interessenverband der Anleger (IVA) hätte sich mehr gewünscht: Einzig die steuerliche Freistellung einer Mitarbeiterbeteiligung bis 3.000 Euro wirke sich direkt aus. Die KöSt-Senkung sei zu gering ausgefallen, fiktive Eigenkapitalverzinsung oder Verbesserungen am bestehenden KESt-System weiter offen.

Die Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer begrüßt die Senkung von Körperschaft- und Lohn/Einkommensteuer. Jede langfristige Maßnahme wie die Senkung der Körperschaftsteuer sei goldrichtig, wenn sie mehr Liquidität und Eigenkapital bringe. So könnten Sicherheitspolster aufgebaut werden, um Krisenzeiten aus eigener Kraft bewältigen zu können.

Lob für die Steuerreform kommt auch von der Transportbranche und den Land- und Forstwirten. Die Regierung habe den Preispfad für den CO2-Preis „mit Augenmaß“ gewählt, sagte Spartenobmann Alexander Klacska. Für die Branche sei die Einführung der CO2-Bepreisung „schmerzhaft, da sie zum überwiegenden Teil derzeit auf fossile Energieträger angewiesen ist“. Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger sieht in der Steuerreform 2021 gar eine „zukunftsweisende Weichenstellung“. Speziell die investierenden Agrar- und Forstbetriebe würden weiter gestärkt.

Das Energieinstitut an der Johannes-Kepler-Universität hat in einer ersten schnellen Analyse berechnet, dass sich die Steuerreform im Zeitraum 2022 bis 2025 positiv auf das Bruttoinlandsprodukt auswirken wird - das BIP soll 2025 um 1 Prozent höher ausfallen, also um mindestens 5 Mrd. Euro. Zu einem Beschäftigungsabbau werde es durch die Preiserhöhungen nicht kommen, insgesamt seien die Auswirkungen aufgrund der Kompensationsmaßnahmen sogar leicht positiv. Durch die Steuerreform würden im Jahr 2025 rund 8 Prozent der CO2-Emissionen eingespart.

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