Schallenberg bleibt auf Kurz-Kurs
Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) hat bei seiner Regierungserklärung im Nationalrat klar gemacht, dass er den Kurs seines Vorgängers Sebastian Kurz (ÖVP) fortsetzen wird. Basis für seine Arbeit wird das Regierungsprogramm sein, das er zügig abarbeiten will. Ob Migrations-, Arbeitsmarkt- oder Corona-Politik, Schallenberg will den eingeschlagenen Weg beibehalten. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) gab sich versöhnlich gegenüber der ÖVP, stärkt aber auch der Justiz den Rücken.
Dass er das Amt nun übernommen hat, schilderte Schallenberg wie am Vortag als Überraschung. Doch als ihn Kurz nach seiner Bereitschaft gefragt habe, sei ihm klar gewesen: „Zögern ist keine Option.“ Als Botschaft wolle er aussenden, dass die Hand in Richtung des Koalitionspartners ausgestreckt sei, um die in den vergangenen Tagen entstandenen Gräben zu überwinden und die inhaltlich erfolgreiche Arbeit der Regierung fortzusetzen.
Doch auch der Opposition streckte Schallenberg die Hand rhetorisch entgegen, sorgte bei eben dieser aber sofort für lautstarken Unmut, als er „mutwillige Aktionen“ wie den heutigen (SPÖ-)Misstrauensantrag gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) geißelte. Diese Initiative sei „beim besten Willen nicht zu verstehen“.
Neuerlich war es Schallenberg wichtig hervorzuheben, dass er mit Kurz eng kooperieren werde. Dieser sei schließlich der Obmann und Klubchef der Volkspartei, die mit ihm die vergangenen beiden Wahlen gewonnen habe. Auch in besonderen Zeiten würden demokratiepolitische Grundsätze nicht außer Kraft gesetzt.
Inhaltlich nannte der neue Kanzler in seiner knapp zehn-minütigen Rede die öko-soziale Steuerreform als ein Herzstück der Regierungsarbeit. Man werde auch den Weg der Modernisierung mit mehr Mitteln für Bildung, Forschung und Digitalisierung fortsetzen. Am Arbeitsmarkt setzt Schallenberg darauf, dass alle, die das könnten, auch einen Beitrag leisten müssten. „Konsequent fortsetzen“ will der Regierungschef wenig überraschend „unseren Weg“ bei Migration und Integration.
„Wir stimmen überein, dass die Republik Österreich in dieser Situation Stabilität, Verlässlichkeit und Orientierung braucht“, erklärte Kogler. Nun gehe es darum, das Richtige zu tun, und zwar das, was im Regierungsprogramm stehe. In den letzten Tagen habe man freilich „zugegeben einige Bewährungsproben“ hinter sich gebracht.
Trotz Tadels in Schallenbergs Antrittsrede am Tag davor umarmte Kogler den Koalitionspartner in seiner Rede und sprach der ÖVP „Dank und Anerkennung“ aus. Denn es sei sicher nicht leicht gewesen, solche Entscheidungen zu treffen, aber sie seien letztlich rasch und im Interesse der Republik getroffen worden, meinte Kogler zum Wechsel im Kanzleramt. Zudem zollte Kogler auch Kurz persönlich ausdrücklich Respekt für seinen Rückzug als Kanzler. Der Vizekanzler dankte aber auch den Klubobleuten der Fraktionen, die ebenfalls bereit gewesen wären, für Stabilität zu sorgen. Neuwahlen wären aus seiner Sicht keine gute Lösung gewesen, erinnerte er etwa daran, dass es nun wichtig sei, das Budget zu beschließen.
Der Vizekanzler sprach aber auch die Justiz an, die von der ÖVP immer wieder angriffen wird. „Lassen wir die Justiz arbeiten, lassen wir sie unabhängig ermitteln“, appellierte Kogler einmal mehr. Es sei gut, dass sich die Justiz offensichtlich nicht beeinflussen lasse. Es sei ein Missverständnis, dass man einzelne Institutionen nicht kritisieren dürfe. Der Punkt sei, Zurufe zu unterlassen, die die Justiz generell infrage stellen.
Noch wesentlich deutlicher wurde die Opposition, die nicht nur Kurz sondern auch Schallenberg hart attackierte. Dass dieser nach seiner gestrigen Unschuldserklärung für den Vorgänger nun auch noch den Misstrauensantrag gegen Blümel kritisiert hatte, stehe ihm nicht zu, meinte SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner. FPÖ-Klubchef Herbert Kickl ereiferte sich, dass sich Schallenberg anmaße, das Parlament zu belehren. Ein eigener Misstrauensantrag der Freiheitlichen gegen die gesamte Regierung fand bei den anderen Fraktionen keine Zustimmung.
Der neue Kanzler hat für den Freiheitlichen gleich in seiner ersten Rede „einen moralischen Absturz“ geschafft: „Ein Begräbnis für eine millionen-fache Erwartungshaltung“, so Kickl zu Schallenbergs gestrigem Auftritt. Reue, Einsicht, Demut seien Dinge, die es gebraucht hätte: „Nichts ist gekommen, weil sie zutiefst verhabert sind. Sie sind einer von dieser Partie.“
Auch für Rendi-Wagner hat der Kanzler schon am ersten Tag viel Vertrauen verspielt: „Wer blind folgt, kann nicht führen.“ Die SP-Chefin forderte Schallenberg auf, eine Trennlinie zu ziehen: „Die heutige Regierungsumbildung ist eine Farce, weil die Fäden zieht weiter Kurz.“
Das empfahl auch NEOS-Fraktionschefin Beate Meinl-Reisinger. Sie adressierte an Schallenberg: „Sie haben es in der Hand, sich an das türkise System zu klammern und mit dem unterzugehen, aber dass Sie das Land mitreißen, werden wir nicht zulassen.“ Meinl-Reisinger übergab dem Kanzler dann auch die Anordnung zur Hausdurchsuchung, damit er die Details studieren könne. Schallenberg war wenig interessiert. Er legte den Papierstapel flott neben dem Tisch auf den Boden.
Alle drei Oppositionschefs nützten die Gelegenheit, noch einmal mit Kurz abzurechnen. Für Rendi-Wagner zeigen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ein „Bild der Skrupellosigkeit und des Machtmissbrauchs“. Die Fakten seien erschütternd und sprengten Maßstäbe.
Machtgier und Machtmissbrauch, schwere Korruption, Respektlosigkeit, Niedertracht, Heuchelei - diese Mischkulanz sei das, was die türkise Welt zusammenhalte, meinte Kickl. Die Lichtgestalt sei über Nacht zum gefallenen Engel geworden, so der Freiheitliche in Richtung Kurz, der erst am Donnerstag sein Mandat im Nationalrat ausüben wird. Meinl-Reisinger meinte zum Kurz-Umfeld, dieses stehe für ein Sittenbild des moralischen Verfalls.
Ganz anders war die Einschätzung des für Kurz scheidenden VP-Klubchefs August Wöginger. Der nannte seinen baldigen Nachfolger nämlich einen „großen Staatsmann“. Dieser habe das Land nach vorne gebracht und Wöginger ist auch überzeugt, dass sich die Vorwürfe gegen Kurz als falsch herausstellen werden. Schallenberg ist für ihn „der Richtige zum richtigen Zeitpunkt“.
Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer nannte die Regierungskrise überwunden. Nun müsse eine Phase des Zu-Ruhe-Kommens folgen. Die nächste Zeit müsse geprägt sein vom Wiederaufbau des Vertrauens auch zwischen den Koalitionspartner und den Parteien im Parlament insgesamt.
Eher im Schatten stand der erste Auftritt des neuen Außenministers Michael Linhart (ÖVP). Als Diplomat sei er es gewöhnt, sich für Österreich einzusetzen. Linhart versprach für seine Amtsführung „Verbindlichkeit“ bei klaren inhaltlichen Positionen. Er versichere, dass man in der Welt weiterhin die Stimme erheben werde für friedliche Lösungen, für Menschenrechte, „gegen jegliche Form des Antisemitismus“ und für eine starke transatlantische Partnerschaft. Diese Woche wird Linhart bereits seine erste Auslandsreise als Minister antreten, sie führt ihn nach Sarajevo.
Zu einem medizinischen Vorfall kam es gegen Ende der Debatte. Die SPÖ-Abgeordnete Eva Maria Holzleitner kollabierte am Rednerpult, war aber nach kurzer medizinischer Betreuung wieder bei Bewusstsein und wurde mit einem Stuhl aus dem Plenarsaal geleitet.