Opposition einig bei ÖVP-Untersuchungsausschuss
Die Oppositionsparteien haben sich auf einen neuen Untersuchungsausschuss zu den Korruptionsermittlungen gegen die türkise ÖVP geeinigt. Neben den Ermittlungen in der Inseratenaffäre wird dabei auch großteils der bereits abgeschlossene Ibiza-U-Ausschuss inhaltlich fortgesetzt. Man wolle „Sümpfe benennen und trockenlegen“, erklärten Vertreter von SPÖ, FPÖ und NEOS am Mittwoch in einer Pressekonferenz das gemeinsame Verlangen.
SPÖ-Mandatar Kai Jan Krainer, der die rote Fraktion im Ibiza-Ausschuss angeführt hatte, sprach von einem „ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss“. Das Sittenbild aus dem Ibiza-Untersuchungsausschuss sei durch die Entwicklungen der vergangenen Woche „noch vertieft“ worden. Was bisher bekannt sei, sei nur die „Spitze des Eisbergs“, glaubt Krainer. Es gebe „mafiöse Strukturen“ in einzelnen Ministerien, und man wolle diese „Sümpfe benennen, damit sie auch trocken gelegt werden können“.
Das Sittenbild lasse einen „unfassbar irritiert“ zurück, befand Nikolaus Scherak, Vizeklubchef der NEOS. Das „türkise System“ habe nicht das Wohl des Landes im Sinn gehabt, sondern Machtergreifung, Machterhalt und den eigenen Vorteil. Notwendig seien Aufklärung und dann Reformen, „damit ein korruptes ÖVP-System nicht einfach so weiter werken kann“.
Die ÖVP habe einen „Staat im Staat“ etabliert, meinte FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker, zuletzt ebenfalls Fraktionsführer. Man höre, dass in den ÖVP-geführten Ministerien die „Schredder“ bereits auf Hochtouren liefen und Mails gelöscht würden. Dies sei auch der Grund, warum man nicht warten wollte, bis eine allseits gewünschte Reform der Ausschuss-Spielregeln ausverhandelt ist, wie Hafenecker auf Nachfrage sagte - eine Liveübertragung für die Öffentlichkeit wird es also auch diesmal vorerst nicht geben.
Was die Frage des Vorsitzes betrifft - diesen führt laut Geschäftsordnung Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) - wollten sich die Oppositionsvertreter nicht aus dem Fenster lehnen. Im Ibiza-Ausschuss wurde dem früheren Innenminister regelmäßig die Überparteilichkeit abgesprochen und Befangenheit vorgeworfen. „Das ist nicht an uns, es zu entscheiden“, spielte Scherak den Ball weiter. Sobotka müsse sich selbst die Frage stellen, ob er den Vorsitz führen könne - es gebe ja auch die Möglichkeit, dass die Zweite Präsidentin oder der Dritte Präsident übernimmt.
Wann der Ausschuss tatsächlich startet, ist noch offen. Für den U-Ausschuss reichen jedenfalls die Stimmen der Opposition, die Regierungsfraktionen können ihn nicht verhindern, aber allenfalls ein wenig verzögern. Das Verlangen wird am Ende der heutigen Nationalratssitzung eingebracht, auch eine Kurzdebatte wird dazu stattfinden. Danach muss der Geschäftsordnungsausschuss binnen acht Wochen entscheiden. Für einen Einspruch gegen den Untersuchungsgegenstand bräuchte es eine Mehrheit, die ÖVP müsste also die Grünen überzeugen, dagegen zu stimmen. Und selbst das wäre keine Verhinderung des U-Ausschusses, denn in so einem Fall könnte sich die Opposition an den Verfassungsgerichtshof wenden, der dann innerhalb von vier Wochen entscheidet.
Die Opposition geht aber davon aus, dass man rasch beginnen kann, denn auch die Grünen hätten ja bereits Interesse an der Aufklärung signalisiert, meinte Hafenecker. „Ich glaube, dass die Grünen nicht noch einmal auf die heiße Herdplatte greifen“, gab sich auch Krainer überzeugt. Der Untersuchungsgegenstand sei jedenfalls rechtlich umfassend geprüft worden. Krainer betonte auch, dass er kein Interesse an einem langatmigen Ausschuss hat, sondern dieser eher knackig vonstatten gehen soll: Man wolle nicht die volle mögliche Länge ausschöpfen, sondern eigentlich im ersten Halbjahr abschließen. Abhängig sei dies freilich von der „Kooperationsbereitschaft“ der Regierungsparteien, also wie schnell etwa Akten geliefert werden. Zieht sich das Prozedere zu Beginn, könnten die ersten Zeugenbefragungen wohl erst im Frühjahr abgehalten werden.
Untersuchungsgegenstand soll laut dem Verlangen „das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe des Bundes im Zeitraum von 18. Dezember 2017 bis 11. Oktober 2021 (...)“ sein. Der U-Ausschuss soll laut dem Verlangen klären, „ob es ausgehend vom ‚Projekt Ballhausplatz‘ durch eine Gruppe von in Organen des Bundes tätigen, der ÖVP zuzuordnenden Personen zu Missbrauch von Organbefugnissen zum Zweck der Förderung der parteipolitischen Interessen der ÖVP gekommen und dadurch staatlichen Interessen möglicherweise ein Schaden entstanden ist“.
Inhaltlich soll sich der neue Untersuchungsausschuss in vier Bereiche gliedern: Der Teil „Beeinflussung von Vergabe- und Förderverfahren“ widmet sich etwa dem von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft untersuchten Verdacht, öffentliche Gelder könnten für frisierte Umfragen zugunsten der türkisen ÖVP ausgegeben worden sein. Aber auch die „Einflussnahme auf Beteiligungen des Bundes“, etwa bei der staatlichen Beteiligungsgesellschaft ÖBAG, will die Opposition weiter unter die Lupe nehmen - war dies doch bereits im abgeschlossenen Ibiza-Untersuchungsausschuss Thema.
Ebenfalls ein Wiedersehen könnte es mit einem weiteren Aspekt aus dem Ibiza-Ausschuss geben, sollte das gemeinsame Verlangen so angenommen werden: Der „Beeinflussung von Ermittlungen und Aufklärungsarbeit“, also dem Konflikt etwa zwischen WKStA und der Oberstaatsanwaltschaft Wien, wozu ebenfalls aktuell ermittelt wird. Ebenfalls wieder aufgegriffen werden Postenbesetzungen in staatsnahen Organisationen und das damit einhergehende „Maßschneidern von Ausschreibungen“ zugunsten türkiser Parteigänger oder Spender an die Partei. Der FPÖ sind auch „Verknüpfungen“ von ÖVP und Wirecard wichtig, nicht zuletzt könnten auch Aspekte des Terroranschlags von Wien vor einem Jahr untersucht werden, sollte es Hinweise auf eine Beeinflussung von Ermittlungen geben.