Laut WKStA-Chefin kein „Kronzeuge“ in Inseraten-Affäre

Die Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, Ilse-Maria Vrabl-Sanda, hat nicht nur aufgrund der jüngsten Ermittlungen zur Inseratenaffäre mit einem Personalmangel zu kämpfen. Sie fordert im Interview mit der APA zehn Planstellen mehr, was eine Aufstockung auf 54 bedeuten würde. Verrat von Hausdurchsuchungen und Ermittlungsergebnissen im eigenen Haus schließt sie praktisch aus. Einen „Kronzeugen“ gebe es in der Inseratenaffäre nicht, sagt sie.

Es sei eine „völlig absurde Vorstellung“, ein Staatsanwalt oder eine Staatsanwältin könnte bevorstehende Hausdurchsuchungen verraten, so Vrabl-Sanda zu Spekulationen, Verdächtige in der Inseratenaffäre könnten direkt aus ihrem Haus vor den Maßnahmen gewarnt worden sein. Sie zieht einen Vergleich aus dem Sport: „Ein Formel-Eins-Fahrer, der seinen Boliden vor dem Grand Prix, bei dem er unbedingt ins Ziel möchte, manipuliert am Motor oder die Reifen aufsticht, das wäre abwegig.“

Vielmehr kann sich Vrabl-Sanda zumindest vorstellen, dass Beschuldigtenvertreter durch ihre Einsichtsrechte von selbst darauf schließen konnten. So hätten derzeit sehr viele Verfahrensparteien Akteneinsichtsrechte, von denen in „sehr dichten regelmäßigen Abständen“ auch Gebrauch gemacht werde. Werden geheime Ermittlungsmaßnahmen geplant, müssten diese auch zum Akt genommen werden - um sie gleichzeitig ersichtlich von der Akteneinsicht auszunehmen. Diese fehlenden Aktenstücke könnten zu Spekulationen führen.

Gerüchten, dass es in der Inseratenaffäre bereits ein umfassendes Geständnis geben könnte, etwa durch die Meinungsforscherin Sabine Beinschab, erteilt Vrabl-Sanda eine Absage. Nur so viel: „Es gibt keinen Kronzeugen.“ Hätte sich jemand gemeldet, würde die Ermittlungsbehörde dazu aber auch keine Auskunft erteilen. Bei Ex-Kanzler Sebastian Kurz müsse man bis zur möglichen Aufhebung dessen jüngst erlangter Immunität als Nationalratsabgeordneter eine „klare Trennlinie“ ziehen, sollten die Ermittlungen seine Person betreffen.

Die bereits gewohnten Attacken aus der ÖVP gegen ihr Haus - etwa, dass es „linke Zellen“ gebe - will Vrabl-Sanda nicht aktiv kommentieren. Es handle sich dabei um Aussagen von Politikern, „ich gebe aber dazu keinen Kommentar ab“. Auch den immer wieder vorgebrachten Vorwurf, die Ermittlungen gegen Ex-Kanzler Werner Faymann in dessen Inseratenaffäre seien trotz ähnlicher Sachlage eingestellt worden, kann sie von sich weisen - sei ihre Behörde doch gar nicht involviert gewesen.

Dass die WKStA derzeit gegen mehrere Vertreter der ÖVP ermittelt, bezeichnet Vrabl-Sanda als „zufällige Häufung“. Dieser Vorwurf sei zudem in der Vergangenheit auch schon vonseiten der Freiheitlichen gekommen. Die Behörde habe den Auftrag, Verdachtslagen aufzuklären. Ziel sei nicht ein gewisser „Erfolg“ bei den Ermittlungen, sondern eben das Aufklären jener Verdachtslagen. Zudem würden Beweise auch nicht gezielt nach „Zufallsfunden“ durchforstet, betont Vrabl-Sanda. Dennoch könne man nie ausschließen, dass es diese schlicht gebe.

Wie lange es dauert, bis der „Ibiza-Komplex“ abgeschlossen ist, kann Vrabl-Sanda nicht seriös beantworten, dies hänge von vielen Faktoren ab, betont sie. „Ich kann dafür garantieren, dass die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte mit einem ganz besonderen Engagement an ihre Arbeit gehen“, sagt sie dazu. „Es ist wirklich eine große Arbeitsbelastung.“ Und auch andere interessante Verfahren für die Republik, wie jene zur Commerzialbank Mattersburg und zum Ibiza-Komplex bräuchten Kapazitäten, weswegen es weitere Planstellen bräuchte, denn: „Wir sind nicht ideal aufgestellt personell.“

Von der SPÖ gab es am Mittwoch Unterstützung für die Forderung nach mehr Personal. Die Justiz sei über die Jahre personell und finanziell ausgehungert worden, die diesjährige Anhebung von 0,2 Prozent beim Personalstand sei nur Kosmetik. Strukturelle Mängel würden mitunter zu langen Verfahren führen, für Großverfahren brauche es zudem Teams mit Experten, die der Staatsanwaltschaft zuarbeiten. „Die türkis-grüne Bundesregierung muss endlich zeigen, dass ihr der Kampf gegen Korruption ein ernstes Anliegen ist“, fordert Yildirim neben mehr Posten in der Staatsanwaltschaft auch die Einführung einer unabhängigen Bundesstaatsanwaltschaft. „Statt ständig mit politischen Angriffen aus der ÖVP konfrontiert zu sein, sollen sich die Staatsanwaltschaften auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren können.“

Der ÖVP-Abgeordnete Andreas Hanger reagierte auf Vrabl-Sandas Aussagen unterdessen mit neuerlichen Attacken auf die WKStA. „Die ‚zufällige Häufung‘ von Ermittlungen der WKStA gegen die Volkspartei ist wohl mehr als Zufall“, wirft er Teilen der Behörde mangelnde Objektivität vor und stellt infrage, was an den an die Öffentlichkeit gekommenen privaten Chats strafrechtlich relevant sein solle. „Es geht dabei offensichtlich nur darum, Menschen öffentlich an den Pranger zu stellen.“ „Berechtigte Kritik an Missständen in Teilen einer Staatsanwaltschaft“ seien zudem nicht als Attacke gegen die gesamte Justiz zu werten, „Kritik an konkreten Verfehlungen muss in einer funktionierenden Demokratie erlaubt sein.“

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