Deutsche Ampel-Parteien beginnen Koalitionsverhandlungen

Fast einen Monat nach der deutschen Bundestagswahl beginnen SPD, Grüne und FDP am Donnerstagnachmittag ihre Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer gemeinsamen Regierung. Auf dem Berliner Messegelände kommen zum Auftakt die jeweils sechs Hauptverhandler mit den Leitern der Arbeitsgruppen zusammen. Die Parteien haben sich zum Ziel gesetzt, noch vor Weihnachten eine Regierung zu bilden. Es wäre die erste sogenannte Ampel-Koalition auf Bundesebene.

Im Vorfeld äußerten sich Vertreter der drei Parteien optimistisch, doch zeigten sich auch inhaltliche Differenzen. „Wir werden zeitnah und zügig durchkommen“, sagte FDP-Generalsekretär Volker Wissing am Donnerstag im ZDF. „Die Menschen haben Lust auf diese neue Regierung.“

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich zeigte sich zuversichtlich, dass in der Regierungsarbeit sozialdemokratische Handschrift zu sehen sein werde. Im Deutschlandfunk betonte er, die drei Partner begegneten einander in inhaltlichen Diskussionen auf Augenhöhe, doch sei die SPD die stärkste Kraft. Es sei auch überhaupt nicht richtig, dass die SPD in den Sondierungen im Vergleich zur FDP wenig erreicht habe. Die SPD habe mit dem höheren Mindestlohn, mehr Wohnungsbau und einer Kindergrundsicherung sowie vielem anderen viel untergebracht.

Auch Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner musste Kritik von Klimaschützern und der Parteijugend an den Sondierungsvereinbarungen entgegentreten. Man habe nur einen Teil verhandelt, sagte er im ZDF. Über andere Bereiche sei noch nicht geredet worden, etwa über den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor, über den Flugverkehr oder die Bahnpolitik. „Wir müssen da auch noch nachlegen“, sagte er.

Einer der Knackpunkte der Verhandlungen dürfte die Finanzierungsfrage sein. Diesbezüglich wollen die Grünen „alle Spielräume nutzen“, wie Geschäftsführer Kelner sagen. Konkret nannte er dabei die deutsche Förderbank KfW. Wissing äußerte sich offen für diesen Vorschlag, betonte aber zugleich, dass die Schuldenlast in Europa schon hoch sei und es auch Inflation gebe. In den Sondierungen hatte sich die FDP mit der Forderung durchgesetzt, dass es keine Steuererhöhungen geben dürfe. Auch die verfassungsrechtliche „Schuldenbremse“ soll nicht angetastet werden.

Die FDP drängte zugleich darauf, dass Deutschland die Finanzzusagen an die NATO einhalte. „Die NATO hat verteidigungspolitische Erwartungen an uns und hat vor allen Dingen auch Zusagen von uns bekommen, die wir einhalten möchten und müssen“, sagt die verteidigungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, bei Phoenix. SPD und Grüne standen dem sogenannten „Zwei-Prozent-Ziel“ bisher skeptisch gegenüber. Es sieht vor, dass alle NATO-Staaten mindestens zwei Prozent ihrer Wirtschaftskraft für Verteidigung aufwenden. Deutschland liegt derzeit unter diesem Ziel.

Dissens zeichnete sich auch bei der Frage der Gaspipeline Nord Stream 2 ab. FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff wandte sich gegen die Forderung von Grünen-Co-Chefin Annalena Baerbock, die Betriebsgenehmigung für Nord Stream 2 nicht zu erteilen. Die für die Prüfung zuständige Bundesnetzagentur sei unabhängig, man sei an Recht und Gesetz gebunden, sagt Lambsdorff im Deutschlandfunk. „Da würde ich von der Politik nicht hineinregieren wollen.“

Baerbock verteidigte die gemeinsamen Pläne zur Abkehr von Hartz IV. „Wir wollen bei der Grundsicherung mehr ändern als nur den Namen“, sagte Baerbock den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Donnerstag. Beim Bürgergeld müsse dafür gesorgt werden, „dass es sich für Menschen deutlich lohnt, eine Arbeit aufzunehmen, auch wenn es nur eine kleine Stelle ist“. Kritik an den Plänen hatten der CDU-Wirtschaftsrat und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) geäußert. „Hartz IV muss überwunden und nicht nur umbenannt werden“, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann den Funke-Zeitungen. Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, kritisierte das Bürgergeld als „Nebelkerze, weil die Ausgestaltung viel zu unkonkret bleibt“.

Insgesamt 22 Arbeitsgruppen mit Fachpolitikern sollen in den kommenden Wochen die Details eines Koalitionsvertrags aushandeln. Noch ist allerdings nichts in trockenen Tüchern: Zwar haben die Parteien im Voraus bereits einige Streitpunkte aus dem Weg geräumt, doch inhaltlich und auch personell gibt es noch einige Stolpersteine, etwa in der Finanzpolitik und bei der Besetzung des Finanzministeriums.

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