Neuer Bundestag zu konstituierender Sitzung zusammengekommen
Der 20. Deutsche Bundestag ist am Dienstagvormittag zu seiner konstituierenden Sitzung im Berliner Reichstagsgebäude zusammengekommen. Die Sitzung wurde vom bisherigen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble in seiner Rolle als Alterspräsident des Hohen Hauses eröffnet. Auf der Tagesordnung steht zunächst die Wahl des Präsidiums. Neue Parlamentsvorsitzende soll die Sozialdemokratin Bärbel Bas werden. Im neuen Bundestag sitzen 736 Abgeordnete.
Der scheidende Bundestagspräsident Schäuble mahnte eine dringende Wahlrechtsreform an. Mit Blick auf den mit 736 Mitgliedern größten Bundestag sagt der CDU-Politiker, dass sich keine politische Kraft einer Reform zur Verkleinerung entziehen dürfe. Schäuble, der die Sitzung bis zur Wahl der neuen Bundestagspräsidentin als Alterspräsident im Parlament leitet, spricht von „bitteren Erfahrungen“ beim Scheitern einer Wahlrechtsreform in der letzten Legislaturperiode.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bat Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die Regierungsgeschäfte noch so lange weiterzuführen, bis ein neuer Kanzler gewählt wird. Das teilte das Bundespräsidialamt am Dienstag mit. Der Schritt ist üblich, wenn beim Zusammentreten eines neuen Bundestags noch kein neuer Regierungschef gewählt wird. Offiziell endet mit der konstituierenden Sitzung des Parlaments am Dienstag die Amtszeit der Kanzlerin und der Bundesminister. Wie das Präsidialamt weiter mitteilte, wird Steinmeier den Mitgliedern der Bundesregierung im Schloss Bellevue noch am Dienstag ihre Entlassungsurkunden aushändigen.
Artikel 69 des Grundgesetzes sieht vor, dass der Bundespräsident die Kanzlerin - und die Kanzlerin ihre Minister - ersuchen kann, die Geschäfte bis zur Ernennung von Nachfolgern weiterzuführen. Dies dürfen weder Kanzlerin noch Minister ablehnen.
Die Unionsfraktion hat als Vizepräsidentin die CDU-Politikerin Yvonne Magwas nominiert, die SPD die frühere Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz. Von der FDP tritt Wolfgang Kubicki an. Die AfD schickt den neuen Abgeordneten Michael Kaufmann ins Rennen - in der vergangenen Legislaturperiode hatten die Abgeordneten der anderen Fraktionen sämtlichen AfD-Kandidaten für diesen Posten allerdings stets die nötige Mehrheit verweigert.
Die AfD scheiterte unterdessen mit dem Versuch, ihren Abgeordneten Alexander Gauland als Alterspräsident des Bundestags durchzusetzen. Ein Antrag der Fraktion zur Änderung der Geschäftsordnung fand am Dienstag bei der konstituierenden Sitzung des Bundestags in Berlin keine Mehrheit.
Gauland ist mit 80 Jahren der älteste Abgeordnete. Die Geschäftsordnung wurde nach der Bundestagswahl 2017 allerdings geändert, so dass der Alterspräsident nun der Abgeordnete mit den meisten Parlamentsjahren ist. Damit sollte verhindert werden, dass Gauland schon damals als Alterspräsident die erste Sitzung eröffnet.
In der Geschichte des deutschen Parlamentarismus hätte es bis zuletzt nur ein Parlament gewagt, mit der Tradition zu brechen, dass der Posten an den ältesten Abgeordneten ging, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Bernd Baumann. Das sei der Reichstag 1933 nach der Machtergreifung der Nazis unter Reichststagspräsident Hermann Göring gewesen. „Soll das Ihr Vorbild sein?“, fragte Baumann. „Das ist keine gute Tradition. Kommen Sie wieder zurück auf den seit Jahrhunderten bewährten Weg aller deutschen Demokraten.“
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, sagte, die SPD weise den Antrag der AfD strikt ab. Die AfD habe bei der Wahl an Zustimmung verloren. Der Verweis Baumanns auf 1933 sei eine Frechheit, sagte Schneider. Er könne sich keinen besseren Alterspräsidenten vorstellen als Schäuble.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Michael Grosse-Brömer, sagte mit Blick auf Gauland, wer das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte als „Fliegenschiss“ bezeichne, habe sich schon dadurch disqualifiziert. Grosse-Brömer kritisierte zugleich Bestrebungen der FDP, die Sitzordnung im Bundestag „mit der Brechstange“ zu ändern. Dies sei kein guter Stil: „Ich spüre einen Hauch von Arroganz der Macht.“
Die FDP-Fraktion möchte im Plenarsaal mit der Union den Platz tauschen. Bisher sitzt die AfD - vom Platz des Bundestagspräsidenten aus gesehen - ganz rechts, daneben die FDP, dann die Union, die Grünen, die SPD und am linken Rand die Linksfraktion.
Die Linke-Abgeordnete Petra Pau und die Grünen-Politikerin Claudia Roth begrüßten indes, dass künftig voraussichtlich eine Frau an der Spitze des Parlaments stehen wird. Sie finde es ein „ein sehr gutes Signal, dass es höchstwahrscheinlich eine Präsidentin geben werde und wahrscheinlich tatsächlich Vizepräsidentinnen bis auf eine Ausnahme“, sagte Pau am Dienstag vor der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags im ARD-“Morgenmagazin. „Das ist mehr als eine Randnotiz und es ist absolut aller-allerhöchste Zeit“, sagte Roth im Deutschlandfunk. Die beiden kandidieren erneut als Vizepräsidentinnen des Parlaments.