Sudan: General hält entmachteten Regierungschef fest
Der bei einem Putsch im ostafrikanischen Sudan entmachtete Ministerpräsident Abdullah Hamduk wird in der Residenz des höchsten Militärs, General Abdel Fattah al-Burhan, festgehalten. Man habe Hamduk zu seiner eigenen Sicherheit in die Residenz gebracht, sagte Al-Burhan während einer Ansprache am Dienstag. „Er ist bei mir zuhause.“ Demnach soll Hamduk auch das Recht haben, sich frei zu bewegen. Anhänger Hamduks forderten dessen sofortige Freilassung.
Zugleich kündigte das Büro Hamduks an, man werde mit Protesten und zivilem Ungehorsam Widerstand gegen den Umsturz leisten. Die Mitteilung erschien am Dienstag auf der Facebook-Seite des Informationsministeriums.
General Al-Burhan versprach unterdessen, das Internet graduell wiederherzustellen. Seit Montag früh sind das Internet, das Mobilfunknetz und Teile des Festnetzes gestört, die meisten Menschen können nicht mehr anrufen oder angerufen werden.
Das Militär hat am Montag in dem ostafrikanischen Land mit rund 44 Millionen Einwohnern die Macht übernommen. Al-Burhan verkündete die Entmachtung der zivilen Regierungsmitglieder und verhängte einen Ausnahmezustand. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen kontrolliert das Militär die Hauptstadt Khartum. Der Flughafen, Brücken und das Staatsfernsehen seien in der Hand der Streitkräfte und die Eingänge in die Stadt versperrt.
Nach dem Militärputsch reißen die Proteste nicht ab: „Eine Rückkehr in die Vergangenheit ist keine Option“, riefen die Demonstranten am Dienstag, die trotz des gewaltsamen Vorgehens der Armee landesweit auf die Straße gingen. Noch am gleichen Tag wollte der UN-Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung zur Lage in dem nordostafrikanischen Land zusammenkommen.
In der Hauptstadt Khartum versammelten sich zahlreiche Menschen, um die „Revolution zu retten“, die 2019 den langjährigen Machthaber Omar al-Baschir zu Fall gebracht hatte. „Es reicht“, sagte ein Demonstrant. „Nach 30 Jahren Erniedrigung unter Baschir wollen wir jetzt keinen neuen Staatsstreich.“ Die Demonstranten verkündeten einen „Generalstreik“ und „zivilen Ungehorsam“ gegenüber den neuen Machthabern.
So riefen etwa Ärzte und Beamte zum zivilen Widerstand durch einen Generalstreik auf. Man werde sich aus allen Krankenhäusern des Landes zurückziehen und nur noch Notfälle behandeln, kündigte der Ärzteverband Sudan Doctors Central Committee in der Nacht auf Dienstag auf seiner Facebook-Seite an. Aus den Militärkrankenhäusern werde man sich komplett zurückziehen, hieß es weiter. Mitarbeiter der Ministerien, Verwaltung und Zentralbank kündigten in der Nacht einen Generalstreik an.
International stieß der Umsturz im Sudan auf heftige Kritik: Die bisher in der Vermittlung im Sudan aktive Länder-Troika aus den USA, Großbritannien und Norwegen sprach von einem „Verrat an der Revolution, dem Übergangsprozess und den legitimen Forderungen des sudanesischen Volkes nach Frieden, Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Entwicklung“.
Die USA als wichtiger Unterstützer des Übergangsprozesses in dem Land verurteilten den Militärputsch scharf und forderten die Rückkehr zu einer zivilen Regierung. Zudem müsse der festgenommene Ministerpräsident Hamdok sofort freigelassen werden, forderte US-Außenminister Antony Blinken. Aus Protest gegen den Putsch setzten die USA ihre finanziellen Hilfen im Umfang von 700 Millionen Dollar für das Land aus.
Auch die UNO forderte die umgehende Freilassung Hamdoks. UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte den „Militärputsch“ und forderte die Achtung der „Verfassungscharta“. Am Dienstagnachmittag (Ortszeit in New York) sollte der UN-Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung hinter verschlossenen Türen zusammentreten.
Die UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet sprach von einer „Katastrophe, wenn der Sudan nach Jahrzehnten der Diktatur nun die Uhr zurückdrehen würde“. Auch die EU, die Afrikanische Union und die Arabische Liga zeigten sich besorgt.
Die diplomatischen Bemühungen für den Übergang zu einer zivilen Regierung im Sudan waren zuletzt vergeblich gewesen: Erst am Sonntag war der US-Gesandte Jeffrey Feltman mit General al-Burhan und Ministerpräsident Hamdok zusammengekommen. Während sich beide Sudanesen bei dem Treffen zum demokratischen Übergang bekannten, verkündete al-Burhan nur einen Tag später die Auflösung aller Institutionen des Landes sowie die Festsetzung Hamdoks sowie mehrerer Minister und ziviler Vertreter.
Lediglich Russland sah in dem Putsch „die logische Folge einer verfehlten Politik“ und beklagte eine „ausländische Einmischung von beträchtlichem Ausmaß“. Im Sudan ringen Russland, die Türkei, die USA und Saudi-Arabien um Einfluss. Dabei geht es vor allem um die für die jeweiligen Flotten in der Region strategisch wichtigen Häfen am Roten Meer.
Im Sudan hatte nach dem Sturz von Machthaber al-Baschir 2019 ein sogenannter Souveräner Rat die Regierungsgeschäfte übernommen, in dem sich Militärs und Zivilisten die Macht teilen. Seitdem befand sich das Land in einer fragilen Übergangsphase, die 2023 mit der Einsetzung einer zivilen Regierung enden sollte.