EU-Außenminister bereiten Sanktionen gegen Belarus vor

Die Außenminister der EU-Staaten, darunter Ressortchef Michael Linhart (ÖVP), wollen an diesem Montag (9.00 Uhr) ein neues Sanktionsinstrument beschließen, das sich gegen Beteiligte an der Schleusung von Migranten nach Belarus richtet. Es soll unter anderem gegen die staatliche belarussische Fluggesellschaft Belavia eingesetzt werden. Diese soll künftig von Firmen, die Flugzeuge verleasen, keine Maschinen mehr bekommen.

Ziel ist, dass Belavia dann nicht mehr so viele Menschen aus armen oder konfliktreichen Ländern zur Weiterschleusung in die EU nach Belarus fliegen kann. Auch Reiseveranstalter und an der Schleusung beteiligte Mitglieder des Regierungsapparats in Belarus sollen unter Druck gesetzt werden.

Der Führung der Ex-Sowjetrepublik wird vorgeworfen, gezielt Migranten ins Land zu holen, um sie dann zur Weiterreise in die EU an die Grenze zu Polen, Litauen und Lettland zu bringen. Vermutet wird, dass sich Machthaber Alexander Lukaschenko damit für Sanktionen rächen will, die die EU wegen der Unterdrückung der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition erlassen hat. Für Deutschland wird bei dem Treffen in Brüssel der geschäftsführende Außenminister Heiko Maas (SPD) erwartet.

Weil Polen, Lettland und Litauen die EU-Außengrenze mittlerweile abriegeln, ist die Situation im Grenzgebiet äußerst angespannt. Tausende Menschen aus Ländern wie Syrien oder dem Irak warten auf eine Chance, illegal die Grenze zur EU zu überqueren. Besonders groß ist der Druck auf die Grenze zu Polen. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt harren Tausende Migranten seit Tagen auf der belarussischen Seite der Grenze in provisorischen Camps im Wald aus. Es gab bereits Todesfälle.

Polens Grenzschutz warf den Sicherheitskräften in Belarus am Sonntagabend vor, Migranten auf einen Durchbruch der Sperranlage vorzubereiten. Bei dem Grenzort Kuznica seien in dem Lager auf der belarussischen Seite viele Zelte verschwunden, schrieben die Grenzer am Sonntag auf Twitter. „Die Ausländer bekommen Instruktionen, Werkzeuge und Tränengas von den belarussischen Sicherheitsorganen.“

Diese Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen, da Polen in der Grenzregion den Ausnahmezustand verhängt hat. Journalisten und Helfer dürfen nicht hinein. Das gilt auch für das Grenzgebiet auf belarussischer Seite.

Zugleich traten Polen und das deutsche Außenministerium in Berlin Gerüchten entgegen, wonach Deutschland an diesem Montag einen Transit für die feststeckenden Migranten plane. „Wer immer diese Lügen verbreitet, bringt Menschen in große Gefahr“, teilte das Ministerium am Sonntag auf Twitter mit. Polen versandte Textnachrichten an die Menschen. „Das ist eine Lüge und Unfug! Polen wird seine Grenze zu Belarus weiterhin schützen.“ Die SMS auf Englisch würden alle erhalten, deren Handys sich im Grenzgebiet in Reichweite des polnischen Mobilfunks befänden, schrieb Innenminister Mariusz Kaminski auf Twitter.

US-Außenminister Antony Blinken sagte nach Angaben seines Sprechers Ned Price, das Handeln des Lukaschenko-Regimes gefährde die Sicherheit, säe Zwietracht und lenke von Russlands Aktivitäten an der Grenze zur Ukraine ab. Der Kreml hatte nach Vorwürfen aus den USA, russische Truppen könnten eine Ukraine-Invasion vorbereiten, vor Falschinformationen gewarnt.

Linhart bezeichnete zuletzt das Vorgehen von Belarus als „Menschenrechtsverletzung und Erpressung“. Österreichs volle Solidarität gelte Polen und Litauen als leidtragende Staaten, erklärte er. Bundeskanzler und ehemaliger Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) forderte seitens der EU „entschlossenes Handeln“.

Der österreichische Migrationsexperte Gerald Knaus befürwortete schärfere Sanktionen gegen Belarus und plädierte zugleich für eine legale Verteilung von Migranten in sichere Drittländer. „Die EU muss einen Weg finden, dass nach einer sofortigen humanitären Aufnahme nicht in vier Wochen 15.000 Menschen bei noch tieferen Temperaturen an der gleichen Grenze leiden. Dafür sollte man jene, die nach einem Stichtag nach Polen kommen, im Einklang mit internationalem Recht in einen sicheren Staat außerhalb der EU bringen“, sagte Knaus der „Rheinischen Post“ (Montag). „So ließe sich Lukaschenkos Schleusermodell zerstören. Denn die EU darf den Wettbewerb der brutalen Abschreckung an ihrer Grenze nicht gegen einen skrupellosen Diktator gewinnen.“

Ebenfalls auf der Agenda der EU-Außenminister am Montag stehen der Westbalkan und die Sahelzone südlich der Sahara in Afrika. Österreich wird ab Jahresende für sechs Monate und bereits zum zweiten Mal das Kommando der EU-Trainingsmission für malische Streitkräfte (EUTM), an der derzeit zehn Bundesheersoldaten teilnehmen übernehmen.

Am Abend treffen dann die EU-Außenminister mit den EU-Verteidigungsministern, darunter auch Ressortchefin Klaudia Tanner (ÖVP), zusammen. Bei dem „Jumbo-Rat“ steht der sogenannte Strategische Kompass, eine Art sicherheits- und verteidigungspolitische Doktrin für die EU, im Mittelpunkt. Darunter fällt auch die Einrichtung einer schnellen militärischen Eingreiftruppe der EU, die aus bis zu 5.000 Soldaten bestehen soll.

Diskussionen über den Aufbau einer neuen Eingreiftruppe gibt es in der EU bereits seit längerem. Sie wurden zuletzt durch die militärische Abhängigkeit von den USA beim Evakuierungseinsatz in Afghanistan noch einmal befeuert. Deutschland hatte mit vier weiteren EU-Staaten vorgeschlagen, die bisher nie eingesetzten Battle Groups weiterzuentwickeln. Tanner begrüßte jüngst den Vorschlag, warnte aber gleichzeitig vor „Doppelgleisigkeiten“.

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