Budgetdebatten-Start mit Generalkritik versus Generallob
Mit Generalkritik seitens der Opposition und Generallob der Regierungsfraktionen starteten am Dienstag im Nationalratsplenum die Budgetberatungen. Drei Tage lang werden die einzelnen Kapitel durchgearbeitet, ehe am Donnerstag über das Zahlenwerk von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) abgestimmt wird. Vorgesehen ist ein deutlicher Rückgang des gesamtstaatlichen Defizits auf 2,3 Prozent - was mit der wieder deutlich verschlechterten Corona-Lage allerdings fraglich ist.
Zum Auftakt stand das - mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und der FPÖ angenommene - Budgetbegleitgesetz am Programm, das u.a. die höheren Umweltförderungen und das Gewaltschutzpaket beinhaltet. Genutzt wurde die Debatte für eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Gesamtbudget und der darin abgebildeten ökosozialen Steuerreform.
Für SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hat die Regierung die Chance verpasst, gegen die „großen Krisen anzugehen“ - also eine Teuerungsbremse einzuziehen und die durch Corona vergrößerte soziale Schieflage zu korrigieren. Das Leben der Menschen werde teurer, der Finanzminister nehme mehr und mehr Steuern ein - und senke damit die Gewinnsteuern für Großkonzerne anstatt angesichts der steigenden Preise eine „echte, rückwirkende Steuerreform“ umzusetzen. In einem - von Klubchef-Vize Jörg Leichtfried eingebrachten - Entschließungsantrag unterstrich die SPÖ ihre Forderungen für eine „Teuerungsbremse“ u.a. mit sofortiger Lohnsteuersenkung, Halbierung der Mehrwertsteuer für Strom und Gas sowie 300 Euro „Winterzuschuss“ für Einkommensschwache.
ÖVP-Budgetsprecher Abg. Gabriel Obernosterer trat der Kritik entgegen: Es sei „verwunderlich, wie man Zahlen verdrehen kann“, befand er. Mit dem Budget habe die Regierung in den schwierigen Zeiten der Pandemie Österreich stabilisiert. Sie habe in der Krisenzeit investiert, mehr als 40 Mrd. Euro seien für Corona-Hilfen geflossen - und jetzt würden vor allem Bezieher kleiner Einkommen, Pensionisten und Unternehmen entlastet. Mit der ökosozialen Steuerreform zeige das Budget in die Zukunft. Als großen Erfolg rühmte Obernosterer, dass die Schuldenquote nicht wie prognostiziert auf 89 Prozent steigen, sondern auf 79 Prozent heruntergehen werde.
FPÖ-Budget- und Finanzsprecher Hubert Fuchs überzeugte das nicht. Aus seiner Sicht hat der Finanzminister „Realitätsverweigerung“ betrieben. Mitten in der vierten Welle tue die Regierung so, als ob es Corona nicht gäbe. Das Budget basiere auf „fragwürdigen Einschätzungen“, Türkis-Grün habe auf einen „wolkenlosen Konjunkturhimmel gesetzt“ - mit einer Prognose, die von keinen wesentlichen Beeinträchtigungen durch die Pandemie ausgehe. Dabei koste der aktuelle Lockdown für Ungeimpfte täglich 41 Mio. Euro. Das Budget sei „bereits vor dem Inkrafttreten Makulatur und hat mit der Realität nichts zu tun“, befand Fuchs - und kritisierte speziell auch die ökosoziale Steuerreform als „größte Mogelpackung der Zweiten Republik“, weil sich die Steuerzahler die Entlastung über die Kalte Progression und die CO2-“Strafsteuer“ selbst bezahlen würden.
Höchst zufrieden gerade mit der ökosozialen Steuerreform ist die Grüne Klubchefin Sigrid Maurer. Die Grünen seien angetreten, um den Klimaschutz ins Zentrum der Regierungspolitik zu stellen - und danach sei das Budget ausgerichtet. Die Steuerreform sei „sicher das absolute Gegenteil von asozial“. Denn vom Klimabonus würden eindeutig die Menschen mit den niedrigsten Einkommen am stärksten profitieren. Gleichzeitig zeige das Budget Verantwortung für Demokratie und Rechtsstaat, etwa mit dem „größten Gewaltschutzpaket, das es jemals gab“ - und auch Verantwortung für ein gutes Miteinander, etwa mit dem Pflege-Ausbildungsfonds.
Völlig anders war der Befund von NEOS-Vizeklubchef Nikolaus Scherak: Das Budget sei bei weitem „nicht das Beste aus beiden Welten“ - also von Türkis und Grün -, sondern der Ausdruck „reiner Schlagzeilenpolitik ohne echten Reformwillen“, gezeichnet von „reiner Zukunftsvergessenheit“. Die Regierung habe nur „eine enttäuschende Verlängerung des Status Quo“ vorgelegt. Das Budget bringe keine echte nachhaltige Entlastung - und der Mut zu wirklichen Reformen fehle. So werde das Steuersystem nicht wirklich ökologisiert, denn mit der Beibehaltung aller umweltschädlichen Förderungen würden die Lenkungseffekte „in der Sekunde wieder verpuffen“.
Unbeeindruckt von der Oppositionskritik zeigte sich Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). „Wir sorgen für Aufschwung, Stabilität und Nachhaltigkeit“, lobte er das Budget für 2022. Es sei klar, dass die Pandemie eine große Herausforderung darstellt und man in der aktuellen Situation „wahrscheinlich noch weitere Hilfen brauchen wird“. Dafür sei mit fünf Mrd. Euro und den nötigen Mitteln für die bis Juni 2022 verlängerte Corona-Kurzarbeit im Budget auch vorgesorgt. Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker merkte dann auch an, dass das Budget von „starken Unsicherheiten“ geprägt sein werde.
Insgesamt sei es mit dem Budget gelungen, vier Ziele zu erreichen, betonte wiederum Blümel: Arbeitende Menschen zu entlasten, Anreize für umweltfreundliches Verhalten zu setzen, den Wirtschaftsstandort nachhaltig zu stärken und die Schuldenquote Schritt für Schritt zu senken, um für die nächste Krise vorzusorgen.
Ruhig verlief die Debatte zum ersten Budgetkapitel Oberste Organge ab. Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker meinte, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln gebe es eine gute Basis, dass der Rechnungshof seine Vorhaben umsetzen könne. Gleiches nahm Walter Rosenkranz für die Volksanwaltschaft an, wobei er anmerkte, dass man dafür die Rücklagen angreife.
Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) betonte, dass auf den Bereich der Integration auch in diesem Budget gesetzt werde. Ein Schwerpunkt liege dabei auf den Sprach- und Integrationskursen. Zudem würden die erhöhten Mittel für die Volkskultur aus dem Vorjahr fortgeschrieben.
Staatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) stellte dem Öffentlichen Dienst einen guten Abschluss in den gerade laufenden Gehaltsverhandlungen in Aussicht. Eine solche „hohe Wertschätzung“ sei angebracht, sei es doch dem Öffentlichen Dienst zu danken, dass der Staat trotz 20 Monaten Pandemie, Homeoffice und weniger Personal funktioniere, sagte Mayer - in Vertretung von Beamtenminister Werner Kogler (Grüne), der sich wegen eines Corona-kranken Mitarbeiters ins Homeoffice zurückgezogen hat.