Lage an polnisch-belarussischer Grenze beruhigt
Belarus hat nach Angaben der polnischen Regierung damit begonnen, die am geschlossenen Grenzübergang Kuznica-Brusgi campierenden Migranten mit Bussen an einen anderen Ort zu bringen. „Ich habe die Information bekommen, dass Lukaschenko erste Busse bereitgestellt hat, in die die Migranten einsteigen und wegfahren. Das Zeltlager bei Kuznica leert sich“, sagte Polens Vize-Innenminister Maciej Wasik am Dienstag dem Sender TV Republika.
„Es sieht danach aus, dass Lukaschenko diese Schlacht um die Grenze verloren hat.“ Staatsnahe belarussische Medien veröffentlichten Videos von vier Reisebussen. Diese sollten einige der Migranten „an andere Orte“ bringen, hieß es unter Berufung auf das Rote Kreuz. So solle vermieden werden, dass es in dem neuen Nachtlager zu voll werde. Nach Schätzungen des polnischen Grenzschutzes von Dienstag sind bei Kuznica rund 2000 Migranten zusammengekommen.
Am Dienstag war es bei Kuznica zu Auseinandersetzungen zwischen Flüchtlingen und polnischen Sicherheitskräften gekommen. Polen setzte Wasserwerfer ein. Die Migranten warfen nach polnischen Angaben mit Steinen, Flaschen und Erdklumpen. Sie seien außerdem mit Knallgranaten und Steinschleuder ausgerüstet gewesen. Sieben Polizisten, ein Grenzschützer und ein Soldat wurden demnach verletzt. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen, da Polen keine Medien in die Grenzregion hineinlässt. Der Sprecher des Koordinators der polnischen Geheimdienste, Stanislaw Zaryn, sprach von einer „koordinierten Attacke gegen die polnische Grenze“.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow verurteilte das Vorgehen der polnischen Sicherheitskräfte als „absolut inakzeptabel“. Nach seinen Angaben feuerten diese auch „Schüsse über die Köpfe von Migranten hinweg in Richtung Belarus“ ab.
Die Regierung in Minsk warf Warschau vor, für die Gewalteskalation verantwortlich zu sein. Von der polnischen Seite seien „direkte Provokationen und unmenschliche Behandlung“ der „benachteiligten“ Menschen an der Grenze ausgegangen, erklärte Außenamtssprecher Anatoli Glas.
Kritik gab es unterdessen an den Vermittlungsversuchen von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron. Merkel hatte am Montagabend angesichts der Not der Migranten mit Lukaschenko telefoniert. Er persönlich habe sich über das Gespräch mit Alexander Lukaschenko gewundert, denn dies sei „in gewisser Weise die Akzeptanz seiner Wahl“, sagte der polnische Regierungssprecher Piotr Müller am Mittwoch. Er verstehe die Situation, glaube aber, dass es kein guter Schritt sei.
Estlands Außenministerin Eva-Maria Liimets verriet im estnischen Staatsfernsehen ETV Details aus dem Telefonat von Merkel mit Lukaschenko: „Er will ein Ende der Sanktionen und die Anerkennung als Staatschef“, antwortete Liimets am Dienstag auf die Frage, welche Forderungen Lukaschenko für eine Beendigung der Migrationskrise an der EU-Außengrenze stelle. Ebenfalls am Montag führte Macron ein langes Telefonat mit Putin über die Rolle, die Russland bei einer Lösung des Konflikts spielen könnte.
Estland seinerseits kündigte ein Manöver an seiner Grenze zu Russland an und will dort einen Stacheldrahtzaun errichten. Damit reagiere man auf die eskalierende Flüchtlings-Krise in Belarus, teilte die Regierung in Tallinn am Mittwoch mit. Das Manöver werde 1.700 Soldaten umfassen.
An Polens Grenze zu Belarus harren auf der belarussischen Seite seit mehreren Tagen Tausende Migranten bei Temperaturen um den Gefrierpunkt in provisorischen Camps aus. Die polnische Regierung und die EU werfen dem autoritären belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, gezielt Menschen aus Krisenregionen einfliegen zu lassen, um sie dann in die EU zu schleusen.