400 Anzeigen bei Anti-Corona-Demos am Samstag in Wien

Am Tag nach der Großdemonstration gegen die Corona-Maßnahmen, die Impfpflicht und den Lockdown in Wien hat die Polizei Bilanz gezogen. Demnach wurden 400 Anzeigen erstattet, 36 davon aus strafrechtlichen Gründen, zwölf davon nach dem Verbotsgesetz. Sechs Personen wurden festgenommen. Zwei Polizisten wurden leicht verletzt, sagte der Wiener Landespolizeivizepräsident Franz Eigner. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sprach von teils „aufgeheizter und aggressiver Stimmung“.

Um eine Eskalation zu verhindern, habe sich die Polizei auch zurückgezogen, erläuterte Eigner. Laut Polizei waren am Samstag 40.000 Menschen durch die Innenstadt gezogen, laut Veranstalter FPÖ 100.000. Dass die Großkundgebung schließlich friedlich blieb, sei „dem umsichtigen Einsatz der Polizistinnen und Polizisten zu verdanken“, deren Einschreiten sei „verhältnismäßig und professionell gewesen“, bedankte sich Nehammer bei den Beamten. 1.400 waren im Einsatz gewesen.

Der Innenminister befürchtet eine weitere Radikalisierung der Gegner der Corona-Maßnahmen. Er berichtete am Sonntag von „Morddrohungen gegen den Gesundheitsminister und den Bundeskanzler“. „Es zeigt sich, dass bei denen, die die Maßnahmen ablehnen, ein Teil offensichtlich dabei ist, sich noch stärker zu radikalisieren“, sagte der Innenminister. In dieser Stimmungslage habe am Samstag die Großdemonstration stattgefunden, an der „extrem unterschiedliche Gruppe an Menschen teilgenommen haben“, darunter waren „besorgte Bürgerinnen und Bürger“, aber auch Personen aus der rechtsextremen Szene und altbekannte Neonazis, sagte der Innenminister. Außerdem hätten sich „gewaltbereite Hooligangruppen einzelne Scharmützel mit der Polizei geliefert“, berichtete Nehammer. Menschen aus der rechtsextremen Szene hätten versucht, „die Demos zu kapern und für ihre Zwecke zu missbrauchen“, sagte der Innenminister.

Nehammer verurteilte die Verharmlosung des Holocaust durch Demonstranten, die mit einem „Judenstern unterwegs waren, wo draufstand ‚ungeimpft‘“. Außerdem sei Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) mit dem KZ-Arzt Josef Mengele verglichen worden. Mengele hatte während des Nazi-Regimes Juden durch medizinische Versuche umgebracht. „Das ist inakzeptabel und führt zu strafrechtlichen Verfolgungen“, bekräftigte Nehammer.

Mehrfach waren bei der Demo auch Journalisten und Kamerateams angepöbelt und attackiert worden, mehrere Medien stellten ihren Mitarbeitern Securitys zur Seite. Eigner berichtete bei der Pressekonferenz am Sonntag in Wien von einem Fall, bei dem ein Journalist angegriffen wurde. „Der Täter wurde Stunden später wiedererkannt und zur Anzeige gebracht“, erläuterte Eigner. Der Landespolizeirektion ist zumindest ein weiterer Fall bekannt. Am Ballhausplatz wurde ein Kameramann attackiert und verletzt, Polizisten schritten ein und zeigten drei Personen wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung an.

Wirkliche Gewaltexzesse habe es nicht gegeben, „die wenigen, die dennoch versucht haben, die Polizei anzugreifen, haben ein hohes Maß an Aggressivität an den Tag gelegt“, berichtete Eigner. So wurden Polizisten mit einer unbekannten Flüssigkeit besprüht, ein Demo-Teilnehmer soll versucht haben, einem Beamten die Dienstwaffe zu entreißen, ein Beteiligter des Demozugs soll versucht haben, einen Polizeihubschrauber-Piloten mit einem Laser der Klasse 3 zu blenden.

Der Landespolizeivizepräsident sprach selbst von „wenigen Anzeigen“. Der Großteil erfolgte, weil die Teilnehmer nicht die verpflichtende FFP2-Maske trugen. Hier hätten die Beamten darauf hingewirkt, dass die Menschen die Masken aufsetzten und bei Nichteinhaltung Anzeigen erstattet. „Dabei haben wir festgestellt, dass die Stimmung relativ knapp am Kippen ist und uns zurückgezogen“, erläuterte Eigner. Deshalb sei in weiterer Folge auf die Ahndung der Verwaltungsübertretung verzichtet worden.

Der Landespolizeivizepräsident erläuterte, dass Veranstaltungen gestattet sind, wenn es keine Untersagungsgründe wie beispielsweise eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gibt. 25 Versammlungen waren für den Samstag angezeigt worden, fünf hätte die Polizei untersagt, „sehenden Auges, dass sich die Anzeiger natürlich nicht daran halten und die Versammlung trotzdem abhalten werden“, sagte Eigner. Die Polizei habe auch eine Einschätzung der Gesundheitsbehörde eingeholt, „unterm Strich kam raus, wir müssen die Versammlungen zulassen“, erläuterte der Polizist. Im Vorfeld habe es im Internet massive Gewaltaufrufe gegeben, der Polizei sei bewusst gewesen, dass sie deeskalierend einschreiten müsse, „ansonsten könnte uns die Situation relativ rasch entgleiten“. Bereits jetzt seien die Polizisten einer hohen Belastung ausgesetzt und würden „Überstunden ohne Ende“ machen.

Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung halte sich an die Corona-Maßnahmen und sei „fassungslos, wenn sie die Bilder der Großdemonstration sehen“, sagte Nehammer. Das Versammlungsrecht sei in der Verfassung verankert und ein „starkes Grund- und Freiheitsrecht“. Bei der Demonstration hätten viele Teilnehmer Schilder mit dem Wort „Freiheit“ hochgehalten. Gerade denen, die diese Schilder tragen, sollte im Dialog klargemacht werden, dass der „Weg in die echte Freiheit die Impfung ist“, bekräftigte der Innenminister. Er forderte ungeimpfte Menschen auf, sich immunisieren zu lassen, „für die Freiheit, die wir alle in diesem Land uns verdient haben und wo es keine Beschränkungen mehr gibt“.

Die FPÖ sah sich in einer Aussendung durch das Resümee von Nehammer und Eigner darin bestätigt, „welch ein gigantisches, friedliches und starkes Zeichen für Freiheit und Menschenwürde sowie gegen Schikane, Demütigung und Willkür am Samstag in Wien von bis zu 100.000 Menschen gesetzt wurde“, meinte FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer. Er bedankte sich bei den Polizisten und den friedlichen Teilnehmern der Demonstration.

Bei der Pressekonferenz hatte Eigner erläutert, wie die Exekutive auf die Zahl von 40.000 Teilnehmern gekommen war. Vom Polizeihubschrauber aus seien Luftbildaufnahmen erstellt worden. Der Demozug um den Ring sei ungefähr vier Kilometer lang gewesen, je nach Dichte haben auf einem Quadratmeter zwei, drei oder vier Menschen platz, so haben man die 40.000 Personen errechnet und sei damit sicher „relativ nah an der Zahl der tatsächlichen Teilnehmer“, betonte Eigner.

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