Paris und London ringen um härteren Kurs gegen Schlepper
Nach dem Tod von mindestens 27 Menschen beim Untergang eines Bootes mit Migranten im Ärmelkanal will Großbritannien härter gegen Schlepper vorgehen. Innen-Staatssekretär Kevin Foster sagte am Donnerstag in der BBC, die Regierung sei entschlossen, das Geschäftsmodell der Menschenschmuggler zu zerstören. Dazu sei ein gemeinsamer europäischer Ansatz nötig. Am Mittwoch war ein Boot mit Migranten, die illegal nach Großbritannien einreisen wollten, gekentert.
„Wir sind bereit, Unterstützung auf dem Boden zu bieten. Wir sind bereit, Ressourcen zu bieten. Wir sind bereit, Personal zu schicken und den französischen Behörden zu helfen“, sagte Foster. Zuvor hatte Premierminister Boris Johnson gemeinsame Patrouillen an der französischen Küste gefordert. „Ich verstehe die Schwierigkeiten, mit denen alle Länder konfrontiert sind, aber wir wollen jetzt mehr gemeinsam tun - und das ist unser Angebot“, sagte Johnson.
„Großbritannien und Frankreich müssen zusammenarbeiten“, sagte Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin im RTL-Fernsehen. „Wir müssen aufhören die einzigen zu sein, die gegen Schlepper kämpfen.“ Belgien, die Niederlande und Deutschland müssten stärker einbezogen werden und die Ermittlungen besser unterstützen. „Der Schlepper, den wir heute Nacht festgenommen haben, hatte deutsche Kennzeichen“, sagte Darmanin. „Er hat diese Schlauchboote in Deutschland gekauft.“
Großbritannien hat Frankreich wiederholt vorgeworfen, zu wenig zu tun, um die Überfahrten zu verhindern. In diesem Jahr sind bereits etwa 26.000 Migranten aus Frankreich an der englischen Küste angekommen - drei Mal so viele wie im gesamten Vorjahr.
Die Zahl der Asylanträge in Großbritannien ist auf den höchsten Stand seit gut 17 Jahren gestiegen. 37.562 Menschen hätten in den zwölf Monaten bis September Asyl erbeten, teilte das Innenministerium in London am Donnerstag mit. Das ist fast ein Fünftel mehr als im Vorjahreszeitraum und zudem leicht über der Zahl vom Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung 2015/16. Mehr Anträge wurden zuletzt in den zwölf Monaten bis Juni 2004 gestellt. Mit Stand Ende September 2021 warteten 67.547 Menschen auf eine Entscheidung über ihren Asylantrag, wie das Ministerium weiter mitteilte. Das sind 41 Prozent mehr als zum Vorjahreszeitpunkt und die höchste je ausgewertete Zahl.
Die britische Regierung hat nach dem Brexit die Einwanderungsregeln deutlich verschärft. Menschenrechtler kritisieren, dass es seitdem kaum noch Möglichkeiten für Flüchtlinge gibt, legal ins Land zu kommen
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Johnson hatten noch am Mittwochabend über Schritte zur Verhinderung weiterer solcher Dramen beraten. Beide hätten sich auf verstärkte Anstrengungen verständigt, Schlepperbanden zu stoppen, die das Leben von Menschen in Gefahr bringen, teilte die britische Seite anschließend mit.
Macron äußerte nach Angaben des Elysée-Palastes in Paris die Erwartung, dass die Briten zu Zusammenarbeit bereit seien und das Flüchtlingsdrama nicht zu politischen Zwecken instrumentalisierten. „Frankreich wird nicht zulassen, dass der Ärmelkanal zu einem Friedhof wird“, hatte Macron bereits am Abend gesagt.
EU-Parlamentspräsident David Sassoli zeigte sich am Donnerstag über das Schiffsunglück Mittwoch bestürzt. Er rief zum entschlossenen Handel auf, damit sich Tragödien dieser Art nicht mehr ereignen. „Gestern starben mindestens 27 Menschen im Ärmelkanal. Dies ist die jüngste in einer langen Reihe von Tragödien in den Meeren rund um Europa. Heute trauern wir um die Opfer, aber wir müssen auch handeln, um sicherzustellen, dass sich so etwas nicht wiederholt“, so Sassoli.