ÖHB-Frauen wollen nach Charaktersieg und Corona-Schock mehr

Dem Corona-Schock haben Österreichs Handballfrauen am Donnerstag ein ebenso beherztes wie erfolgreiches Comeback auf internationaler Bühne folgen lassen. Mit dem klaren 38:27-Erfolg über China legte Rot-Weiß-Rot bei der WM in Spanien im ersten Endrundenspiel seit zwölf Jahren zugleich den Grundstein zum Hauptrundenaufstieg. Man scheint doppelt motiviert, gegen Argentinien am Samstag wieder in Torrevieja (18.00 Uhr/live ORF Sport +) einen weiteren Coup zu landen.

„Es war ein absoluter Charaktersieg, überragend, sensationell“, schwärmte „Einspringer“, Helfried Müller, der seinen wegen Corona in Wien zurückgebliebenen Bruder Herbert als Trainer vertrat. Die Geschehnisse in den Tagen und Stunden davor dürfen im Rahmen der sportlichen Herausforderung getrost als Drama bezeichnet werden. Erst konnten mit Herbert Müller, dessen „Co“ Erwin Gierlinger und Katarina Pandza drei Mitglieder der ÖHB-Delegation wegen Corona am Dienstag den Abflug nach Spanien nicht antreten. Dann durfte die „freigetestete“ Pandza nachkommen und schließlich auch spielen. Zwei Stunden vor der Partie war aber klar, dass mit Torfrau Petra Blazek, Sonja Frey, Stefanie Kaiser und Nina Neidhart vier Stammspielerinnen coronabedingt nicht aufs Spielprotokoll durften.

„Es war eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Schlimmeres kann dir eigentlich nicht passieren“, meinte Rückraumspielerin Patricia Kovacs, eine von zwölf noch „Übriggebliebenen“. Neun negativ getestete Spielerinnen schreibe das Regularium der IHF für einen Antritt vor, erklärte ÖHB-Generalsekretär Bernd Rabenseifner. Ein Nichtantreten sei von ihm und Präsident Markus Platzer kurz überlegt, schließlich aber ad acta gelegt worden, „weil es sich die Mannschaft einfach verdient hat“. „Bei einem negativen Test geht das Ansteckungsrisiko (am selben Tag, Anm.) eigentlich gegen null“, ergänzte dazu Sportdirektor Patrick Fölser.

Die großteils junge, jedenfalls Endrunden unerfahrene Truppe zeigte sich schließlich unbeeindruckt und fertigte die Asiatinnen souverän ab. „Es war am Feld ein bisschen anders, weil man umso mehr gewinnen wollte - für die anderen“, erzählte Kovacs, die in die eigentlich Blazek zukommende Kapitänsrolle schlüpfen musste. „Es war schwer für mich, ich kann Petzi (Blazek, Anm.) nicht ersetzen.“ Doch die Ungarn-Legionärin führte ihre Truppe souverän. „Gerade mental hatten wir am Anfang Schwierigkeiten, aber dann ist dieses ‚jetzt erst recht‘ gekommen.“

Blazek, so wie die anderen des „Corona-Quartetts“ inzwischen in einem Einzelzimmer untergebracht, fand nur lobende Worte für ihre Kolleginnen. „Ich bin stolz auf die Mannschaft. Besonders bin ich von unserer mentalen Stärke aber auch von unserem Angriffsspiel und unserer Trefferquote beeindruckt“, sagte die 34-Jährige. Gesundheitlich sei man jedenfalls einigermaßen gut beisammen. „Es gibt bei uns keine größeren Symptome bis auf Kopf- und Gliederschmerzen. Mental geht es uns natürlich nicht gut.“ Der ÖHB hofft auf eine Freitest-Möglichkeit nach fünf Tagen, die spanische Rechtslage sieht das aber offenbar nicht vor. Man stehe diesbezüglich in Kontakt mit der IHF.

Herbert Müller fühlt sich inzwischen schon wieder auf dem Weg der Besserung („Ich habe das Gefühl, über den Gipfel hinwegzusein. Ich bin aber immer noch schlapp und müde“), da kam der Sieg am Donnerstag gerade recht. Der Deutsche Langzeitcoach zeigte sich begeistert von der Vorstellung. „Ich bin megastolz. Die Art und Weise wie sie Ausfälle von vier absoluten Leistungsträgerinnen weggesteckt haben, das ist alles andere als selbstverständlich. Wir mussten auf das Schlimmste vorbereitet sein. Es war taktisch super, die Abwehr war sehr gut, sie haben das hervorragend gelöst. Der Sieg war hochverdient, in dieser Höhe aber überraschend.“

Nun wartet mit den Argentinierinnen zumindest ein Team, das man - im Gegensatz zu China - von aktuellem Videomaterial sowie der 13:29-Auftaktniederlage gegen Gastgeber Spanien kennt. „Sie sind ähnlich wie Portugal“, befand Herbert Müller, dessen Team in der Vorwoche den Portugiesinnen in den letzten Tests 25:26 bzw. 30:31 jeweils sehr knapp unterlagen war. „Die Kampfkraft und das Zweikampfverhalten unterscheiden die Argentinierinnen in erster Linie von den Chinesinnen. Speziell die Rückraumspielerinnen links und recht sind brandgefährlich. Wir müssen die Abwehr aktiver als gegen China schalten, um sie zu Fehlwürfen zu zwingen.“

Müller hoffte, „dass die Mannschaft sich noch einmal so motivieren kann wie gegen China“, die Personalmisere „schützt ja nicht vor Leistung“. Im Falle eines weiteren Erfolgs würde man zudem mit zwei Punkten in die Hauptrunde - Zähler gegen den Gruppenletzten werden nicht mitgenommen - aufsteigen. Und als wären die vergangenen Tage nicht schon verrückt genug gewesen: „Das wäre der pure Wahnsinn“.

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