Weitere Massenfestnahmen in kasachischer Stadt Almaty
In der von den jüngsten Anti-Regimeprotesten besonders betroffenen kasachischen Stadt Almaty sind knapp 1.700 weitere Menschen festgenommen worden. Es handle sich um Plünderer und andere Verbrecher, berichteten kasachische Medien am Mittwoch unter Berufung auf die Stadtverwaltung in der Millionenmetropole im Südosten des zentralasiatischen Landes. Die Zahl der Festnahmen wurde landesweit zuletzt mit insgesamt rund 10.000 angegeben.
Menschenrechtler mahnten, die autoritär geführte Ex-Sowjetrepublik müsse faire Prozesse gewährleisten. Die Lage in Kasachstan schien sich nach der brutalen Niederschlagung der Proteste zuletzt wieder zu stabilisieren. In Almaty, der größten Stadt des Landes, patrouillieren gepanzerte Militärfahrzeuge, zudem gebe es Berichte über Scharfschützen auf den Dächern, erzählte die Kasachin Zalina der APA am Dienstag. Eine Protestbewegung scheine angesichts der Massenfestnahmen nicht aktiv zu sein, vielmehr habe die Repression begonnen, berichtete sie.
Die USA pochen unterdessen auf einen baldigen Abzug der von Russland angeführten Truppen aus Kasachstan. Washington begrüße es, dass der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew den Einsatz des Militärbündnisses OVKS in seinem Land für beendet erklärt habe, sagte US-Außenamtssprecher Ned Price am Dienstag (Ortszeit) in Washington. Die US-Regierung rufe die Soldaten des Bündnisses auf, der Bitte Tokajews nachzukommen, Kasachstan „umgehend zu verlassen“.
Tokajew hatte am Dienstag angekündigt, dass am Donnerstag ein schrittweiser Abzug der OVKS-Truppen beginnen werde. Die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS), in der neben Russland und Kasachstan vier weitere ehemalige Sowjetrepubliken verbündet sind, hatte nach den Massenprotesten in der vergangenen Woche auf Bitten Tokajews mehr als 2.000 Soldaten nach Kasachstan entsandt. Die US-Regierung hatte angesichts der Truppenentsendung gewarnt, dass es für Kasachstan schwierig werde, den russischen Einfluss zurückzudrängen.
Auslöser der massiven Proteste in der rohstoffreichen Ex-Sowjetrepublik vergangene Woche waren gestiegene Gaspreise. Später weiteten sich die Proteste zu regierungskritischen Demonstrationen und Unruhen im ganzen Land aus. Mehr als 160 Menschen wurden laut einer später allerdings gelöschten Meldung des Staatsfernsehens getötet, Hunderte weitere verletzt. Experten gehen davon aus, dass Tokajew die Krise auch dafür nutzte, um seinen Vorgänger, den einflussreichen Ex-Langzeit-Präsidenten Nursultan Nasarbajew, vollends zu entmachten. Weiter unklar ist aber, wer die bewaffneten Randalierer waren, die insbesondere in Almaty Verwaltungsgebäude und Polizeidienststellen stürmten. Tokajew hatte die Unruhen als „versuchten Staatsstreich“ organisierter „terroristischer“ Kräfte verurteilt.
„Die Menschen versuchen hauptsächlich, das Geschehene zu verarbeiten und unsere körperlichen und geistigen Verluste zu betrauern“, sagte Zalina zur aktuellen Lage. Nun scheine sich das Leben in Almaty wieder zu normalisieren. So habe am Dienstag der Zugang zum Internet, der um 6.00 Uhr in der Früh freigeschaltet worden war, im Gegensatz zum Vortag um 13.00 Uhr noch funktioniert. „Die Leute gehen in Lebensmittelgeschäfte, die geöffnet haben, um Essen zu besorgen, überall gibt es Schlangen. Wir erhalten immer wieder Informationen aus den Nachrichten über die Verhaftung von Journalisten. Es gibt ein Gefühl von emotionaler Erschöpfung“, erzählt die Frau aus der ehemaligen Hauptstadt.
Zuerst seien die Leute als Solidarität mit den Menschen in Schanaosen in der Region Manggystau im Westen des Landes auf die Straßen gegangen, die gegen die Verdoppelung der Preise für Flüssiggas protestierten. Proteste von Ölarbeitern in Schanaosen wurden schon 2011 unter dem damaligen Präsidenten Nursultan Nasarbajew brutal niedergeschlagen - laut Menschenrechtsaktivisten starben damals über 70 Menschen - „daher wollten wir, dass sich das nicht wiederholt“, so Zalina.
Manggystau ist etwa doppelt so groß wie Österreich und unglaublich reich an Gas und Öl. Die Mehrheit der Bevölkerung müsse jedoch von Niedriglöhnen leben, erzählt Zalina. Schnell hätten die Demonstranten daher auch demokratische politische Reformen und die Aufnahme eines Dialogs mit den Behörden gefordert. „Während es im westlichen Teil Kasachstans Anführer gab, die bei den Protesten auftraten, war es in der 1,8-Millionenmetropole Almaty eher unorganisiert und hektisch ohne erkennbare Anführer. In Almaty wurden die friedlichen Demonstranten beschossen und mit Blendgranaten beworfen.“ Sie glaube daher nicht, dass die Leute wieder protestieren.