Ludwig für Pelinka „wahrscheinlich“ idealer Spitzenkandidat
Für den Politologen und intimen SPÖ-Kenner Anton Pelinka wäre Wiens Bürgermeister Michael Ludwig „wahrscheinlich“ der ideale rote Spitzenkandidat bei der nächsten Nationalratswahl. Dieser sei die „große, positive Überraschung“ der vergangenen Jahre. „Aber fast sicher wird er es nicht werden wollen“, schränkte Pelinka im APA-Gespräch ein. Der Experte hielt es für „sehr wahrscheinlich“, dass Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner SPÖ-Spitzenkandidatin werden wird.
Ludwig habe es geschafft, eine „Punze loszuwerden“, nämlich jene des „Mannes von vorgestern aus dem Flächenbezirk Floridsdorf“ und sei quasi zum „schillernden Intellektuellen“ emporgestiegen. „Er wurde zur beherrschenden Figur der SPÖ und der österreichischen Innenpolitik“, fand Pelinka rundum nur lobende Worte. Und der Wiener Bürgermeister sei „klug genug, Rendi-Wagner zu unterstützen, weil er nicht will, dass man sagt: ‚Dann mach es doch selber‘“.
Rendi-Wagner könnte auch eine große, positive Überraschung sein - „würde man sie lassen“, meinte der Politikwissenschaftler, der über Jahrzehnte an der Universität Innsbruck lehrte. „Sie hat nicht unbedingt die besten Berater. Aber dafür ist sie natürlich auch selbst verantwortlich“, konstatierte der 80-Jährige. Zum Nachteil gereiche Rendi-Wagner zudem innerparteilich nach wie vor, dass sie quasi als rote Erbin von Ex-Bundeskanzler Christian Kern gelte, der sich mit der Art seines Abgangs nicht gerade viele Freunde gemacht habe. Zudem sei sie erste einige Jahre vor der Übernahme der Parteiführerschaft Parteimitglied geworden. „Bruno Kreisky ist für die Partei im Gefängnis gesessen“, zog der Politologe einen zugespitzten, historischen Vergleich.
Aber die Situation der SPÖ sei derzeit gar nicht einmal so schlecht, befand Pelinka. Und somit habe auch Rendi-Wagner alle Chancen. Dies zeige das Beispiel von Deutschlands SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz: „Rendi-Wagner kann der weibliche Olaf Scholz werden“, so der SPÖ-Kenner. Scholz hätten die meisten Beobachter noch wenige Monate vor der Bundestagswahl keine Chance auf die Kanzlerschaft gegeben. „Er hat nichts anderes gemacht, als wie ein Indianer am Ufer des Flusses zu sitzen und zu warten, bis die politischen Leichen vorbei schwimmen“, so Pelinka. Ein ähnliches, mögliches Szenario sah er auch bei Rendi-Wagner und spielte etwa auf das Beispiel des abgetretenen ÖVP-Kanzlers Sebastian Kurz an. Die Bundesparteivorsitzende sei überdies „kämpferisch“ und „eloquent“, sah Pelinka durchaus einiges an politischem Potenzial.
Den Stern eines ihrer steten innerparteilichen Kritikers, jenen von Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, sah der Politik-Experte indes im Sinken begriffen. Dessen Chancen auf die Spitzenkandidatur bei der Nationalratswahl seien sehr gering. Der Landeschef werde von vielen in der Partei als „extrem unsolidarisch“ und als „pannonischer Eigenbrötler“ wahrgenommen.
Auch die politische Richtung, die mit Doskozil in Verbindung gebracht wird, hält Pelinka für nicht mehr zeitgemäß und langfristig erfolgversprechend: „Doskozil erweckt den Eindruck, als gäbe es noch eine Gesellschaft wie vor 50 Jahren. Eine Doskozil-SPÖ wäre eine SPÖ von gestern. Es gibt kein Proletariat mehr. Mit dieser Politik kann man vielleicht noch im Burgenland bei Wahlen gut abschneiden. Es ist nicht zufällig, dass das Burgenland das einzige österreichische Bundesland ohne urbanen Großraum ist“.
Doskozil wäre ein Signal in Richtung einer möglichen Koalition mit der FPÖ. „Doch dann würde es die SPÖ zerreißen“, war sich Pelinka sicher. Alles, was der burgenländische Landeshauptmann politisch vertrete, „würde die FPÖ auch unterschrieben, mit Ausnahme der Pandemie-Politik“. Dies wäre daher auch wählertechnisch ein „Nullsummenspiel“.
Offen und nicht beantwortet bleibt für Pelinka weiter die Frage, welche Partei die SPÖ eigentlich künftig sein will. Strebe sie weiter an, die Partei der sozial Schwächeren zu sein, müsse sie jene über eine Million Menschen im Auge haben, die wegen des erschwerten Zugangs zur Staatsbürgerschaft in Österreich gar nicht wählen dürfen. „Hier hat die Sozialdemokratie bisher grandios versagt. Auch Rendi-Wagner hat darauf bisher keine Antwort gegeben“. Er rate der Partei, hier kurzfristiges taktisches Denken hintanzuhalten und stattdessen eine langfristige Strategie zu entwickeln, um diese Menschen anzusprechen und so auch langfristig zu profitieren: „Man müsste kurzfristige Nicht-Gewinne oder Verluste in Kauf nehmen, um langfristig zu gewinnen“.