Blinken ruft Moskau in Ukraine-Krise zu Truppenabzug auf

US-Außenminister Antony Blinken hat Russland in einem Telefonat mit seinem Amtskollegen Sergej Lawrow zu einem sofortigen Abzug der an den Grenzen zur Ukraine aufmarschierten Truppen aufgefordert. Blinken habe auf eine „sofortige russische Deeskalation und den Rückzug von Soldaten und Ausrüstung von den Grenzen zur Ukraine“ gepocht, hieß es. Russlands Präsident Wladimir Putin zeigte sich vor einem Treffen mit Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban in Moskau gelassen.

Ein russischer Einmarsch im Nachbarland hätte „rasche und ernsthafte Konsequenzen“, warnte Blinken laut US-Außenamtssprecher Ned Price. In der Krise müsse Russland weiter „einen diplomatischen Weg verfolgen“. Blinken bekräftigte erneut die Unterstützung der USA für die „Souveränität und territoriale Integrität“ der Ukraine sowie für das Recht eines jeden Landes, selbst über seine „Außenpolitik und Bündnisse“ zu entscheiden. Letzteres ist ein Verweis auf die Ambitionen der Ukraine auf einen Beitritt zur NATO, der von Russland strikt abgelehnt wird. Blinken betonte zugleich die Bereitschaft der US-Regierung zu weiteren Beratungen mit Russland über Sicherheitsfragen.

Die USA und die NATO hatten in der vergangenen Woche schriftlich auf russische Forderungen nach „Sicherheitsgarantien“ geantwortet. Eine von Putin geforderte Verzichtserklärung der NATO auf eine weitere Osterweiterung sowie den Abzug von US-Waffen aus Staaten der früheren sowjetischen Einfluss-Sphäre lehnten Washington und die NATO ab.

Nach Angaben von US-Regierungsvertretern setzt Russland unterdessen den massiven Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze fort und plant zudem eine Aufstockung seiner Truppen in Belarus nahe der ukrainischen Grenze. Der Kreml bestreitet jegliche Angriffspläne auf die Ukraine, führt aber gleichzeitig ins Feld, sich von der NATO bedroht zu fühlen.

Inmitten der schweren Spannungen riefen mehrere Regierungschefs von EU- und NATO-Staaten Kiew und Moskau zur Deeskalation auf. Italiens Regierungschef Mario Draghi warnte in einem Telefonat mit Putin vor „schwerwiegenden Konsequenzen“ durch eine Verschärfung der Krise. Zugleich besuchten der britische Premierminister Boris Johnson und Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki die ukrainische Hauptstadt, um Präsident Wlodymyr Selenskyj den Rücken zu stärken.

Putin zeigte sich ungeachtet der Krise zum Auftakt des Treffens mit Orban gelassen. Der Ungar war der erste Regierungschef eines EU- und NATO-Mitglieds, der mit dem Kreml-Chef in den aktuellen Spannungen persönlich zusammentraf. Dem Kreml zufolge war nach der Begegnung eine Pressekonferenz geplant, in der Putin zum Stand der Dinge aus russischer Sicht Auskunft geben wollte.

Die Bemühungen zur Entspannung wurden in den vergangenen Tagen intensiver. So telefonierte Putin zweimal mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Dem Kreml zufolge ist ein persönliches Treffen der beiden Staatschefs in Vorbereitung. Frankreich führt derzeit auch die Ratspräsidentschaft in der EU und vermittelt seit Jahren mit Deutschland im Ukraine-Konflikt. Am Mittwoch will der britische Premierminister Boris Johnson mit Putin telefonieren.

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