Offenbar Tote bei Putschversuch in Guinea-Bissau
Nach Schüssen beim Präsidentenpalast in der Hauptstadt von Guinea-Bissau hat es offenbar Tote gegeben. Präsident Umaro Sissoco Embalo erklärte am Dienstag, dass „viele“ Mitglieder der Sicherheitskräfte bei einem „gescheiterten Angriff auf die Demokratie“ getötet worden seien. Eine genaue Zahl könne er aber nicht nennen. In einem Facebook-Video sagte Embalo, dass einige der beteiligten Personen verhaftet worden seien, er aber nicht wisse, wie viele.
In einem Telefonat mit AFP versicherte Embalo, dass die Situation „unter Kontrolle“ sei. Unterdessen wächst die Angst vor einem weiteren Putsch im Westen Afrikas. Der Regierungssitz in Bissau war am Dienstagnachmittag von schwer bewaffneten Männern umstellt, wie AFP-Reporter berichteten. Die UNO rief zu einem sofortigen Ende der Kämpfe auf. Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS sprach von einem „versuchten Staatsstreich“.
Wer die Schüsse abfeuerte, war zunächst unklar. Verschiedenen Berichten zufolge wurden am frühen Nachmittag bewaffnete Männer beim Betreten des Präsidentenpalastes gesehen, in dem verschiedene Ministerien untergebracht sind. Einige Zeugen beschrieben die Bewaffneten als Militärs, andere als Zivilisten.
Die Bewaffneten rund um den Palast hielten die Menschen auf Abstand. Ein AFP-Reporter berichtete, er sei von einem Bewaffneten mit vorgehaltener Waffe aufgefordert worden, sich zu entfernen. Bewohner flohen aus ihren Häusern. Die Märkte leerten sich und die Banken schlossen ihre Pforten. Militärfahrzeuge patrouillierten in den Straßen.
Embalo sagte am Abend gegenüber AFP: „Alles ist gut.“ Die Lage sei „unter Kontrolle“. Zudem kündigte die Regierung eine Ansprache an die Nation des Präsidenten an. Unklar ist, wo der Staatschef sich aufhält.
UNO-Generalsekretär António Guterres forderte ein sofortiges Ende der Kämpfe in dem kleinen westafrikanischen Staat und „die volle Achtung der demokratischen Institutionen des Landes“. Er sei „besorgt“ angesichts der Schüsse, hieß es in einer Erklärung. Die ECOWAS verurteilte „diesen versuchten Staatsstreich“. Auch die Afrikanische Union (AU) zeigte sich zutiefst besorgt über den „versuchten Putsch“ und forderte die Militärs auf, sich wieder in ihre Kasernen zu begeben.
Guinea-Bissau mit seinen etwa zwei Millionen Einwohnern liegt im Westen Afrikas zwischen Senegal und Guinea. Seine Geschichte ist geprägt von politischen Umstürzen: Seit es 1974 nach einem langen Befreiungskrieg von Portugal unabhängig wurde, gab es vier Putsche, den letzten im Jahr 2012.
Seit 2014 befindet sich das Land auf dem Weg zurück zu einer verfassungsmäßigen Ordnung. Jedoch gibt es immer wieder Rückschläge durch wechselnde Regierungen, Putschversuche und Gewalt. Das Land leidet unter massiver Korruption und gilt als Drehscheibe für den Kokainhandel zwischen Lateinamerika und Europa.
Seit Anfang 2020 wird Guinea-Bissau von Präsident Embalo, einem ehemaligen General, regiert. Der Amtsantritt des 49-Jährigen war umstritten und von anhaltenden Protesten begleitet.
Die Ereignisse vom Dienstag erinnern an die Putschserie, die seit 2020 Westafrika erschüttert: In Mali putschte die Armee im August 2020 und erneut im Mai 2021, in Guinea im September 2021 und in Burkina Faso übernahmen Militärs im Jänner die Macht. Die Lage in diesen Ländern ist auch auf einem Gipfeltreffen der ECOWAS in dieser Woche Thema.