Nehammer will keine Sideletter bei künftigen Koalitionen

Geht es nach Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), sollen Nebenabsprachen zu Koalitionsvereinbarungen der Vergangenheit angehören. „Es wird keine geheimen Sideletter mehr geben“, sagte er der „Kronen Zeitung“ (Mittwoch-Ausgabe). Den Grünen ist das zu wenig. Vizekanzler Werner Kogler drängt in einer Aussendung auf den Beschluss von Informationsfreiheitsgesetz und Anti-Korruptionspaket. Verfassungsministerin Karoline Edstadler (ÖVP) hält noch Gespräche für notwendig.

Es gebe zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses einen fix fertigen Gesetzesvorschlag, der auch schon in Begutachtung gewesen sei und jetzt bei der ÖVP liege, um umgesetzt zu werden, meinte Kogler. Auch die Verhandlungen zur Parteienfinanzierung seien mit der Volkspartei erfolgreich abgeschlossen: „Jetzt werden die Gesetzestexte finalisiert und dann der Opposition übermittelt.“

Damit könne das Ende des Amtsgeheimnisses in einem Aufwaschen mit den gläsernen Parteikassen beschlossen werden. Auch das Anti-Korruptionsgesetz liegt als Entwurf seit November beim Koalitionspartner und hier sei ebenfalls eine rasche Umsetzung möglich und notwendig.

Edtstadler äußert sich über ihre Sprecherin auf APA-Anfrage grundsätzlich positiv, hält aber noch Gespräche für erforderlich. Alle drei Themen seien im Laufen, aber es sei noch Arbeit notwendig. Speziell das Informationsfreiheitsgesetz sei eine komplexe Materie, bei der es auch eine Verfassungsmehrheit brauche. Da hätte es keinen Sinn über jene drüber zu fahren, die die Vorgaben zu vollziehen hätten.

Als neuen Punkt bringt Kogler ein, die Kontrollrechte des Parlaments zu stärken: „Wie können wir sicherstellen, dass eine jeweils neue Bundesregierung ihr Regierungsprogramm dem Parlament vorstellt, der Nationalrat abstimmt, und Nebenvereinbarungen unzulässig sind?“

Nehammer bezieht sich zumindest fürs erste nur auf Nebenabsprachen, die der Vergangenheit angehören sollen. Gelten soll dies für alle künftigen Regierungskoalitionen mit ÖVP-Beteiligung, egal wer der Partner ist.

Er stehe zu den Absprachen über Postenbesetzungen, das sei auch die Aufgabe einer Regierung, wenn es ein Vorschlagsrecht gebe, so der Kanzler. Aber: „Das muss öffentlich und transparent gemacht werden. Mit mir wird es in künftigen Regierungen keine geheimen Vereinbarungen außerhalb des Regierungsprogramms geben.“

Man werde alle Arbeitsweisen, die für Personalbesetzungen notwendig seien und im Rahmen des gesetzlichen Auftrags bestehen, transparent im Regierungsprogramm vereinbaren. „Das betrifft alle künftigen Regierungskoalitionen, egal mit welchem Partner“, unterstrich er. Nehammer will damit die „Mystifizierung“ des Pakts, wie er es nennt, verhindern. „Es muss allen klar sein, dass geheime Absprachen das Vertrauen in die Politik beschädigen“, betonte er.

Trotz aller guten Vorsätze setzte die Opposition ihre Kritik an der Koalition fort. „Wir haben eine Regierung, in der es eigentlich an allen Ecken und Enden kracht“, befand der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried in einer Pressekonferenz. Vor allem die Grünen hätten als „selbsternannte Sauberkeitspartei“ schon sehr viel an Glaubwürdigkeit verloren. Dabei gebe es viel zu tun, meinte Leichtfried hinsichtlich des Pandemiemanagements und forderte transparente Sitzungen des Krisenstabs Gecko und ein Ende des „Testchaos“.

Ob es auch bei der SPÖ derartige Sideletter bei Koalitionsbildungen gegeben hat, konnte Leichtfried laut eigener Aussage nicht wirklich beantworten. Zumindest sei er bei derartigen Vorgängen nicht eingebunden gewesen, beteuerte er. Zumindest so viel: „Ich gehe davon aus, dass es auch bei vorigen Wahlen politische Absprachen gegeben hat.“

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger meinte in einer Pressekonferenz zu den Sideletters:“Ich finde es nicht normal, wir haben auch keine in Wien und auch in Salzburg nicht in dieser Art.“ Es könne kein Argument sein, dass „es immer so war“, das heiße ja nicht, dass es gut ist. Sie verstehe zwar, dass es Nominierungsrechte gibt, aber man könne sich in Österreich im Jahr 2021 ein offenes, transparentes Ausschreibungsverfahren erwarten. Ihr sei vor ihrem Einstieg bei den NEOS von einem ÖVP-Politiker ein Job als Abteilungsleiterin in einem Ministerium mit den Worten „wir wollen da ane von uns“ angeboten worden. Sie wolle aber nicht in einem Land leben, wo „die allererste Kategorie“ die suche nach „einem von uns“ sei.

Meinl-Reisinger kritisierte heftig, dass es „neben dem Regierungsprogramm inhaltliche Abmachungen gibt, wo man zu feig ist, an die Öffentlichkeit zu gehen“. Nun könne man ja sagen, „von der ÖVP erwarte ich mir eh nichts anderes“, aber „von den Grünen, die ständig in einer moralischen Selbstüberhöhung mit dem Zeigefinger Politik machen - da wundert es mich nicht, wenn sich die Wähler in Scharen abwenden von dieser Partei“.

Der frühere NEOS-Abgeordnete Sepp Schellhorn, der das Koalitionsabkommen der NEOS mit der ÖVP in Salzburg mitverhandelt hat, wehrte sich gegen den Vorwurf der ÖVP, in Salzburg hätten die NEOS auch so einen Sideletter ausgehandelt. Im öffentlichen Koalitionsabkommen sei damals die Bestellung der Aufsichtsräte nach Parteien festgelegt worden. „Dann gibt es einen Sideletter, wo Erläuterungen dabei sind“. Da sei es nur um Begrifflichkeiten gegangen, nicht um Junktimierungen. „Ich verwehre mich gegen die Aussagen von Herrn (August) Wöginger, dass wir hier etwas vertuscht hätten“. Das könne man mittlerweile auch öffentlich nachvollziehen.

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