Johnson telefoniert in Ukraine-Konflikt mit Putin
Im Ukraine-Konflikt gehen die diplomatischen Bemühungen um eine Entspannung der Lage weiter. Der britische Premier Boris Johnson will am Mittwoch mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefonieren. Unter einem guten Stern steht das Telefonat nicht: Der russische UN-Diplomat Dmitri Poljanski bezeichnete die britische Diplomatie im Vorfeld als „völlig wertlos“. Der niederländische Premier Mark Rutte traf derweil den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj.
„Es gibt immer Raum für Diplomatie, aber ehrlich gesagt trauen wir der britischen Diplomatie nicht“, sagte Poljanski, stellvertretender Botschafter Russlands bei den Vereinten Nationen, im Interview mit dem Sender Sky News. Er wolle „wirklich niemanden beleidigen“, fügte er hinzu. Die „Ergebnisse“ britischer Diplomaten seien „aber wirklich nichts, womit man angeben kann“.
Die Beziehungen zwischen Moskau und London sind unter anderem wegen der Vergiftung des früheren russischen Doppelagenten Sergej Skripal und seiner Tochter in England im Jahr 2018 extrem angespannt. Großbritannien warf Russland damals einen Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok auf britischem Staatsgebiet vor und wies dutzende russische Diplomaten aus.
In der aktuellen Ukraine-Krise stellt sich London demonstrativ hinter die Regierung in Kiew. Bei einem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt am Dienstag hatte Johnson gewarnt, der derzeitige massive russische Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze stelle für die Ukraine eine „klare und gegenwärtige Gefahr“ dar.
Poljanski warf dem Westen „Hysterie“ vor. Bei den Angaben zur Zahl der an der ukrainischen Grenze zusammengezogenen russischen Soldaten gebe es Übertreibungen, sagte er. „Jetzt sind es schon 130.000. Man sieht, dass die Inflation in diesen Tagen sehr hoch ist, gestern waren es noch 100.000.“
Unterdessen sagte der niederländische Premier Mark Rutte der Ukraine bei einem Besuch in Kiew Unterstützung im Bereich der Cybersicherheit zu. Konkret gehe es um Fachberatung für das osteuropäische Land, sagte Rutte am Mittwoch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Präsident Selenskyj. Zu möglichen niederländischen Waffenlieferungen an die Ukraine, die sich im Konflikt mit Russland befindet, äußerte er sich nicht. Zuvor hatten die Niederlande bereits eine entsprechende Bereitschaft signalisiert. Selenskyj sagte, die Ukraine habe dem EU-Land eine Liste mit militärischem Bedarf überreicht. Zugleich betonte er: „Wir denken nur an Frieden.“
Besuche wie der von Rutte seien eine Hilfe bei der Stabilisierung der ukrainischen Wirtschaft, erklärte das Staatsoberhaupt. „Zum heutigen Tag haben wir die (Landeswährung) Hrywnja stabilisiert.“ Am Dienstag waren bereits Johnson und der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki nach Kiew gereist und hatten Selenskyj demonstrativ den Rücken gestärkt.
Angesichts eines massiven russischen Truppenaufmarschs in der Nähe der Ukraine wird im Westen befürchtet, dass Russland einen Einmarsch in sein Nachbarland plant. Der Kreml bestreitet das. Für möglich gehalten wird auch, dass Ängste geschürt werden sollen, um die NATO-Staaten zu Zugeständnissen bei den Sicherheitsgarantien zu bewegen. Moskau hat einen entsprechenden Forderungskatalog an die NATO und die USA gerichtet, darin enthalten ist unter anderem ein Ende der NATO-Osterweiterung. Beide lehnen die Kernanliegen Russlands ab, haben aber in schriftlichen Antworten einen Dialog angeboten.