US-Truppenentsendung heizt Konflikt mit Russland an

Die geplante Stationierung weiterer US-Truppen in Osteuropa ist in Russland auf scharfe Kritik gestoßen. Damit würden die Spannungen noch verschärft, erklärte das Präsidialamt am Donnerstag in Moskau. Trotz wiederholter Aufforderungen, die Spannungen nicht anzuheizen, fahre die Regierung in Washington damit fort. Diese hat angekündigt, 3.000 Soldaten nach Osteuropa zu verlegen. Russland hatte zuvor selbst seine Truppenpräsenz unter anderem in Belarus massiv verstärkt.

Der russische Vize-Außenminister Alexander Gruschko sprach bereits von einem „destruktiven Schritt“. Der Spielraum für politische Entscheidungen werde dadurch verengt. Dagegen begrüßte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg die geplante Verlegung. Damit werde die Abschreckung und Verteidigung der Allianz gestärkt. Das US-Verteidigungsministerium hatte zuvor angekündigt, etwa 2.000 Soldaten nach Europa zu schicken - 300 von ihnen nach Deutschland. 1.700 Kräfte sollen nach Polen verlegt werden. 1.000 US-Soldaten werden aus Deutschland nach Rumänien verlegt.

Indes gingen die diplomatischen Bemühungen um eine friedliche Lösung weiter. Am Donnerstag kommt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zu Gesprächen mit seinem ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj nach Kiew, auch der französische Präsident Emmanuel Macron will weiter vermitteln. Frankreich, Deutschland und Polen kündigten an, sich im Rahmen des sogenannten Weimarer Dreiecks enger abstimmen zu wollen. Ein Treffen in Berlin sei geplant, hieß es am Donnerstag.

Russland intensivierte seine militärische Präsenz in dem strategisch für einen möglichen Angriff auf die Ukraine wichtig gelegenen westlichen Nachbarland Belarus. Verteidigungsminister Sergej Schoigu traf am Donnerstag in Belarus ein, um die Vorbereitungen für ein geplantes gemeinsames Manöver zu inspizieren, wie die Nachrichtenagentur Interfax meldete. Das Manöver soll von 10. bis 20. Februar stattfinden. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte in Brüssel, es handelt sich um die größte russische Truppenverlegung nach Belarus seit dem Ende des Kalten Krieges. Es seien rund 30.000 Kampfsoldaten, Spezialkräfte, Kampfjets, Raketen und S-400-Abwehrraketen verlegt worden.

Die Zahl der Verstöße gegen den Waffenstillstand in der Ostukraine ist nach Angaben von Verteidigungsminister Oleksij Resnikow rückläufig. Zudem habe es in dem Gebiet auf ukrainischer Seite in den vergangenen drei Wochen keine Verluste bei Kampfhandlungen mehr gegeben, sagt Resnikow in Kiew. Seinen Angaben zufolge hat Russland an der Grenze mittlerweile 115.000 Soldaten zusammengezogen. Im Vorfeld des Erdogan-Besuchs zeigte sich Resnikow offen dafür, die bisher in Minsk geführten Ukraine-Gespräche nach Istanbul zu verlegen. Zudem kündigte er die Unterzeichnung eines Vertrags über Drohnenproduktion mit der Türkei an.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte an, „in Kürze“ zu einem Treffen mit Putin nach Moskau zu reisen. Einen genauen Termin nannte er aber nicht. Am Donnerstag will Frankreichs Staatschef Macron erneut mit Putin telefonieren. Auch ein Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj ist geplant. Macron und Putin pflegen in dem Konflikt enge Kontakte, weil Paris zusammen mit Paris seit Jahren in dem Ukraine-Konflikt vermittelt.

Der Franzose telefonierte am späten Mittwochabend auch mit Biden. Beide bekräftigten dabei dem Weißen Haus zufolge ihre Unterstützung für die Ukraine und „hohe wirtschaftliche Kosten“ im Falle eines russischen Einmarschs in die Ukraine. Das Weiße Haus änderte indes seine Wortwahl in der Ukraine-Krise leicht und will nicht mehr von einem „unmittelbar bevorstehenden“ russischen Einmarsch in das Land sprechen.

Putin hatte bei einem Telefonat mit dem britischen Premier Boris Johnson kritisiert, die NATO reagiere nicht „angemessen auf die berechtigten Bedenken Russlands“. Das teilte der Kreml in der Nacht zum Donnerstag mit. Auch Johnson wiederum warnte Putin vor einem Einmarsch in ukrainisches Gebiet.

Erdogan sprach sich am Donnerstag vor seinem Abflug aus Ankara für eine friedliche Lösung des Konflikts aus. „Wir fordern alle Parteien auf, Zurückhaltung zu üben und den Dialog aufrechtzuerhalten“, sagte er. Die Probleme in der Schwarzmeerregion müssten nach internationalem Recht geklärt werden. Man unterstütze zudem die Unabhängigkeit des „strategischen Partners“ Ukraine. Aus türkischen Regierungskreisen verlautete, Erdogan wolle sich in dem Konflikt weder auf die eine noch auf die andere Seite stellen.

Das NATO-Mitglied Türkei unterhält sowohl gute Beziehungen zur Ukraine als auch zu Russland, Erdogan hatte sich bereits mehrmals als Vermittler in dem Konflikt angeboten. Während Kiew das Angebot annahm, war die Reaktion aus Moskau jedoch eher verhalten ausgefallen. Eine mögliche russische Intervention hatte Erdogan als „nicht realistisch“ und als falschen Schritt bezeichnet. Die Türkei hat zudem zum Ärger des Kreml mehrfach die russische Annexion der Krim 2014 kritisiert und immer wieder auf die Unabhängigkeit der Ukraine gepocht - auch weil die muslimische Minderheit der Krimtataren historisch eng mit dem südlichen Nachbarn am Schwarzen Meer verbunden ist.

Ankara liefert Kiew beispielsweise Kampfdrohnen. Im Oktober vergangenen Jahres setzte Kiew erstmals eine im umkämpften Osten des Landes ein. Wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Nacht auf Donnerstag mitteilte, drohten ukrainische Streitkräfte OSZE-Beobachtern in der Ostukraine, eine Drohne der Organisation abzuschießen.

Der Kreml hatte zuletzt Gespräche der Türkei mit der Ukraine begrüßt. Wann Erdogan und Putin sich wieder treffen werden, ist offen. Die Türkei hat ein starkes Interesse an guten Beziehungen zu Moskau: Die meisten Touristen kommen aus Russland, Moskau ist außerdem größter Gaslieferant. 2020 stammten fast 34 Prozent der Gasimporte von dort.

Die Politik der Türkei sei ein Drahtseilakt, sagt der Ukraine-Experte und politische Analyst Hüseyin Oylupinar. Die Türkei habe ein Interesse an der Beibehaltung des Status Quo in der Region. Ankara sehe eine unabhängige Ukraine als Gegengewicht zu Russland. Gleichzeitig habe man auch kein Interesse daran, dass die NATO über einen Beitritt der Ukraine in der Region stärker werde.

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