Pelinka sieht MFG/FPÖ bei Tirol-Wahl als Unbekannte
Der Politologe Anton Pelinka sieht die Tiroler Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen am 27. Februar nicht als Testwahl für die Landtagswahl im kommenden Jahr. „Sie sind maximal ein Stimmungsbarometer“, sagte Pelinka im APA-Interview. Die „große Unbekannte“ sei, in welchem Ausmaß die MFG (Menschen-Freiheit-Grundrechte) vor allem der FPÖ Stimmen kosten werde. ÖVP-LH Günther Platter sah der Experte in Hinblick auf die Landtagswahl nicht in Gefahr.
Dass der zuletzt stärker unter Druck geratene Platter im Falle eines mäßigen oder schlechten Abschneidens seiner ÖVP - oder der ihr nahestehenden Namens- und Bürgermeisterlisten - nach dem 27. Februar ins Trudeln kommt und seine Spitzenkandidatur ernsthaft in Gefahr gerät, hielt Pelinka für „höchst unwahrscheinlich“. „Ich kann mir das schwer vorstellen“, so der Politikwissenschafter, der über Jahrzehnte an der Universität Innsbruck lehrte und großteils in Tirol lebt. Er orte derzeit auch bis auf Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser niemanden, der mehr oder weniger offen signalisiere, sich die Nachfolge Platters vorstellen zu können.
Zudem erkenne Platter quasi immer rechtzeitig die Zeichen der Zeit und verhalte sich geschickt. „Jetzt hat er sich ja wieder an die Spitze der Lockerungsmaßnahmen-Bewegung gesetzt“, spielte Pelinka auf das Eintreten des Landeshauptmannes für ein schrittweises Ende der Corona-Maßnahmen an. „Das ist Politik“, resümierte der 80-Jährige. Auch dass der frühere Verteidigungs- und Innenminister selbst auf die Landtagswahl-Spitzenkandidatur verzichtet und zuvor abtritt, hält Pelinka für „eher unwahrscheinlich“: „Er hat sich schon zu sehr festgelegt. Da wird er nicht runterkommen, ohne eine persönliche Niederlage eingestehen zu müssen. Ich halte die Spitzenkandidatur Platters für höchst wahrscheinlich“.
Natürlich gebe es immer Parteifreunde, die „den Dolch im Gewande haben“, veranschaulichte der Politologe. Aber die bei der Tiroler ÖVP in der Historie schon einmal praktizierte „Nacht der langen Messer“ werde es wenn überhaupt erst nach einem entsprechenden Ergebnis bei der Landtagswahl geben. Zupass komme dem Landeshauptmann zudem, dass die Arbeit seiner schwarz-grünen Landeskoalition öffentlich nicht so schlecht beurteilt werde - auch im Vergleich zum Bund. Es gebe keine größeren öffentlich ausgetragenen Konflikte, auch die Grünen würden sich „diszipliniert“ verhalten.
Dass die nach wie vor teils aufrechten Corona-Maßnahmen der ÖVP bei den Gemeinderatswahlen schaden,, hielt Pelinka aber durchaus für möglich. Vor allem, was einen Wählerabfluss an die impf- und maßnahmenkritische MFG betrifft. „Die ÖVP ist nicht davor gefeit“ - dies zeige das Beispiel Waidhofen an der Ybbs. Auch seien viele Gemeinden in Tirol vom Tourismus abhängig - hier bleibe abzuwarten, wie sich die Corona-Politik niederschlage. „Obwohl das ja eigentlich Bundes- oder Landessache ist. Aber die ÖVP wird verantwortlich gemacht“, sah Pelinka mögliche Auswirkungen auf die Kandidaten der Gemeindeebene.
Vor allem schaden könnte das Antreten der MFG aber den Freiheitlichen: „Verluste der FPÖ setze ich voraus“. Eigentlich wäre die politische Ausgangsposition - ohne MFG - für die FPÖ wie geschaffen und ideal, so Pelinka. „Sie hätte einen Monopolanspruch auf ein Thema, das eine große Minderheit sehr mobilisieren kann. Das wird ihr jetzt durch die MFG streitig gemacht. Diese fischt im selben Wählerteich“, analysierte der Politologe. Deshalb könne man bei der FPÖ noch am ehesten von einer Testwahl für Land und Bund sprechen - im Gegensatz zu den anderen Parteien. Die FPÖ werde sich die Gemeinderatswahl-Ergebnisse sicher sehr genau anschauen, um in Hinblick auf die Landtagswahl zu beurteilen, ob „das Profil der Partei ausreicht, um den Anstieg der MFG unter Kontrolle zu halten“. Das Antreten der MFG in 51 Gemeinden sei jedenfalls „beachtlich“.
An eine Auswirkung der Tiroler Gemeinderatswahlen auf den Kurs der Bundes-FPÖ glaubte Pelinka nicht. Bundesparteiobmann Herbert Kickl habe die Partei zuletzt mit Corona zwar auf ein Thema verengt, mit seiner Pandemie-Politik aber nach Ibiza gerettet. Sie liege nun wieder über 20 Prozent in Umfragen: „Kickl hat vom Taktischen und Strategischen her im Parteiinteresse etwas vorzuweisen“. Dass er als Koalitionspartner im Bund auf absehbare Zeit nicht in Frage komme, wisse er ohnehin. Kickl setze vorerst auf reine Wählermaximierung und Polarisierung - wie in der frühen Phase der Ära Jörg Haider.
Bei den anderen Parteien ortete Pelinka keine allzu großen Rückschlüsse von den Gemeinderatswahlen auf die Landtagswahl oder die Situation im Bund. Es mache aber für alle Sinn, die Urnengänge bzw. deren Ergebnisse „genau zu beobachten“.
SPÖ-Landesparteichef Georg Dornauer etwa verhalte sich in letzter Zeit „klug“, konstatierte Pelinka. „Am Beginn hat er schwere Fehler gemacht. Aber jetzt ist er überraschend ruhig, drängt sich nicht mehr mit Wortmeldungen in den Vordergrund. Jetzt gilt offenbar: ‚Aussitzen, durchsitzen, abwarten‘. Und bereit sein als möglicher Koalitionspartner“. Dornauer habe erkannt, dass es für ihn erst mal um das „innerparteiliche Überleben“ geht.
Bei den Grünen werde interessant sein zu beobachten, wie und ob sich die „Sideletter“-Affäre auswirke. Dass diese an der Basis für gehörige Irritationen sorge - davon ging Pelinka aus.