Nehammer: „Zeichen stehen immer mehr auf Konfrontation“
Nach der Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin am Montag habe sich die aktuelle Lage in der Ukraine massiv verschärft, erklärte am Dienstagvormittag der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach einer Sitzung des Krisenkabinetts. Die EU werde als Antwort auf einen stufenweisen Ansatz bei neuen Sanktionen setzen. Die Zeichen stünden jedenfalls immer mehr auf Konfrontation, so Nehammer.
„In den letzten Stunden ist das eingetreten, was wir befürchtet und wovor wir gewarnt haben“, sagte der Bundeskanzler in seiner Pressestatement. Seit der Ankündigung Russlands, die selbst ernannten „Volksrepubliken“ der Ostukraine als unabhängige Staaten anzuerkennen, stünden die Zeichen immer mehr auf Konfrontation. Es sei nicht das erste Mal, dass die Russische Föderation Phantomstaaten schaffe, bedauerte Nehammer mit Verweis auf Abchasien und Südossetien in Georgien.
Diese Anerkennung steht im klaren Widerspruch zum den Minsker Abkommen. Es habe zwar im Verhandlungsprozess Probleme gegeben, aber die Inhalte dieser Abkommen seien immer wichtig gewesen und sie hätten nun durch die Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine jedoch keine Bedeutung mehr, sagte Nehammer. Der russische Bruch der Abkommen erschwere diplomatische Lösungen und der russische Botschafter in Wien werde aus diesem Grund am Dienstag in das Außenministerium zitiert, kündigte der Bundeskanzler an.
Die EU werde geschlossen und geeint auf diese Situation mit einem „stufenweisen Ansatz“ reagieren, da man leider davon ausgehen müsse, dass die Spitze der Eskalation nicht erreicht worden sei. Erste europäische Sanktionen würden am Dienstagnachmittag beschlossen. „Wichtig ist, dass die Sanktionen im europäischen Einklang stattfinden“, sagte er.
Erneut betonte Nehammer Österreichs Neutralität. Man habe aber eine klare Meinung, wenn das Völkerrecht gebrochen würde. Die Stärke des Rechts und nicht das Recht der Stärke solle als Grundlage des politischen Handels dienen, forderte er. Es müsse auch weitere diplomatische Initiativen geben. Zu etwaigen Kontakten zum Militärbündnis NATO in der aktuellen Situation wollte Nehammer auf APA-Nachfrage nichts sagen.
In Bezug auf Auswirkungen in Österreich erklärte der Bundeskanzler, dass die österreichische Energieversorgung selbst für den Fall gesichert wäre, wenn Russland Gaslieferungen sofort völlig einstellen würde. Das Krisenkabinett habe sich aber auch mit Fragen der kritischen Infrastruktur in Österreich und der diesbezüglichen Bewertung von russischen Akteuren beschäftigt, sagte Nehammer insbesondere mit Verweis auf etwaige Hackerangriffe. „Die Lage ist derzeit in Österreich ruhig und sicher“, erläuterte er. Größere Flüchtlingsbewegungen aus der Ukraine nach Österreich wären nicht zu erwarten, es könnte aber nötig sein, stärker betroffene EU-Staaten zu unterstützen.
Während Nehammer heftige Kritik an Russland übte, lobte er explizit den ukrainischen Präsidenten. „Die Ukraine hat in höchstem Ausmaß umsichtig agiert und auf Provokationen nicht reagiert“, bedankte sich Nehammer abschließend auch beim ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Er erzählte auch, dass er am Montag dem ukrainischen Premier Denys Schmyhal in einem Telefonat weitere Unterstützung durch Österreich angeboten habe.
Kein gutes Haar am Auftreten des Kanzlers ließ die FPÖ. Die jüngsten Statements Nehammers stünden im Widerspruch zur in der österreichischen Verfassung verankerten immerwährenden Neutralität, er klinge vielmehr wie der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums oder der NATO, meinte FPÖ-Chef Herbert Kickl in einer Aussendung. Die Einrichtung eines „Krisenkabinetts“, das nichts anderes als eine kleinere Ausgabe des Regierungskabinetts sei, bezeichnete er als gefährliche Drohung.
Der FPÖ-Obmann empfahl Nehammer einen Blick in die Schweiz. Das ebenfalls neutrale Nachbarland vertraue in der Ukraine-Krise auf den Dialog unter Beteiligung der OSZE und lasse sich von keiner Seite vor den Karren spannen.