Österreich will sein Heer stärken
Der Nationale Sicherheitsrat hat Freitagmittag zum Krieg in der Ukraine getagt und drei Anträge angenommen. Darin haben sich alle Parteien dazu bekannt, mehr in die österreichische Landesverteidigung zu investieren. Zudem erklärt sich Österreich bereit, einem SWIFT-Ausschluss Russlands zuzustimmen, wenn es eine Einigung dazu auf EU-Ebene gibt. In einem dritten Antrag wurde der Krieg verurteilt, berichtete Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach der Sitzung Freitagnachmittag.
Der Nationale Sicherheitsrat ist ein beratendes Gremium und kann an sich nichts beschließen, Nehammer bekannte sich aber als Regierungschef zu den dort abgestimmten Anträgen. Einer dieser Anträge fordert die Bundesregierung auf, dass die Landesverteidigung ernstgenommen wird und wieder mehr in das Bundesheer investiert wird. Ein weiterer einstimmig angenommener Antrag verurteilt die russische Invasion in der Ukraine.
Mit dem dritten Antrag, der von der FPÖ abgelehnt wurde, bekennt sich Österreich dazu, einem Ausschluss Russlands aus den internationalen Zahlungsdienst SWIFT zuzustimmen, wenn es dafür auf EU-Ebene eine Einigung gibt. Kanzler Nehammer zeigte sich überzeugt, dass der SWIFT-Ausschluss nicht die entscheidende Sanktion sei. Das bisher Beschlossene werde Russland massiven Schaden zufügen.
So geht die EU auch gegen russische Oligarchen und Diplomaten vor. Das Vermögen der Oligarchen wird eingefroren und sie werden aus den europäischen Ländern ausgewiesen. Der französische Präsidenten Emmanuel Macron habe berichtet, dass rund um den Élysée-Palast viele namhafte russische Oligarchen leben und das bald nicht mehr tun werden.
Ob und wie viele Russen in Österreich betroffen sein könnten, konnte Nehammer noch nicht sagen. Es gebe aber eine europäische Liste mit Namen. Weiters werde es keine Diplomatenpässe und Dienstpässe mehr geben, sondern eine Visapflicht. Mit diesen Maßnahmen hofft die EU, ein Umdenken im Umfeld von Präsident Wladimir Putin zu erreichen. Der Konflikt sei auch anders zu lösen. „Es gibt viele vernünftige Menschen in Russland“, so Nehammer.
„Putin hat sich in höchstem Maße verspekuliert.“ Er habe geglaubt, dass sich die EU wider in endlose Diskussionen verlieren werde, aber der EU-Rat habe das genaue Gegenteil gemacht und höchste Einigkeit gehabt. „Die gestrige Sitzung war getragen von Empathie und im Bewusstsein der europäischen Geschichte“, so der Kanzler.
Was die von Russland angekündigten „symmetrischen und asymmetrischen Vergeltungsschläge“ gegen den Westen betrifft, deutete Nehammer an, dass es sich einerseits um Importe aus Russland handeln könnte, die „absolut verkraftbar“ seien. Die asymmetrischen Schläge könnten Cyberattacken, Cyberspionage und Wirtschaftsspionage sein. Darauf seien die österreichischen Dienste vorbereitet, versicherte er.
Die Ereignisse der letzten 48 Stunden, hätten dazu geführt, dass sich die Situation dramatisch verändert habe, so der Bundeskanzler. „Faktum ist: Es herrscht Krieg. Niemand hat es für möglich gehalten, dass im 21. Jahrhundert ein Land ein anderes überfällt, und eine Satellitenregierung etablieren will“. Um die Menschen in Österreich und der Europäischen Union bestmöglich zu schützen, sei Geschlossenheit innerhalb der EU absolut notwendig, betonte Nehammer erneut.
Er betont aber auch, dass es weiterhin wichtig sei, die Gesprächsbereitschaft mit Russland aufrecht zu erhalten: „Wir haben eine Hand für den Dialog ausgestreckt. Allerdings haben wir gegenüber einen Gesprächspartner, der in beiden Händen Waffen trägt. Da ist keine Hand frei für ein Gespräch“. Geschlossen und entschieden wolle er, gemeinsam mit anderen Staatschefs, Russland entgegentreten. Nicht militärisch, aber wirtschaftlich. Es sei das massivste Maßnahmenpaket in der Geschichte der EU. „Dieses Paket wird auch für uns schmerzhaft sein, aber das ist nichts im Vergleich zu dem Schmerz den die Menschen in der Ukraine erleiden“, so der Kanzler.
Nehammer betonte auch die Österreichische Neutralität. „Wir sind militärisch neutral, aber nicht in unseren Werten oder dem Völkerrecht. Und diese Neutralität, muss man auch verteidigen“. Gestern Abend habe er mit dem ukrainischen Präsident Volodymyr Zelenskyy gesprochen. Das Gespräch sei „getragen gewesen, von Entschlossenheit, aber auch von Sorge“.
Auch Vizekanzler Werner Kogler äußerte sich nach der Sitzung: „Wir in der EU werden dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg von Russland und Präsident Putin mit gebotener Entschlossenheit begegnen.“ Der Beschluss des zweiten Sanktionspakets durch den Europäischen Rat sei ein wichtiger Schritt, um den Druck zu erhöhen. „Ebenso wichtig ist es, dass ein weiteres Paket an einschneidenden wirtschaftlichen Maßnahmen gegen Russland vorbereitet wird.“ Der Beschluss im Nationalen Sicherheitsrat zeige, „dass wir gemeinsam entschlossen gegen die Aggression Russlands auftreten - als Österreich und als Europäischen Union“.
Man habe „wichtige Pflöcke eingeschlagen“ und klar festgehalten, dass der Angriff Russlands einen massiven Bruch des Völkerrechts darstelle, zeigte sich die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic - den den Antrag auf Verurteilung der militärischen Aggression eingebracht hat - zufrieden mit dem Ergebnis des Sicherheitsrats. Mit der Zustimmung auch zu den beiden Oppositionsanträgen habe der Sicherheitsrat eine „klare Position“ bezogen und aufgezeigt, „dass wir in Österreich in Krisensituationen an einem Strang ziehen“.
Dies traf zumindest weitgehend zu - denn dem SWIFT-Antrag stimmte die FPÖ nicht zu. Vorgelegt hatten die Empfehlung an die Regierung, sich jetzt doch für den Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungsdienst SWIFT einzusetzen, die NEOS. Deren Außenpolitiksprecher Helmut Brandstätter begrüßte in einer Aussendung, dass die Bundesregierung jetzt „auf die NEOS-Linie eingeschwenkt ist“. Der SWIFT-Ausschluss wäre eine spürbare Sanktion - und Europa würde damit Solidarität zeigen „einem Land gegenüber, das sich aus seiner Souveränität heraus dazu entschlossen hat, sich der EU und ihrem Wertesystem wie Freiheit, Demokratie, Marktwirtschaft und Meinungsfreiheit, anzunähern“.
Den Antrag auf Stärkung der Landesverteidigung hatte die Opposition geschlossen eingebracht. Das bestehende Defizit des Bundesheeres müsse beseitigt werden, damit es die umfassende Landesverteidigung gewährleisten könne, forderten SPÖ, FPÖ und NEOS unter Hinweis auf den Ukraine-Konflikt, aber auch die Corona-Pandemie - und die Vertreter der Regierungsparteien ÖVP und Grüne stimmten ihnen zu.
„Unser Bundesheer ist nach jahrzehntelangem Kaputtsparen durch ÖVP-Minister in einem schlechten Zustand, weshalb ich auch schon in der gestrigen Nationalratssitzung einen Antrag für ein Sonderinvestitionspaket in der Höhe von einer Milliarde Euro noch in diesem Jahr eingebracht habe. Zusätzlich muss das jährliche Regelbudget für militärische Angelegenheiten ab 2023 im eine Milliarde Euro erhöht werden, um einen verfassungskonformen Zustand des Österreichischen Bundesheeres wiederherzustellen“, erklärte FPÖ-Wehrsprecher Reinhard Bösch in einer Aussendung, was er sich konkret erwartet.