„Der Sturm“ im Burgtheater: Arnarsson inszeniert Shakespeare
Die einsame Insel ist eine verwaiste Arena. In Thorleifur Örn Arnarssons Inszenierung von „Der Sturm“ wehen Musik und Songs über die rotierende Drehbühne des Burgtheaters. Am Rand sind vier hohe Bühnentürme und einige Instrumente aufgebaut. Shakespeare als Konzertperformance. Die ersten Sätze fallen nach 20 Minuten. „Es reicht jetzt“, sagt Prospero. Das Spiel kann beginnen. Luftgeist Ariel erhält den Auftrag, viel Wind zu machen. Einen Sturm, der ein Schiff stranden lässt.
Die „Peer Gynt“-Inszenierung des isländischen Regisseurs, der 2019 mit der „Edda“ in Wien debütiert hatte, fiel im Frühjahr 2020 Corona zum Opfer. Elemente des damaligen Bühnenbilds von Wolfgang Menardi seien nun in die Bühnengestaltung von Elín Handóttir eingeflossen, erfährt man aus dem Programmheft. Und ein verwendeter Regenbogenprospekt stammt überhaupt aus der Saison 1960/61. Oskar Kokoschka hat ihn für einen Raimund-Zyklus entworfen. Dennoch ist bei der Produktion, die am Samstag Premiere feierte, nicht Schmalhans Küchenmeister. Sinnbild ist ein längerer Regenvorhang, an dessen Ende die Bühnenarbeiter sofort mit Sauggeräten und Besen ausrücken dürfen, um den Boden rasch wieder trocken zu bekommen. Botschaft: Hier werden alle Regie-Wünsche erfüllt. Wenn man nur wüsste, wofür!
Arnarssons Konzept überzeugt gedanklich nicht und nimmt einen auch emotional auf keine Reise mit. Pausenlose zwei Stunden und zwanzig Minuten folgt man Einfällen und Szenen, die mal besser, mal weniger gut funktionieren, aber keine Einheit ergeben. Zerfällt schon das Shakespeare-Original in mehrere Stränge, die mühsam zusammenzubringen sind - die Vorgeschichte Prosperos vor seiner Verbannung aus Mailand, die Geschichte Calibans, die Vereinzelung der Schiffbrüchigen, die alle anderen ertrunken wähnen, und die Liebe Mirandas zu Prinz Ferdinand, im Grunde den ersten Mann, den sie zu Gesicht bekommt -, so bleiben sie hier Flickwerk, nur durch grobe Stiche zusammengeheftet.
Maria Happel wirkt als weiblicher Prospero erstaunlich distanziert, ihr zur Seite punktet Mavie Hörbiger als um seine Emanzipation ringender Ariel routiniert, doch stimmig. Michael Maertens und Roland Koch erhalten als abgehalfterte Mailänder Entertainer Trinculo und Stephano deutlich mehr Profil denn als Alonso und Gonzalo. Die Mailänder Familien- und Herrscherintrige bleibt auch in Gestalt von Dietmar König und Johannes Zirner recht ungreifbar, den Caliban hat man schon deutlich stärker in existenziellen Nöten gesehen als in der Darstellung von Florian Teichtmeister, der sich unter einem Haufen türkis-grüner Schnipsel begraben lassen muss. Es lebe der Schnürboden!
Ja, es gibt auch sehr hübsche Momente an diesem recht steril wirkenden Abend: Die beginnende Love Story zwischen Miranda und Ferdinand (Lili Winderlich und Nils Strunk) zählt dazu, ein Maertens-Solo im von ganz weit oben strahlenden Suchscheinwerfer, oder die Musik- und Gesangseinlagen des von Musiker Gabriel Cazes angeleiteten Ensembles. Doch insgesamt wirkt Arnarssons bereits zwölfte Shakespeare-Produktion, als wüsste sie nicht so recht, wie sie sich zu unseren Zeiten verhalten soll, in der wir von einer Katastrophe in die nächste taumeln. Im Sturm der Krisen der Gegenwart drohen wir gänzlich verloren zu gehen. Doch dieser „Sturm“ bietet da leider gar keine Orientierungshilfe. Mehr höflicher denn enthusiastischer Applaus am Ende.
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