Fiston Mwanza Mujila: „Mein Reisepass ist die Literatur“
In seinem gefeierten Debüt war die Bar „Tram 83“ Schauplatz des Romans, in seinem ersten Theaterstück „Zu der Zeit der Königinmutter“ war es die New-Jersey-Bar. Und auch in seinem heute erscheinenden zweiten Roman wird der titelgebende „Tanz der Teufel“ in der Bar Mambo de la fête getanzt. „Die Bar spielt eine große Rolle in meinem Leben“, sagt Fiston Mwanza Mujila und lächelt. „Mein Großvater war 40 Jahre lang Barmann. Ich habe die Welt in der Bar entdeckt.“
Fiston Mwanza Mujila wurde 1981 in Lubumbashi in der Demokratischen Republik Kongo geboren und lebt seit 2009 in Graz, wo er an der Universität afrikanische Literatur unterrichtet. In Österreich spiele das Kaffeehaus jene Rolle, die im Kongo die Bar einnehme, erklärt er im Gespräch mit der APA. „In die Bar kommt man, um zu reden und Neuigkeiten auszutauschen. Die wichtigen Informationen gibt es nicht in Radio und Fernsehen, sondern in der Bar. Das gilt heute sogar noch mehr als früher. Die Bar war für mich eine Mischung aus Universität und dem echten Leben.“
Die ehemalige Kolonie Belgisch-Kongo erhielt 1960 die Unabhängigkeit. In Belgien sei der Kongo weiterhin stark präsent, sagt der Autor, der auch einen belgischen Verlag hat, die von der Kolonialmacht verübten Gräueltaten seien jedoch bei weitem nicht aufgearbeitet. Als Mujila geboren wurde und aufwuchs, hieß das Land Zaire. „Mein Buch ist auch die Erinnerung an ein Land, das heute nicht mehr existiert.“ Das Leben von früher gebe es in seiner von Kriegen und Gewalt geschüttelten Heimat jedoch nur mehr in Überresten. Mythologien, die für eine Art Zusammenhalt sorgten, seien neben der Bar auch der Kongo-Fluss und die Rumba, sagt der Autor. Es sind Mythologien, die in den „Tanz der Teufel“ eingeflossen sind.
„Schreiben gelernt habe ich im Kongo, aber Schriftsteller bin ich in Österreich geworden“, sagt Fiston Mwanza Mujila, der 2009 Grazer Stadtschreiber wurde und hier Wurzeln schlug. Er habe eine mehrfache Identität entwickelt, schon die Tatsache, dass er als Kind Französisch, die Sprache der Kolonialisten und der Aufstiegsmöglichkeiten gleichermaßen, gelernt hat, habe seinen Großvater einerseits stolz gemacht, ihn anderseits auch entfremdet. „Mein Exil hat begonnen, als ich Französisch zu sprechen begann.“ Heute sieht er sich als Kongolese aus Lubumbashi ebenso wie als europäischer Autor aus Graz.
Vor allem aber gelte: „Mein Reisepass ist die Literatur.“ Seine Literatursprache ist das Französische. „Tanz der Teufel“, in Frankreich bereits 2020 als „La danse du Vilain“ erschienen, hat dort auch schon einen Preis eingeheimst, den Prix Les Afriques. In seinem Roman spreche er Themen innerafrikanische Migration, Raubbau der Bodenschätze durch Afrikaner und dessen Folgen sowie die ständige Verschlechterung der Lebensbedingungen offen an. „Er zeigt die wachsende Kluft zwischen der afrikanischen Bevölkerung und der politischen Klasse, die sich nur selbst bereichert“, heißt es in der Begründung der Jury.
Der Kongo wird sein literarisches Hauptthema bleiben. „Ich hab noch mehr über den Kongo zu erzählen“, sagt er. Er sei aufgewachsen in einer Minengegend, in der Geld im Mittelpunkt stand und Bildung nicht als eigener Wert, sondern nur als Möglichkeit, zu mehr Geld zu kommen, gegolten habe. „Seit der Kolonialisierung ist das eine rein kapitalistische Gesellschaft. Heute ist das eine von ausländischen Konzernen bestimmte, moderne Kolonie. Der Beruf eines Schriftstellers ist dort wenig wert“, sagt er und sinniert darüber nach, was aus ihm geworden wäre, wenn er im Kongo geblieben wäre.
In „Tanz der Teufel“ gibt es die Figur des Franz, einen in Lubumbashi lebenden Autor aus St. Pölten. „Franz, das bin natürlich ich“, schmunzelt Fiston Mwanza Mujila. „Er ist ein netter Typ, der sich fragt, ob er die Legitimation hat, über die Gesellschaft, in der er lebt, zu schreiben. Das sind Fragen, die auch ich mir stelle.“ Seine Identitäten als Mensch mit schwarzer Hautfarbe und als Schriftsteller überdecken dabei geografische und sprachliche Identifikationen. Sein 2019 im Akademietheater uraufgeführtes Stück „Zu der Zeit der Königinmutter“ schrieb er auf Deutsch, doch den nächsten Romans schreibt er wieder auf Französisch. „Über den Kongo zu schreiben ist auf Französisch leichter. Eines Tages schreibe ich aber vielleicht auch ein Buch auf Deutsch.“
Derzeit ist er aber vor allem am Organisieren. Er möchte Dichterinnen und Dichtern mit schwarzen Wurzeln mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Mit der im Vorjahr von ihm herausgegebenen Anthologie „Kontinentaldrift. Das Schwarze Europa“ (Verlag Das Wunderhorn) ist ihm das ebenso gelungen wie mit den Transnationalen Grazer Literaturtagen, die er als Literaturbeauftragter im Forum Stadtpark mit dem Verein ISOP (Innovative Sozialprojekte) ins Leben gerufen hat und die im vergangenen Oktober unter dem Titel „Weltwortreisende“ erstmals einen „vielstimmigen Chor poetologischer Diversität“ versammelten. Für kommendes Jahr plant Fiston Mwanza Mujila eine Fortsetzung.
(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)
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