Moskau will IGH-Anordnung zu Stopp des Kriegs nicht befolgen
Russland will die Anordnung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) zum Stopp des Krieges in der Ukraine nicht befolgen. Dies teilte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag mit. Im Fall einer Vereinbarung mit Kiew könnte es aber ein „sehr rasches Ende“ der Militäroperation geben. „Unsere Bedingungen für einen Friedensdeal sind völlig klar“, betonte Peskow, der zugleich scharfe Kritik an US-Präsident Joe Biden übte. Biden hatte Wladimir Putin als Kriegsverbrecher bezeichnet.
„Wir können keine Rücksicht auf diese Entscheidung nehmen“, sagte Peskow am Donnerstag der Agentur Interfax zufolge. „Am Internationalen Gerichtshof gibt es das Konzept des Einvernehmens zwischen den Parteien. Hier kann es keinerlei Einvernehmen geben.“ Der IGH hatte am Mittwoch in einem historischen Urteil den sofortigen Stopp der militärischen Aggression Russlands in der Ukraine angeordnet. Gegen den Beschluss stimmten nur die Richter Russlands und Chinas. Moskau blieb der Verlesung der Entscheidung demonstrativ fern. Die Anordnung war von der Ukraine begehrt worden. Das Weltgericht verfügt über keine Machtmittel, um einen Staat zur Umsetzung des Urteils zu zwingen. Es könnte aber den UNO-Sicherheitsrat anrufen. In diesem hat der Aggressorstaat Russland jedoch ein Vetorecht.
Peskow betonte, dass die russische Seite „unglaublich viel Energie“ in die Gespräche mit Kiew stecke, doch erwarte man dies auch von der ukrainischen Seite. „Wir kennen die Art, in der die Ukrainer Zeit schinden.“ Am Vortag hatte Russland einen möglichen neutralen Status der Ukraine als „Kompromiss“ ins Spiel gebracht. Kiew wies dies aber zurück und pochte auf Sicherheitsgarantien.
Zu einem Bericht der „Financial Times“, wonach beide Seiten bei einem vorläufigen Friedensplan erheblich vorangekommen sind, sagte Peskow: „Das ist nicht richtig - es gibt Elemente, die richtig sind, aber insgesamt ist es falsch.“ Der Kreml werde Fortschritte verkünden, wenn es solche gebe. Alle anderen Fragen sollten an die „Financial Times“ gerichtet werden.
Scharfe Kritik übte der Kreml-Sprecher an der Aussage von US-Präsident Joe Biden, Kreml-Chef Wladimir Putin sei ein Kriegsverbrecher. Bidens Aussagen seien „inakzeptabel“ und „unverzeihlich“. Schließlich handle es sich bei Putin um eine „sehr weise und kultivierte internationale Persönlichkeit“. Mit Blick auf die Vorwürfe gegen Russland im Russland-Krieg meinte er, dass die USA über sehr lange Zeit Zivilisten bombardiert „und auch Atombomben in Japan eingesetzt“ hätten. Der US-Präsident habe daher „kein Recht, Russland Lektionen zu erteilen“.
Zuvor hatte das Moskauer Außenministerium mitgeteilt, dass die Gespräche mit Kiew weitergingen. In einer Videokonferenz werde über militärische, politische und humanitäre Fragen gesprochen, erklärte eine Ministeriumssprecherin am Donnerstag. Zuletzt hatte es bei den Unterredungen russischer und ukrainischer Unterhändler vorsichtige Signale der Annäherung gegeben, während die Kämpfe in der Ukraine aber unvermindert weitergingen.
Ein Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj betonte am Donnerstag, dieser habe seine zentrale Position nicht geändert. „Wir werden niemals unsere nationalen Interessen aufgeben.“ Die Grenzen von 1991, als die Sowjetunion zusammenbrach, müssten akzeptiert werden, sagte Olexii Arestowytsch im staatlichen Fernsehen
Der Vize-Chef des russischen Sicherheitsrats und ehemalige Präsident Dmitri Medwedew erhob indes schwere Vorwürfe gegen den Westen. Ähnlich wie schon Präsident Wladimir Putin am Vortag sagte Medwedew, der Westen wolle das Land in die Knie zwingen zu wollen, um es auseinanderzureißen. Triebkraft dieser Verschwörung sei eine von den USA geschürte Russophobie. „Das wird nicht funktionieren - Russland hat die Macht, all unsere dreisten Feinde in die Schranken zu weisen“, sagte Medwedew. Er ist einer der engsten Vertrauten von Präsident Wladimir Putin. Medwedew war von 2008 bis 2012 Präsident.
Medwedews Vorgänger und Nachfolger Putin meldete sich am Donnerstag ebenfalls zu Wort. Er nahm an einer Sitzung teil, bei der es um die Lage auf der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim gehen sollte. „Wir müssen das soziale und ökonomische Potenzial der Krim diskutieren“, sagte Putin unter anderem. Die westlichen Sanktionen hätten die Wirtschaft der Krim zwar getroffen, würden neben Problemen aber auch Chancen schaffen. Putin hatte die Krim im Jahr 2014 besetzen und nach einem international nicht anerkannten Referendum annektieren lassen.