Heftige Explosionen am Flughafen von Lwiw
Nahe der westukrainischen Großstadt Lwiw (Lemberg) haben sich am Freitag in der Früh heftige Explosionen ereignet. Wie Bürgermeister Andrej Sadowyj mitteilte, schlugen mehrere russische Raketen in der Nähe des Flughafens ein. Ein Wartungsgebäude für Flugzeuge sei zerstört worden, es habe aber keine Opfer gegeben. Augenzeugen berichteten auch von Explosionen im Norden Kiews. Eine Person soll durch herabstürzende Trümmer einer russischen Rakete getötet worden sein.
Weitere vier Menschen seien bei dem Angriff in Kiew verletzt worden, teilen die Rettungsdienste mit. Aus einem fünfstöckigen Wohngebäude seien 110 Bewohner in Sicherheit gebracht bzw. gerettet worden.
In Lwiw ist es in dem seit mehr als drei Wochen dauernden russischen Krieg gegen die Ukraine bisher vergleichsweise ruhig geblieben. Die Stadt ist voller Flüchtlinge aus anderen Landesteilen. Bei einer Attacke auf den Truppenübungsplatz Jaworiw unweit von Lwiw am vergangenen Sonntag hatte es nach Kiewer Angaben mindestens 35 Tote und 134 Verletzte gegeben. Über die Westukraine werden dringend benötigte Hilfs- und Rüstungsgüter in das Land gebracht. Laut der Agentur Interfax verhängte Russland auch eine Flugverbotszone über die Donbass-Region, die aus den Regionen Luhansk und Donezk besteht.
Die russische Armee ist unterdessen nach eigenen Angaben mit ihren separatistischen Verbündeten ins Stadtzentrum der Hafenstadt Mariupol im Südosten der Ukraine vorgerückt. „In Mariupol ziehen die Einheiten der Volksrepublik Donezk mit Unterstützung der russischen Streitkräfte ihren Belagerungsring enger und bekämpfen die Nationalisten im Zentrum der Stadt“, erklärte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow.
Laut dem Verteidigungsministerium in Moskau werde bereits 90 Prozent des Territoriums der selbst erklärten „Volksrepublik“ Luhansk kontrolliert. Diese war im Jahr 2014 ausgerufen worden, doch konnten die Separatisten nur einen Teil der gleichnamigen ukrainischen Region unter ihre Kontrolle bringen.
Häufiger Beschuss durch russische Streitkräfte verhindert nach Behördenangaben eine sichere Evakuierung von Städten und Dörfern an der Front in der Region Luhansk. Seit Beginn des Krieges am 24. Februar seien 59 Zivilisten in der Region getötet und mehrere Wohngebiete vollständig zerstört worden, sagt der Gouverneur von Luhansk, Serhij Gaidai. „Es gibt keine einzige Gemeinde, die nicht unter Beschuss geraten ist“, sagt er im staatlichen Fernsehen und nannte die Städte Sewerodonezk, Rubischne und Popasna als besondere Brennpunkte. Die Behörden hofften, dass für Samstag eine zeitweilige Waffenruhe vereinbart werden könne, damit Lastwagen Lebensmittel, Medikamente und andere Hilfsgüter zu den notleidenden Menschen bringen könnten.
Noch immer völlig unklar ist die Zahl der Opfer nach dem Bombardement eines als Schutzort genutzten Theaters in Mariupol. Der Bombenschutzkeller des Gebäudes habe den Beschuss überstanden und einige „Erwachsene und Kinder“ seien lebend hinausgekommen, erklärte die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Ljudmila Denisowa, am Freitag. Die Arbeiten, um den Zugang zu dem Keller freizubekommen, dauerten demnach an. Schätzungen zufolge hatten etwa 1.000 Menschen in dem Theaterkeller Schutz gesucht.
Der ukrainische Abgeordnete Sergiy Taruta erklärte, Russlands Blockade der Stadt behindere die Rettungsbemühungen. Zwar hätten es einige Menschen aus dem zerstörten Theater hinaus geschafft. Aber die anderen, „die das Bombardement überlebt haben, werden unter den Trümmern des Theaters sterben, oder sind schon tot“.
In der Nacht hatten russische Truppen nach Angaben Kiews auch ihre Angriffe auf die nördliche Stadt Tschernihiw fortgesetzt. Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte, dass die Ukraine auch drei Wochen nach Kriegsbeginn jene Gebiete des Landes unter Kontrolle halte, in die russische Truppen vorzudringen versuchen. Er wandte sich besonders an die Menschen in Mariupol, Charkiw und Tschernihiw, deren Städte belagert werden und schweren Schaden genommen haben. Sie würden nicht im Stich gelassen, versicherte er. Von der Armee bis zur Kirche tue jeder alles für die Menschen. „Ihr werdet frei sein“, versprach Selenskyj.
Ukrainischen Angaben zufolge sind für Freitag landesweit erneut neun Fluchtkorridore geplant, über die Zivilisten aus umkämpften Gebieten in Sicherheit gebracht werden sollen. Aus Mariupol sollen Menschen ins nordwestlich gelegene Saporischschja fliehen können, sagte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk am Vormittag in einer Videobotschaft. Weitere sogenannte Korridore soll es beispielsweise in der nordöstlichen Region Sumy geben, die aus verschiedenen Städten ins zentralukrainische Poltawa führen.
Nach Mariupol, wo die Lage besonders dramatisch ist, sei zudem noch immer ein Tanklaster mit Kraftstoff für Privatautos auf dem Weg, sagte Wereschtschuk. In den vergangenen Tagen war Tausenden Zivilisten die Flucht aus Mariupol in eigenen Fahrzeugen geglückt. Viele stecken aber weiter fest in der Stadt am Asowschen Meer, in der es seit Tagen keinen Strom, kein Wasser und keine Heizung mehr gibt. Hilfskonvois kommen nach Angaben aus Kiew nicht bis zu den Menschen dort durch.