Pläne für Heeresbudget lösten Politstreit aus
Nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine vor genau einem Monat bekannten sich alle fünf Parlamentsparteien zu einer Stärkung des Österreichischen Bundesheeres. Von einem Schulterschluss war die Rede. Daraus wurde am Donnerstag für das Kabinett von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) eher ein Schuss ins eigene Knie. In einem Medienstatement am späten Nachmittag stellte sie Verwerfungen allerdings in Abrede - und redete sich auf ihren Generalstab aus.
Abends appellierte sie dann schließlich in einer teils recht pathetisch klingenden Rede im Nationalratsplenum an die Parteien, jetzt „nicht aufgeregt zu sein, sondern in Ruhe und Gelassenheit“ für die Sicherheit und die dafür nötige Ausstattung des Bundesheeres zu sorgen. Die Wehrsprecher David Stögmüller (Grüne), Robert Laimer (SPÖ), Reinhard Bösch (FPÖ) und Douglas Hoyos (NEOS) hatten - in der Debatte über Photovoltaik-Anlagen für die Kasernen - ihre schon am Vormittag deponierte Empörung darüber bekräftigt, dass Tanner ihnen in einem Gespräch wenig später in Medien veröffentlichte Pläne und Zahlen vorenthalten hatte.
Die Ministerin hatte die Wehrsprecher aller Parlamentsparteien sowie Experten des Verteidigungsressorts zu einem Informationsgespräch gesprochen. Dabei informierte die Ministerin laut Aussendung die Abgeordneten über aktuelle Risiken und Auswirkungen für das Bundesheer sowie über budgetäre Erfordernisse. Die Experten des Ressorts sprachen über notwendige Investitionen sowie moderne Bedrohungsfelder und Herausforderungen. Über genaue Zahlen wurde laut übereinstimmender Aussagen aller Wehrsprecher nicht gesprochen.
Allerdings berichteten kurz danach „Krone“ und „Kurier“ gleichzeitig, dass Tanner die Wehrsprecher über ihr sogenanntes „Neutralitätspaket“ informiert hätte. Demnach soll für das Österreichische Bundesheer zum einen ein zehn Milliarden Euro schwerer „Neutralitätsfonds“ für die nächsten Jahre eingerichtet werden, mit dem der Investitionsrückstau der letzten Jahrzehnte abgebaut wird, und zum anderen das Regelbudget bis 2027 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angehoben werden. Der Pressesprecher von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) twitterte die Zeitungsgeschichte.
Abends im Nationalrat beklagten diese, dass Vertrauen zerstört worden sei. Dabei „sind wir ja auf Ihrer Seite“ im Bemühen, das Bundesheer endlich ausreichend auszustatten, sagte Bösch zu Tanner. Seine - ganz im Sinn der „geleakten“ Zahlen verfassten - Anträge auf bessere Ausstattung des Bundesheeres fanden ebenso wenig die Zustimmung der Koalition wie die seines SPÖ-Kollegen Laimer. „Es gilt wieder Vertrauen aufzubauen nach diesem Tag“, hatte er die Ministerin wissen lassen.“Sehr stark irrtiert“ war auch der grüne Wehrsprecher Stögmüller, „das müssen wir klären“. Hoyos-Trautmannstorff mutmaßte , dass „irgendjemand im Bundeskanzleramt“ die Arbeit der Ministerin und den Konsens der Wehrsprecher zunichte machen wolle.
ÖVP-Abgeordneter Friedrich Ofenbauer merkte an, dass in der vormittäglichen Unterredung „über Zahlen konkret noch nicht gesprochen“ worden sei. Aber es gebe den breiten Konsens, die Verteidigungsfähigkeit wieder herzustellen - und es sei „gut, wenn die Ministerin einen Plan hat“. Den sollten jetzt alle gemeinsam besprechen.
Die Ministerin selbst drückte ihre Hoffnung auf einen gemeinsamen Beschluss zur Aufrüstung des Heeres aus. „Jetzt geht es nicht darum, dass wir uns unterhalten, was der eine oder andere in diesen Stunden vielleicht gesagt, getan oder geschrieben hat oder nicht“, sagte Tanner. Das könne „doch nicht unsere gemeinsame Aufgabe sein“. Die sei es vielmehr, das Bundesheer so auszustatten, dass es seine verfassungsmäßige Aufgabe erfüllen kann.
Die von den Zeitungen als „Neutralitätspaket“ bezeichneten Investitionen wären eine nie da gewesene Budgeterhöhung, die dem in den vergangenen Jahrzehnten stark reduzierten Bundesheer neuen Handlungsspielraum eröffnen würde. 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes wären um die sechs Milliarden Euro im Jahr. Derzeit liegt das Heeresbudget bei 0,6 Prozent des BIP beziehungsweise 2,7 Mrd. Euro. Zum Vergleich: Zum Höhepunkt des Kalten Krieges lag das Verteidigungsbudget bei knapp 1,2 Prozent des BIP.