Kiew: Russland zerstört Treibstoff- und Lebensmittellager

Die Ukraine wirft Russland vor, mit der Zerstörung ukrainischer Treibstoff- und Lebensmittellager begonnen zu haben. Dies bedeute, dass die Regierung in Kiew bald die entsprechenden Vorräte großflächiger verteilen müsse, sagte der Berater des Innenministeriums, Vadym Denysenko, im Fernsehen. Die ukrainischen Behörden können unterdessen bedrängten Zivilisten weiter nicht direkt bei der Flucht aus der schwer umkämpften Stadt Mariupol helfen.

Flüchtlinge aus Mariupol sollten eigentlich am Sonntag mit einem Buskonvoi aus der nahegelegenen Stadt Berdjansk abgeholt werden, hatte Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk angekündigt. 15 Busse sollten die Menschen weiter in die zentralukrainische Stadt Saporischschja bringen. Wer die Flucht aus Mariupol im Auto schaffe, könne in Berdjansk umsonst nachtanken, sagte Wereschtschuk in Kiew in einer Videobotschaft. Die strategisch wichtige Industrie- und Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer ist durch heftige Kämpfe seit Anfang März fast völlig zerstört worden. Dort lebten einmal rund 440.000 Menschen.

Ein zweiter Fluchtkorridor wurde für Sonntag im ostukrainischen Gebiet Luhansk ausgewiesen. Über zehn festgelegte Routen hatten sich am Samstag 5.200 Menschen aus besonders umkämpften Gebieten retten können, wie die Agentur UNIAN meldete. Nach nicht überprüfbaren russischen Angaben ist die Region Luhansk zu mehr als 90 Prozent unter Kontrolle der von Moskau unterstützen Separatisten.

Abgesehen von der Zerstörung der Lager verlege Russland zwecks Truppenaustauschs Streitkräfte an die Grenze, sagte Denysenko weiter. Dies könne bedeuten, dass Russland neue Versuche unternehmen wolle, die Invasion in der Ukraine voranzutreiben.

Die russischen Streitkräfte haben nach Angaben aus Moskau ein großes Treibstofflager in der Nähe der westukrainischen Stadt Lwiw (Lemberg) zerstört. Aus dem Brennstoffdepot sei das ukrainische Militär im Westen des Landes und nahe Kiew versorgt worden, teilte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Sonntag in Moskau mit. Das deckte sich mit den Angaben aus der Ukraine vom Samstag und Sonntag. Mit von Flugzeugen und Kriegsschiffen abgefeuerten Raketen seien mehrere Militärobjekte in den Gebieten von Lwiw und Kiew zerstört worden, sagte der russische Generalmajor.

Die regionale ukrainische Militärverwaltung hatte am Samstag drei heftige Explosionen am östlichen Stadtrand von Lwiw gemeldet. Am Himmel war eine dicke schwarze Rauchwolke zu sehen. Ein Treibstofflager sei getroffen worden, teilte Bürgermeister Andrij Sadowyj mit. Er sprach von fünf Opfern, ohne weitere Details zu nennen. Zivile Infrastruktur sei nicht getroffen worden. Der Brand des Treibstofflagers konnte nach Angaben des ukrainischen Zivilschutzes erst nach 14 Stunden am Sonntag gelöscht werden.

Insgesamt seien binnen 24 Stunden 67 Militärobjekte zerstört worden, sagte Konaschenkow in Moskau. Darunter seien in der Stadt Lwiw ein vom Militär genutzter Reparaturbetrieb, 30 Kilometer südwestlich von Kiew ein Lager mit Luftabwehrraketen sowie 18 Kampfdrohnen gewesen. Die Angriffe in der Ukraine würden fortgesetzt.

In der westukrainischen Region Riwne wurde ukrainischen Angaben zufolge zudem am Samstag ein Öldepot durch russischen Raketenbeschuss zerstört. Die Verwüstung in der Stadt Dubno sei groß, teilte die Regionalverwaltung am Sonntag mit.

In der von russischen Truppen eingekreisten Stadt Tschernihiw im Norden der Ukraine muss die Bevölkerung ohne Strom, Heizung und Wasser ausharren. Nur die Gasversorgung funktioniere noch teilweise, teilte die Regionalverwaltung am Sonntag mit. Die Infrastruktur sei durch „aktive Kampfhandlungen“ in der Stadt zerstört worden. Es werde versucht, die Schäden zu reparieren, schrieb Verwaltungschef Wjatscheslaw Tschaus auf Telegram.

In der ostukrainischen Stadt Charkiw ist nach ukrainischen Medienberichten die nukleare Forschungseinrichtung „Neutronenquelle“ erneut unter Artilleriebeschuss geraten. Nach Angaben der staatlichen ukrainischen Atomaufsicht sei die Anlage am Samstag beschossen worden, wie die „Ukrajinska Prawda“ berichtete. Sie war jedoch schon zu Kriegsbeginn in einen sogenannten unterkritischen Zustand heruntergefahren worden.