Nehammer: Russland-Sanktionen werden nicht aufgeweicht
Angesichts der Forderung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Öl und Gas in Rubel zu bezahlen, hat sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zurückhaltend gezeigt. Österreich warte einmal auf eine schriftliche Ausführung und werde diese bewerten. Gleichzeitig betonte er am Donnerstag bei einem Besuch in Berlin vor Journalisten: Österreich sei „nicht in irgendeiner Weise bereit, die Sanktionen aufzuweichen.“
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hatte zuvor der Forderung Putins eine klare Absage erteilt: „Wir haben uns die Verträge angeschaut. Da steht drin, dass in Euro bezahlt wird.“ Er habe dem russischen Präsidenten gesagt, „dass das auch so bleiben wird“. Es gelte für europäische Unternehmen, „dass sie in Euro zahlen können, wollen und werden“, so Scholz am Donnerstagnachmittag in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Nehammer im deutschen Bundeskanzleramt.
Putin hatte zuvor in einer Fernsehansprache erklärt, dass ab Freitag russische Gaslieferungen von „unfreundlichen Staaten“ in Rubel gezahlt werden müssten. Das russische Staatsoberhaupt sagte, ein entsprechendes Dekret unterzeichnet zu haben. Um an das Gas zu gelangen, müssten ausländische Kunden Rubel-Konten bei russischen Banken eröffnen. Dies würde nach Ansicht von Experten die westlichen Sanktionen gegen Russland, die als Reaktion auf den Ukraine-Krieg verhängt wurden, unterlaufen.
Scholz und Nehammer sprachen sich erneut gegen ein vollständiges Öl- und Gasembargo Russlands aus. „Sanktionen machen nur Sinn, wenn sie den treffen, den sie treffen sollen und nicht den schwach machen, der sie ausspricht“, erklärte Nehammer. Es sei ein „furchtbares Gefühl, von russischem Gas abhängig zu sein“. Seine Aufgabe als Bundeskanzler sei es aber auch, für Energiesicherheit zu sorgen.
Scholz sagte dazu: „Wir sind uns völlig einig in der Bewertung.“ Schon die bisherigen Sanktionen seien wirksam und die weit reichendsten, die jemals beschlossen wurden. „Sie treffen die Entwicklungsperspektiven und wirtschaftlichen Chancen Russlands besonders.“ Und es gebe für Moskau keine Ausweichmöglichkeiten. Es gehe nun darum, Schlupflöcher auszuschließen und den Druck auf Putin aufrecht zu erhalten, so Scholz, der auch ankündigte, dass es Deutschland im Laufe dieses Jahres es schaffen könnte, die Abhängigkeit von russischen Öl- und Kohleimporten zu beseitigen. Österreich importiert seit Kriegsbeginn kein Öl mehr aus Russland und schon seit längerem keine Kohle.
Scholz und Nehammer sprachen von enger Verbundenheit bzw. Abstimmung zwischen Österreich und Deutschland. Beide Regierungschef forderten Putin auf, „jetzt einem Waffenstillstand zuzustimmen, humanitäre Versorgung zu ermöglichen und wirkliche Friedensverhandlungen zu führen“, wie Scholz es ausdrückte. Angesprochen von deutschen Journalisten, ob die österreichische Neutralität ein Modell für die Ukraine sein könnte, antwortete Nehammer, dass sich die „dynamische und solidarische Neutralität“ für Österreich bewährt habe. Die Ukraine müsse selbst definieren, was für sie richtig sei. Zur Zeit sei man aber „weit davon entfernt“. Das Wichtigste seien im Moment Waffenstillstände, erklärte Nehammer.
Beide Regierungschefs setzen sich außerdem für eine rasche Beitrittsperspektive des Westbalkans ein. „Jede weitere Verzögerung macht den Westbalkan verwundbar und offen für den Einfluss Dritter“, sagte Scholz. Und auch Nehammer warnte vor einem Einfluss Russlands, Chinas und auch arabischer Staaten auf den Westbalkan. Es sei in Europas „geostrategischem Interesse, hier einen Gang zuzulegen.“ Vor allem Bosnien-Herzegowina brauche jetzt massive Hilfe, weil es dort „Blockade und Stillstand“ durch die Republika Srpska gebe. Nehammer sprach auch von der „Angst“, dass der russische Angriffskrieg auch Folgewirkungen für den Westbalkan haben könne.
Auch Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) war bei dem Besuch bei Scholz dabei und sprach mit ihm über die Integration von aus der Ukraine Geflüchteten. „Jetzt ist die Lage dramatisch, sodass immer mehr Menschen flüchten müssen - nach Österreich und Deutschland“, sagte Raab in Berlin. Man müsse sich darauf einstellen, dass die Menschen bleiben. Auf EU-Ebene gibt es allerdings keine Ratsformation, wo sich für Integration zuständige Regierungsmitglieder austauschen können. Deswegen sprach Raab eine Einladung für die von der ukrainischen Migrationsbewegung betroffenen Länder zu einer Konferenz in Wien aus. In Österreich sind rund 42.000 Menschen aus der Ukraine registriert.
Scholz betonte, dass es wichtig sei, dass sich die EU bereit erklärt habe, die Flüchtenden aufzunehmen. Nehammer ergänzte: „Das Leid der Menschen ist unerträglich.“ Es sei „Pflicht der Nachbarn“, den Menschen zu helfen. Scholz verwies vor allem auf die Republik Moldau, die bei 3,5 Millionen Einwohnern 350.000 Menschen aufgenommen habe. Er kündigte eine Unterstützungskonferenz für Moldau an. Österreich hatte unlängst 2.000 Ukraine-Flüchtlinge aus Moldau übernommen.