Mariupol: Russische Truppen verhindern offenbar Evakuierung
Ein neuer Versuch zur Evakuierung von Zivilisten aus der südukrainischen Hafenstadt Mariupol ist nach Angaben eines Vertreters der Stadtverwaltung von den russischen Truppen durchkreuzt worden. 200 Einwohner hätten sich am Samstag versammelt, um aus der seit Wochen heftig umkämpften Stadt weggebracht zu werden, doch hätten russische Soldaten die Menge „auseinandergetrieben“, teilte Vize-Bürgermeister Petro Andriuschtschenko im Onlinedienst Telegram mit.
Einige dieser Einwohner seien gezwungen worden, Busse zu besteigen, die sie in eine von den Russen kontrollierte Zone bringen sollte, fügte er hinzu. In der Früh hatte die ukrainische Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk einen neuen Evakuierungsversuch für die eingekesselten Zivilisten aus Mariupol angekündigt. Nach ihren Angaben sollten „Frauen, Kinder und Senioren“ nach Saporischschja in Sicherheit gebracht werden. In den vergangenen Tagen gab es immer wieder Versuche, Zivilisten aus der Stadt zu evakuieren. Allerdings scheiterten diese Bemühungen mehrfach. Russland und die Ukraine werfen sich gegenseitig vor, für das Scheitern verantwortlich zu sein.
Nach ukrainischen Angaben nahmen russische Einheiten ihre Angriffe gegen das Gelände des Asow-Stahlwerks in Mariupol wieder auf. Sie attackierten aus der Luft an und versuchten, die von ukrainischen Kräften kontrollierten Anlagen zu stürmen, sagte Olexij Arestowytsch, einer der Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, im TV.
Russland hat eigenen Angaben nach inzwischen die „volle Kontrolle“ über die Hafenstadt im Südosten der Ukraine. Im weitläufigen Komplex des Stahlwerks Asowstal halten sich aber nach wie vor ukrainische Soldaten und Kämpfer des nationalistischen Regiments Asow auf. Daneben sollen sich auch Zivilisten in der Fabrik versteckt halten.
Wie die ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform berichtet, sollen sich darunter auch Kinder befinden. Das zeigt ein von Asow-Kämpfern veröffentlichtes Video, welches auf der Facebook-Seite des Air Command „West“ geteilt wurde.
Das am Asowschen Meer gelegene Mariupol mit einst 450.000 Einwohnern gilt als strategisch äußerst bedeutsam. Während Moskau angibt, Mariupol „befreit“ zu haben, bleibt die Hafenstadt laut Kiew umkämpft. Die Kontrolle über die Hafenstadt am Asowschen Meer würde Russland helfen, eine direkte Landverbindung zwischen der annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim und den von den pro-russischen Separatisten im Donbass kontrollierten Gebieten herzustellen.