EU

Kurz bei Visegrad-Gipfel: Fünf Freunde, die mehr vereint, als sie trennt

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz mit den Regierungschefs Viktor Orban (Ungarn, l.), Andrej Babis (Tschechien, 2.v.r.) und Mateusz Morawiecki (r.).
© MICHAL CIZEK

Geeint in der Migrationsfrage, gespalten in der Klimapolitik und beim EU-Finanzrahmen: freundlicher Empfang für Kurz beim Visegrad-Gipfel.

Von Carmen Baumgartner-Pötz

Prag – „Museum closed today“, erklärt der freundliche tschechische Polizist den herbeiströmenden Delegationen. Wobei das angesichts der Sperren rund um den Prager Wenzelsplatz und des ausgerollten roten Teppichs vor dem Nationalmuseum ohnehin unverkennbar ist: Hier ist großer Bahnhof und zwar für die Visegrad-Gruppe (V4), jene mittelosteuropäischen Länder, die innerhalb der EU zum mitunter unbequemen Machtfaktor geworden sind: Tschechien, Slowakei, Polen, Ungarn. An diesem Donnerstag begrüßen sie außerdem noch einen Stargast als Freund: Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Der Auftakt des Gipfels wirkt fast so, als hätte die ÖVP das Drehbuch geschrieben: Die Premiers Viktor Orbán, Peter Pellegrini und Mateusz Morawiecki warten in der Eingangshalle des Museums zusammen mit Gastgeber Andrej Babis, der Kurz begrüßt. Dann ein schnelles Familienfoto unter dem Motto des tschechischen V4-Vorsitzes: „Reasonable Europe“ – was man mit „angemessen“ oder „vernünftig“ übersetzen könnte.

Kurz teilte nach dem Treffen per Twitter mit:

Wobei das natürlich eine Frage der Perspektive ist: Dass die Regierungen in Prag, Bratislava, Warschau und Budapest viele Dinge anders sehen als Brüssel, ist kein Geheimnis – Stichwort EU-Beitragszahlungen und Flüchtlingsverteilung. Und es ist auch schon länger bekannt, dass Kurz sich gerne in der Vermittlerrolle sieht. „Es ist wichtig, die neu entstandenen Gräben zu reduzieren, und umso wichtiger, in engem Austausch mit den Visegrad-Staaten zu bleiben und das Gespräch zu suchen“, betonte der Bundeskanzler im Vorfeld des Besuchs. Dafür hat Kurz auch am Sonntag bei seinem Treffen in Brüssel Rückendeckung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekommen.

Ernst Gelegs (ORF) vom Treffen der Visegrad-Staaten

Nach einem knapp zweistündigen Arbeitsgespräch dann das Fazit der fünf befreundeten Regierungschefs: Man freue sich sehr, Sebastian Kurz als Freund und „Schlüsselpartner“ (Babis) an der Seite der Visegrad-Länder zu haben, gemeinsam könne man in Europa einiges im neuen Rat und der EU-Kommission durchsetzen. Auch Polens Premier Morawiecki spricht von „mehr Gemeinsamkeiten mit Österreich, als man denken könnte“. Allem anderen voran ist damit die Migrationsfrage gemeint. Aber auch in der Frage der EU-Beitrittsperspektiven für die Balkanstaaten trennt die V4 und Österreich wenig.

Und doch herrscht nicht bei allen Themen eitel Wonne zwischen den fünf Partnern: Österreich als EU-Nettozahler vertritt beim Thema Finanzrahmen der Union eine andere Linie als die V4-Länder. Und vor allem das Thema Klimaneutralität offenbart große Differenzen: Zwar begrüßen alle fünf Regierungschefs den geplanten EU-Klimafonds. Bundeskanzler Kurz betonte aber: „Uns ist wichtig, dass mit dem Fonds nicht die Atomkraft finanziert wird.“

Polens Premier Mateusz Morawiecki begrüßte den Klimafonds als „Ausdruck der Solidarität der EU mit Ländern mit unterschiedlichen Ausgangspositionen“. Polen werde definitiv mehr Zeit als die anderen Länder zur Klimaneutralität benötigen. Er beneide Österreich für seinen Energiemix, für den hohen Anteil an Wasserkraft. Der tschechische Regierungschef Andrej Babis nannte das Regierungsprogramm von Türkis-Grün „sehr ambitioniert“ und zeigte sich in Bezug auf die Atomkraft versöhnlich: „Wir können verschiedene Meinungen haben und trotzdem nach gemeinsamen Lösungen suchen.“

Beim anschließenden bilateralen Treffen mit Babis in dessen Amtssitz wurden Kurz dann noch militärische Ehren zuteil. Und auch ein Blick auf Prag von oben. Was man guten Freunden bei einem Besuch halt so zeigt.