Nationalrat

"Ibiza-U-Ausschuss" ohne Ibiza fixiert: Großer Ärger bei der Opposition

Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer verteidigte das Vorgehen der Regierung.
© ROBERT JAEGER

Dass der U-Ausschuss zu Casinos und Ibiza von ÖVP und Grünen thematisch stark eingeschränkt wurde, sorgt bei SPÖ und NEOS für Ärger. Sie wollen nun den VfGH anrufen. Die Sozialdemokraten werfen den Grünen gar „Zensur" vor.

Wien – Der von SPÖ und NEOS verlangte Ibiza- und Casinos-Untersuchungsausschuss kommt, allerdings gemäß dem Willen von ÖVP und Grünen stark eingeschränkt und vor allem um das Thema Ibiza-Ermittlungen erleichtert. Mit dem Aufruf im Nationalratsplenum am Mittwochabend – exakt um 21.34 Uhr, wie Norbert Hofer (FPÖ) als Vorsitzender feststellte – wurde er eingesetzt.

Bereits Mittwochfrüh hatte der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrats den Untersuchungsgegenstand finalisiert. Die Regierungsfraktionen strichen dabei den Antrag von SPÖ und NEOS um jene Passagen zusammen, die ihnen unzusammenhängend und damit nicht geschäftsordnungskonform erschienen. Die Freiheitlichen stimmten dort mit den anderen Oppositionsfraktionen.

Teile der Ibiza-Ermittlungen, aber auch die Mehrheit aller türkis-blauen Gesetzesbeschlüsse ab Ende 2017, die Organbestellungen in Unternehmen mit Bundesbeteiligungen oder die Neustrukturierung der FMA werden somit weggelassen, sollte der VfGH nicht anders entscheiden. Den Komplex rund um Casinos, Glücksspiel und ÖBIB/ÖBAG halten die beiden Regierungsfraktionen aber für okay, weil hier ein klarer Zusammenhang bestehe.

SPÖ und NEOS wollen VfGH anrufen

Bereits am Vormittag hatten SPÖ und NEOS empört reagiert, von Zensur gesprochen und die Einschränkung als Kniefall der Grünen vor der ÖVP gewertet. Sie wollen nun den Verfassungsgerichtshof (VfGH) anrufen.

Auch personelle Beschlüsse wurden im Geschäftsordnungsausschuss gefasst. Die zentrale Rolle der Verfahrensrichterin übernimmt Ilse Huber, frühere OGH-Vizepräsidentin. Verfahrensanwalt wird wie schon bei einem der Eurofighter-Ausschüsse Andreas Joklik.

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried beklagte in seiner Wortmeldung das Torpedieren des Untersuchungsausschusses. Der Ibiza-Komplex, aber auch die Vorgänge um die Finanzmarktaufsicht, der Vorwurf des Gesetzeskaufs und die Besetzungen in staatsnahen Unternehmen würden zugedeckt. Parteikollege Kai-Jan Krainer assistierte mit einem Wahlplakat der Grünen in der Hand. „Grün ist nicht der Anstand, Grün ist die Zensur“, sagte er.

Video: Debatte zum U-Ausschuss

Die NEOS, die den Ausschuss gemeinsam mit der SPÖ beantragt haben, sahen das ähnlich. Stephanie Krisper warf den Grünen vor, ihr Handeln sei „ein aktiver Schritt, der ÖVP die Mauer zu machen“. Kein renommierter Verfassungsrechtler unterstütze die türkis-grüne Position. Und Nikolaus Scherak ätzte: „Was ich wirklich nicht vermisst habe in diesem Haus, ist die moralische Überheblichkeit der Grünen.“

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Auch Christian Hafenecker (FPÖ), dessen früherer Parteichef Heinz-Christian Strache im Zentrum der Ibiza- und Casinos-Affäre gestanden war, betonte, dass seine Partei Interesse an restloser Aufklärung habe. Die „Krake der ÖVP“ habe es aber geschafft, die Grünen über den Tisch zu ziehen. Sein Lösungsvorschlag: Es solle einen schnellen U-Ausschuss zur CASAG geben, dann könne man gesondert und in Ruhe auf alle anderen Causen eingehen.

Koalition verteidigt Vorgehen

Völlig anders sahen das die Regierungsfraktionen. Die Grünen hätten seit Jahren für Transparenz und Aufklärung gekämpft und auch den U-Ausschuss als Minderheitenrecht durchgesetzt, sagte Klubchefin Sigrid Maurer. Einzige Voraussetzung sei die Verfassungskonformität des Ausschussverlangens, und darüber entscheide nun eben der Verfassungsgerichtshof. „Ich bin mir sehr sicher, dass der VfGH uns recht geben wird und nicht euch“, weil die von SPÖ und NEOS vorgenommene Themenzusammenstellung nicht zulässig sei. Komme es anders, sei dies auch gut. Wichtig sei, nun rasch mit der Kontrolle beginnen zu können.

ÖVP-Klubobmann August Wöginger unterstützte dies. In der – noch unter Rot-Schwarz beschlossenen - Verfahrensordnung sei klar festgelegt, dass es im U-Ausschuss um einen abgeschlossenen Vorgang der Bundesverwaltung gehen müsse. Ein aktuelles Rechtsgutachten untermauere diese Position, und nun entscheide eben der VfGH und nicht die Minderheit im Nationalrat, was verfassungskonform sei.

Auch Vizekanzler Werner Kogler verteidigte am Mittwoch das Vorgehen der Regierungsparteien. Einwände gegen das Ausmaß der Untersuchungsgegenstände seien weder eine Behinderung noch eine Blockade, sagte der Grünen-Chef nach dem Ministerrat. „Man muss aufpassen, dass man nicht einen Wald-und-Wiesen- oder Kraut-und Rüben-Ausschuss hinkonstruiert", so Kogler. (APA, TT.com)

Video: Koglers Statement

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