„Aussprache“ im Kanzleramt: Startschuss für Justizreform
Die von Kanzler Kurz geforderte „Aussprache“ mit Standesvertretern am Montag brachte ein Bekenntnis zu mehr Budgetmitteln und Reformen für die Justiz. Kurz ließ mit einer Aussage zu angeblichen „Leaks“ durch Staatsanwälte aufhorchen.
Wien – Mit dem Bekenntnis zu mehr Geld für die Justiz und Reformen endete Montag die „Aussprache“ zu der Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) Vertreter der Staatsanwaltschaft und der Justizgewerkschaft im Kanzleramt empfangen hatte. Die Reformen betreffen Maßnahmen zur Beschleunigung, gegen Leaks und zur Stärkung des Rechtsschutzes in Verfahren. Wie viel mehr Geld die Justiz bekommen soll, verrieten weder Kurz noch Zadic. Dies sei Sache der Budgetverhandlungen.
Video | Statement von Kanzler Kurz nach Aussprache
Die Präsidentin der Vereinigung österreichischer Staatsanwälte, Cornelia Koller, meldete den Bedarf nach 150 Mio. Euro zur Erhaltung des Status Quo und mehr Mittel für beschleunigende Maßnahmen an.
Der Anlass für die Aussprache war die in der Vorwoche vom Falter bekannt gemachte Attacke von Kurz gegen die Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Diese Causa ist „aus meiner Sicht ausgeräumt“, sagte der Chef der Justizgewerkschafter Christian Haider. Der Bundeskanzler habe versichert, dass er hohes Vertrauen in die Justiz habe. Kurz seinerseits versicherte, es sei ihm darum gegangen, Missstände anzusprechen, wie die lange Verfahrungsdauer und die Veröffentlichung geheimer Details aus Verfahren. Er freue sich, dass es dazu jetzt „Reformen“ geben werde.
Versuch von Einflussnahme einmütig abgelehnt
Ein Thema der mehr als zweistündigen „Aussprache“ war auch der Versuch parteipolitischer Einflussnahme. Die Standesvertreter verwehrten sich gegen Einflussnahme und politischen Druck und versicherten, dass Justiz und Staatsanwälte unabhängig arbeiten. Justizministerin Zadic sieht sich mit dem Kanzler einig, dass jeder Versuch der Einflussnahme abzulehnen sei.
Video | Statement von Justizministerin Zadic nach Aussprache
Kanzleramtsministerin Edtstadler brachte neuerlich den am Wochenende von der ÖVP in Umlauf gebrachten SPÖ-Aktenvermerk aus dem Jahr 1997 aufs Tapet. Sie sah sich durch Aussagen von Ex-SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim bestätigt, dass die SPÖ hier eine „Strategie“ verfolgt habe – und appellierte, dass Parteizentralen keinen Einfluss auf die Karriereplanung von Richtern oder Staatsanwälten nehmen dürften.
Cornelia Koller, die Präsidentin der Staatsanwälte-Vereinigung, fand es durchaus gut, dass vergangenen Woche breit über eine mögliche Einflussnahme diskutiert worden sei. Sie erinnerte, dass Angriffe auf die Integrität der Staatsanwälte der Grund für das Treffen im Kanzleramt waren.
Kurz lässt aufhorchen
Angesprochen auf seine Attacke auf die WKStA, meinte Kurz, „keine Institution sollte sakrosankt sein“ – und versicherte, er habe nur Missstände wie die oft lange Verfahrensdauer und „Leaks“ in den Ermittlungen ansprechen wollen. Zur Frage, wer Ermittlungsdetails an die Öffentlichkeit spielt, ließ er mit dem Hinweis aufhorchen, ihm hätten zwei „hochrangige“ Journalisten im Gespräch erzählt, dass dies durchaus auch seitens der Staatsanwälte geschehe. Kurz' Aussage hatte zwei Anzeigen durch FPÖ und NEOS zur Folge.
Zadic wiederum hat „keine Indizien“, dass Aktendetails von den Staatsanwälten herausgespielt worden seien. Sie sieht in der Digitalisierung eine taugliche Maßnahme, um solche Veröffentlichungen zu verhindern – und freute sich, dass der Kanzler das nötige Geld zugesagt hat, um schon länger überlegte Reformen anzugehen und damit sowohl die Korruptionsbekämpfung als auch die Unabhängigkeit der Staatsanwälte zu stärken.
Mit der zugesagten Aufstockung der Mittel – und damit mehr Supportpersonal, mehr Staatsanwälten und schnellerer Datenauswertung – werde es auch möglich sein, die Verfahren zu beschleunigen. Zur Stärkung des Rechtsschutzes – Kurz und Edtstadler verwiesen hier auf die telefonisch vom Journalrichter genehmigten BVT-Hausdurchsuchungen – denkt sie an eine Aufwertung des Haft- und Rechtsschutzrichters etwa durch einen Dreier-Senat.
Video | Statements von Standesvertretern der Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwälte seien „die letzten, die ein Interesse daran haben“, wenn Details von Ermittlungen öffentlich bekannt werden, würden sie damit doch an ihrer Arbeit gehindert, trat Koller den „Leak“-Vorwürfen entgegen. Sie begrüße es, wenn der Weg von Akten nachvollziehbarer wird, ließe sich damit doch der „Generalverdacht“ gegen ihre Kollegen entkräften.
Zur Beschleunigung der Verfahren will Koller auch bei den Berichtspflichten angesetzt haben. Man sollte sie so weit wie möglich zurücknehmen. Die Vermeidung unnötiger Berichtspflichten ermögliche Staatsanwälten, unabhängig zu arbeiten, merkte die Justizministerin an.
Kein Thema in der Unterredung war laut Edtstadler die – vergangene Woche mitdiskutierte – Frage der Kompetenzen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Laut Regierungsprogramm werde dies die Justizministerin evaluieren. Zadic sieht die Sache klar gestellt: Die geplante Präzisierung der Zuständigkeit bedeute nicht, dass die Wirtschaftsagenden herausgelöst werden. Da sie einen sehr großen Teil der Tätigkeit der WKStA ausmachen, käme dies einem „kompletten Umbau“ gleich, und darauf habe man sich nicht geeinigt.
Video | Statements von Kanzleramtsministerin Edtstadler
Die Unterredung dauerte mehr als zwei Stunden, danach traten Edtstadler, Koller und Christian Haider (Chef der GÖD-Bundessektion Richter und Staatsanwälte), Zadic und schließlich Kurz getrennt vor die Journalisten. Alle drei Regierungsvertreter berichteten von einem „guten Gespräch“.
Kickl: „Ich habe nie ein Wort der Kritik gehört“
FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl kritisiert die „Unehrlichkeit der Debatte“ rund um die WKStA. ÖVP-Minister hätten von 2008 bis Mitte 2019 das Justizministerium geführt und es seien nie lange Verfahren, Personal- und Geldmangel noch parteipolitische Besetzungen Thema gewesen, sagte Kickl bei einem Pressetermin am Montag in Wien.
„Ich habe nie ein Wort der Kritik gehört“, so Kickl. „Es ist nicht verboten an der Justiz Kritik zu üben“, sagte er in Richtung Kurz. Es gehe aber um „die Art und Weise, wie man es macht und wer es macht. Natürlich vertraue ich der Justiz, dass unterscheidet uns vom gegenwärtigen Bundeskanzler“. Kickl ortet bei Kurz „ein Problem der Glaubwürdigkeit“. Die WKStA sei schon seit längerem „so etwas Ähnliches wie ein Dorn im Auge der ÖVP“, unter anderem weil gegen Personen aus dem Umfeld der Volkspartei ermittelt werde und wegen der Causa rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). „Wenn man sich parteipolitische Einflussnahme auf die Justiz anschaut, dann bitte nicht nur im Bereich der WKStA“, sagte der FPÖ-Klubobmann in Richtung des Bundeskanzlers.
Kickl verwies auch auf ein Treffen des Strafrechts-Sektionschef im Justizministerium, Christian Pilnacek, mit Ex-ÖVP-Chef Josef Pröll und Raiffeisen-Generalanwalt Walter Rothensteiner. Beide sind Beschuldigte in der Causa Casinos. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) untersagte daraufhin per Weisung weitere Treffen und persönliche Telefonate mit Beschuldigten. Kickl sieht die Justizministerin in der Causa „an einem Scheideweg“. Sie könne sich entscheiden, ob sie Teil des „ÖVP-Systems“ werde, oder ob sie einen „umfassenden Ansatz“ wähle. (APA, TT.com)