Deutsche Bundesliga

Das Virus stoppt Flicks Triple-Schritte: „Bayern wird anders beäugt“

Unter Hansi Flick läuft es beim FC Bayern rund.
© AFP

Erst Assistent, dann Chefcoach, jetzt „Hometrainer“: Hansi Flick erlebt ein kurioses erstes Bayern-Jahr. Der München-Express rollte zum Triple, bis die Pandemie ihn zur Vollbremsung zwang. „Wir hatten einen Lauf“, sagt der Coach. Jetzt arbeitet er auf den Tag X hin.

München - Hansi Flick zögert. Er braucht einen Moment, um die passenden Worte zu finden, die sein turbulentes erstes Jahr als Trainer des FC Bayern beschreiben könnten. „Wie empfinde ich das?“, wiederholt er dann am Telefon als erstes die gerade gehörte Frage.

Sie klingt leicht - und ist doch gar nicht so einfach zu beantworten. „Am Anfang fühlte es sich an, als entspräche es nicht der Realität“, sagt er dann zu dem Virus, das gerade die Welt verändert, auch die des Fußballs und damit natürlich auch die von Hans-Dieter Flick, den auch im reifen Alter von 55 Jahren alle weiterhin „Hansi“ rufen.

Für den früheren Assistenten von Bundestrainer Joachim Löw lief es blendend, bis sich ein übermächtiger Gegner in den Weg stellte. Mit der aktuellen Bayern-Elf eiferte Flick vor der Corona-Pandemie, die zur Unterbrechung der Fußballsaison führte, höchst erfolgreich dem einzigartigen deutschen Triple-Trainer Jupp Heynckes (74) nach.

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Meisterschaft, Pokalsieg, Champions-League-Triumph - der Gewinn aller drei Titel erschien „machbar“, wie Flick selbst in der Zwangspause sagt: „Wir hatten einen guten Lauf, wir haben erfolgreichen Fußball gespielt.“ Er spricht von einer „sensationellen Rückrunde“.

Der München-Express rollte durch Europa - scheinbar unaufhaltsam. Erster in der Bundesliga nach 25 von 34 Spieltagen, vier Punkte vor Borussia Dortmund. Im Halbfinale des DFB-Pokals mit einem machbaren Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt. Und nach einem beeindruckenden 3:0 im Hinspiel beim FC Chelsea waren die Bayern auch so gut wie qualifiziert für das Viertelfinale der Champions League. „Wir haben eigentlich nur positive Ergebnisse erzielt, wenn man die Bilanz sieht, seitdem der Hansi da ist“, sagte Kapitän Manuel Neuer.

Notlösungen für den "Hometrainer"

Und jetzt? Im Premierenjahr, das er als Assistent von Niko Kovac antrat, muss der seit November als Chefcoach amtierende Flick die Münchner Stars plötzlich auf einen Tag X vorbereiten, den kein Mensch kennt. „Man kann nur auf Dinge reagieren. Aber man lernt im Trainerberuf, sich auf immer neue Situationen einzustellen.“ Bei diesen Sätzen hört man am Handy keinem Trainer zu, der sich lauthals über die knifflige Aufgabe beklagt, sondern sie sachlich beschreibt.

Auch während der extremen Ausgangsbeschränkungen in Bayern pflegt Flick einen möglichst engen Kontakt zu seinen Spielern. „Wir haben die Mannschaft fast jeden Tag zusammen, auch wenn das in der Cyber-Welt ist“, schildert Flick. Über Video werden sie täglich zum gemeinsamen Konditionstraining zusammengeschaltet. Gemeinsam mit Fitness-Chef Holger Broich übermittelt er von der Säbener Straße aus die Kommandos an die Spieler, die daheim in ihren Häusern, Gärten und auf Dachterrassen schwitzend auf den Spinning-Rädern sitzen.

Mit einzelnen Spielergruppen schaltet sich das Trainerteam zu Video-Calls zusammen. Es sind Notlösungen für den „Hometrainer“ Flick, wie die „Süddeutsche Zeitung“ ihn nannte. „Man hat trotzdem das Gefühl, man hat die Mannschaft so zusammen“, erklärt Flick.

Müller vermisst "das gemeinsame Spiel"

Die Sehnsucht nach dem Rasen, dem Ball, den Zweikämpfen, dem gewohnten Profi-Alltag nimmt dennoch zu. „Ich hoffe, dass wir bald wieder spielen können. Ich vermisse das Spiel, meine Mannschaftskameraden“, gestand Ex-Nationalspieler Thomas Müller.

„Auf Training draußen freut sich jeder“, sagt Flick. Die DFL habe den Bundesligaclubs aber empfohlen, bis zum 5. April weiter individuell zu trainieren. Etliche prominente Bayern-Stars, die mit Appellen an die Fans auftraten, zur Eindämmung des Virus dringend zu Hause zu bleiben, wollen auch persönlich unbedingt gute Vorbilder sein.

„Der FC Bayern wird da anders beäugt“, sagt Flick zu dem brisanten Thema. Anders als etwa der FC Augsburg oder der VfL Wolfsburg, die schon wieder in Gruppen trainiert haben. „Wir tun gut daran, wenn wir eine Vorbildfunktion ausüben“, meint der Bayern-Coach.

Flick glaubt, dass wieder gespielt wird

Es wird ohnehin Mai werden, ehe frühestens wieder gespielt werden darf. „Das sind noch fünf Wochen“, sagt Flick. Fünf lange Wochen, in denen er seine Spieler unter Spannung halten muss. „Ich glaube schon, dass die Saison weitergespielt wird. Ich denke da positiv“, sagt Flick.

Neun Ligaspiele stehen noch aus, bevor in München der achte Meistertitel nacheinander gefeiert werden könnte, diesmal aber ohne die üblichen Bierduschen in einem voll besetzten Stadion. „Ich glaube, es ist jedem bewusst, dass es nur mit Geisterspielen geht, die Saison zu Ende zu spielen“, erklärt Flick. In normalen Zeiten mag Fußball ohne Zuschauer niemand, kein Spieler, kein Fan, kein Trainer.

Inzwischen aber wächst auch bei den Bayern-Stars die Hoffnung auf diese Notlösung, die für die Clubs wirtschaftlich zwingend ist. „Wir sind alle happy, wenn man weiterspielen kann“, sagt Flick.

18 von 21 Pflichtspielen hat der FC Bayern unter seiner Regie gewonnen. Erst war er ein Zwei-Spiele-Interimschef, dann einer bis Jahresende 2019. Vor Corona galt es als Formsache, dass Flick über den Sommer hinaus Bayern-Trainer bleibt. Das Thema würgt Flick in der aktuellen Situation ab. „Es gibt gerade wichtigere Dinge als meine Zukunft“, sagt er. Die Aussage ist ehrlich gemeint. Zumal Flick ja weiß, was er will - und was die Münchner Bosse wollen. Das Virus hat ihn beim FC Bayern abrupt gestoppt, aber nur vorübergehend. (dpa)

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