100.000 Tote möglich: Trump stimmt USA auf dramatische Zeiten ein
US-Präsident Donald Trump hat seine Vorhersagen stark revidiert und spricht von dramatischen Opferzahlen mit mehr als 100.000 Toten.
Washington – Noch vor Kurzem versprach Donald Trump den US-Bürgern in der Corona-Krise eine rasche Rückkehr zur Normalität – nun hat der US-Präsident seine Vorhersagen stark revidiert und spricht von dramatischen Opferzahlen mit mehr als 100.000 Toten. "Manche Leute" gingen gar von Opferzahlen in Millionenhöhe aus, sagte Trump am Sonntag.
Noch vor wenigen Tagen hatte Trump gesagt, dass er die USA bis Ostersonntag – also in zwei Wochen – wieder weitgehend im Normalbetrieb sehen wolle. Nun sagte er: "Nichts wäre schlimmer, als den Sieg zu verkünden, bevor der Sieg gewonnen ist. Das wäre der größte Verlust von allem." Trump versicherte zugleich: "Wir werden diesen unsichtbaren Fluch, diesen unsichtbaren Feind besiegen."
"Bis zum 1. Juni auf dem Weg der Erholung"
Die vor zwei Wochen veröffentlichten Richtlinien sehen unter anderem vor, dass Menschen Abstand zueinander halten und Ansammlungen von mehr als zehn Menschen vermieden werden sollen. Zudem sollen Restaurants, Cafés und Bars Speisen und Getränke nur zur Mitnahme oder Lieferung anbieten. Trump zeigte sich optimistisch, dass bis zum Sommer das Schlimmste überstanden sein könnte. "Wir können davon ausgehen, dass wir bis zum 1. Juni auf dem Weg der Erholung sind."
Nun kündigte Trump an, bis Montag geltende Richtlinien zur sozialen Distanzierung um einen Monat bis Ende April auszuweiten. Trump begründete die Verlängerung der Schutzmaßnahmen mit einer am 16. März veröffentlichten Studie des Imperial College in London, die von 2,2 Millionen Toten in den USA ausging, sollten überhaupt keine Maßnahmen zur Eindämmung des Virus ergriffen werden.
Experten rechnen mit sprunghaftem Anstieg
Die Zahl der nachgewiesenen Infektionen mit dem Erreger Sars-CoV-2 in den USA liegt der Johns-Hopkins-Universität zufolge bereits bei über 140.000. Mehr als 2450 Menschen starben. Besonders besorgniserregend ist die Lage im Bundesstaat New York. Hotspots drohen sich aber auch in Chicago und New Orleans zu entwickeln.
Der US-Seuchenexperte Anthony Fauci, der Trump im Kampf gegen die Pandemie berät, rechnet mit einem sprunghaften weiteren Anstieg der Todesfälle. Der Höhepunkt wird zu Ostern - also in zwei Wochen - erwartet. Besonders stark in den USA von der Pandemie betroffen ist der Bundesstaat New York. In New York City gelten weitreichende Ausgangsbeschränkungen. Die Hilfsorganisation Samaritan's Purse errichtete im Central Park ein Feldlazarett zur Versorgung von Corona-Patienten. "Die Krankenhäuser überall in der Stadt füllen sich, und sie brauchen so viel Hilfe wie möglich", sagte der Arzt Elliott Tenpenny.
Potenziell mehr als 200.000 Tote möglich
Die Ärztin Deborah Birx von der Coronavirus-Arbeitsgruppe im Weißen Haus sagte, Vorhersagen gingen auch mit Eindämmungsmaßnahmen von 80.000 bis 160.000 Toten in den USA aus, potenziell sogar von mehr als 200.000 Toten. "In diesem Modell wird vollständig davon ausgegangen, dass wir weiterhin exakt das tun, was wir tun." Sie fügte hinzu: "Wir hoffen, dass diese Modelle nicht ganz richtig sind. Dass wir es besser machen können, als diese Vorhersagen sind."
"Schon seit dem 25. März beobachten wir hier eine Umkehr der Tendenz", sagte die Sprecherin der Behörde für Gesundheitliche Notfälle (CCAES), Maria Jose Sierra. Man dürfe aber nicht nachlassen. Sorgen mache weiterhin der drohende Kollaps der Intensivstationen. Unter denjenigen, die sich in Spanien mit Sars-CoV-2 angesteckt haben, sind den Angaben zufolge schon weit über 12.000 Ärzte, Sanitäter und Pfleger - fast 15 Prozent aller Fälle. In Italien ist die Anzahl an aufgrund des Virus verstorbener Sanitäter und Ärzte auf 61 angestiegen.
"Gefahr unterschätzt"
Angesichts der Zahlen ortete die Sinologin Susanne Weigelin-Schwiedrzik Versäumnisse in Europa und den USA im Kampf gegen das Virus. Seit Ende Jänner hätte Europa die Maßnahmen Chinas als "Ergebnis eines autoritären Regimes" betrachtet. "Dadurch haben wir Vorbereitungszeit verloren und wichtige Beobachtungen in dieser Phase versäumt", sagte die Wiener Universitätsprofessorin dem Universitätsmagazin "uni:view".
Fakt sei, dass Europas Entscheidungsträger so lange wie möglich gewartet hätten. In Europa gebe es zudem "Misstrauen" zwischen Bevölkerungen und ihren Regierungen. "Das ist ein Problem."
Lazarettschiff soll für Entlastung sorgen
Am Wochenende stand die Möglichkeit im Raum, dass die Regierung in Washington die Bewegungsfreiheit für Menschen in den Staaten New York, New Jersey und Connecticut drastisch einschränken könnte, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Nach Beratungen mit seiner Coronavirus-Arbeitsgruppe und den betroffenen Gouverneuren der Bundesstaaten verkündete Trump, dass das nicht nötig sein werde. Mit den noch nicht spruchreifen Aussagen hatte sich Trump Kritik eingehandelt. New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo sprach von einer "Kriegserklärung" an die Staaten.
Der US-Ostküstenstaat New York mit der gleichnamigen Millionenmetropole hat sich zum Epizentrum der Coronavirus-Pandemie in den USA entwickelt. Lokale Behörden haben immer wieder gewarnt, dass die Kapazitäten der Krankenhäuser dort nicht ansatzweise auf die Ansteckung weiter Teile der Bevölkerung vorbereitet seien. Es könnte zu Engpässen bei Beatmungsgeräten kommen. Für Entlastung soll das Lazarettschiff "Comfort" der Marine sorgen, das am Montag in New York eintreffen sollte. Trump sicherte New York am Wochenende mehrfach Unterstützung zu. New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio zeichnete am Sonntag ein dramatisches Bild der Lage in der Millionenmetropole. "Hier in New York fühlt es sich wortwörtlich an wie zu Kriegszeiten." (APA, TT.com)