Corona-Krise hat massive Auswirkungen auf Psychotherapie-Patienten
Eine Studie des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie (ÖBVP) in Zusammenarbeit mit der Donau-Universität Krems hat ergeben, dass sich die Maßnahmen im Kampf gegen Corona massiv auf Psychotherapie-Patienten auswirken.
Wien – Die Einschränkung der sozialen Kontakte wegen der Corona-Pandemie hat gravierende Auswirkungen auf Psychotherapie-Patienten. Das geht aus einer Studie des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie (ÖBVP) in Zusammenarbeit mit der Donau-Universität Krems hervor, für die eine Online-Umfrage unter 1547 heimischen Psychotherapeuten ausgewertet wurde.
Demnach wirken sich die in Österreich gesetzten Covid-19-Lockdown-Maßnahmen für 70 Prozent der Patienten ausschließlich negativ aus. 16,3 Prozent gaben sowohl negative als auch positive Aspekte (etwa mehr Zeit mit der Familie) an, immerhin 5,3 Prozent bemerkten ausschließlich Positives, für 8,5 Prozent gab es (noch) keine Effekte. "Obwohl diese Maßnahmen notwendig und effektiv sind, um Leben retten zu können, gab es eine größere Belastung, und auch Probleme im sozialen Bereich und in der wirtschaftlichen Domäne bei den Patienten", erläuterte Thomas Probst, Professor für Psychotherapiewissenschaften an der Donau-Universität Krems und Autor der am Freitag präsentierten Studie.
Bei der Befragung im Zeitraum 24. März bis 1. April seien Angst, Isolation und Einsamkeit als die stärksten Gefühle angegeben worden, die durch die fehlenden sozialen Kontakte bzw. den wirtschaftlichen Konsequenzen von den Patienten empfunden wurden. Die Belastung auf die eigene psychische Gesundheit sei für viele deutlich spürbar, Symptome würden stärker, die fehlende Tagesstruktur erschwere den Alltag und die gewohnte Psychotherapie im direkten Kontakt werde vermisst. Eine zusätzliche Herausforderung für Patienten und Therapeuten sei die zuletzt nur über Telefon bzw. das Internet abwickelbare Beratung.
Bedarf dürfte sich erhöhen
Der derzeit bereits hohe Bedarf, die starken psychischen Belastungen zu lindern, dürfte sich in den nächsten Monaten noch erhöhen. "Die Maßnahmen der Bundesregierung sind wirksam, die psychische Belastung steigt aber durch die Einschränkungen massiv. Die Entscheidungsträger müssen sich bewusst sein, dass es während, aber auch nach dieser Ausnahmesituation einen hohen Bedarf an psychotherapeutischer Aufarbeitung gibt - für alle, die bereits in Behandlung sind, aber auch für jene, die eine Therapie zur Bewältigung benötigen", erklärte ÖBVP-Präsident und Studien-Mitautor Peter Stippl.
Eine repräsentative Befragung in der Bevölkerung über die Auswirkungen der Krise ist derzeit im Gange. Es sei aber zu erwarten, dass die Belastungen in der zweiten Jahreshälfte noch zunehmen werden. "Die Ernüchterung mit den Arbeitsplätzen wird da sein, es wird noch lange gewisse Restriktionen geben, es werden die Menschen die finanziellen Auswirkungen deutlicher spüren", so Stippl, der psychisch ohnehin belastete Menschen als "Seismografen der Gesellschaft" bezeichnete, weil sie Probleme noch sehr viel deutlicher spüren. Er erwartet daher für Betroffene veritable Probleme, hier sei die Psychotherapie besonders gefragt. Ein Hilfsmittel neben den von den Krankenkassen in gewissen Kontingenten übernommenen Therapien stelle auch die aktuell besonders nachgefragten Telefonhotlines dar.
Einen massiven Anstieg an Hilfsbedarf verzeichneten in den vergangenen Wochen auch Psychologen. Wie deren Berufsverband BÖP in einer Aussendung angibt, habe sich die wöchentliche Beratungszeit seiner Gratis-Telefonhotline im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit um mehr als 1.000 Prozent erhöht. Die Steigerung kommt auch durch die Ausweitung der zeitlichen Erreichbarkeit der Hotline zustande, die dank einer Kooperation des BÖP mit der Österreichischen Gesundheitskasse und Sozialversicherungsanstalten zuletzt noch erweitert wurde. Diese Zusammenarbeit läuft zumindest noch drei Monate weiter.
Zur Schließung aktueller Versorgungslücken und zur angemessen Behandlung von mehr erkrankten Menschen fordert der BÖP unverändert die Aufnahme der Psychologischen Therapie (klinisch-psychologischer Behandlung) als Kassenleistung. "Psychische Versorgung darf gerade jetzt nicht zu einem Luxusgut werden", betonte BÖP-Präsidentin Beate Wimmer-Puchinger. "Allen Menschen, die es brauchen, muss unabhängig von ihrer Geldbörse wichtige psychologische Behandlung gleichermaßen zugänglich sein." Eine diesbezügliche Petition habe bereits 29.000 Unterstützer. (APA)